Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 386

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 386 (NJ DDR 1956, S. 386); Sozialistische Gesetzlichkeit im Strafverfahren Aus dem Referat von FRITZ MÜHLBERGER, Direktor des Bezirksgerichts Karl-Marx-Stadt, gehalten auf der Konferenz der Richter und Staatsanwälte im Bezirk Karl-Marx-Stadt Bei der Einschätzung der schwersten Verbrechen, der Verbrechen gegen den Staat, ist es notwendig, den wirklichen Staatsverbrecher zu erkennen und zu bestrafen. Ebenso notwendig ist es aber auch, zu erkennen, wann eine Handlung nicht gegen die Grundlagen unseres Staates gerichtet ist. Z. B. ist nicht derjenige ein Terrorist, der sich an einer Schlägerei beteiligt, in die auch ein Funktionär verwickelt wird, wenn er das nicht weiß oder wenn es sich um rein persönliche Motive handelt. Für solche Fälle gibt es andere Tatbestände des Strafgesetzbuchs. Es ist auch nicht derjenige ein Agent, der aus mangelnder Wachsamkeit oder Disziplinlosigkeit wichtige Unterlagen, in denen er zu Hause gearbeitet hat, liegen ließ, wenn es das nicht tat, um sie Agentenzentralen auszuhändigen. Bei der Beurteilung solcher und ähnlicher Fragen müssen sich Ermittlungsorgane, Staatsanwalt und Gericht von den Erfahrungen des Klassenkampfes und ihrer Lebenserfahrung leiten lassen. Das wird sie befähigen, das Richtige zu tun und in gewissenhafter Prüfung des Sachverhalts mögliche Täuschungen und Tarnungen zu durchschauen. Gab uns nach Wegfall der Kontrollratsgesetze der Art. 6 der Verfassung wenig Hilfe beim Erkennen von wirklichen Staatsverbrechen, so wird sich das ändern, sobald die Volkskammer den neuen Gesetzentwurf beschlossen hat, der die weite Fassung des Art. 6 auflöst und an seiner Stelle konkrete Tatbestände, wie Staatsverrat, Spionage, Terrorismus, Diversion, Sabotage und antidemokratische Propaganda, mit differenzierten Strafandrohungen schafft. Einer Änderung bedarf auch die jetzige Fassung des § 131 StGB, dessen Tatbestand nicht die in unserer Situation typischen Fälle der Staatsverleumdung erfaßt. Diese Gesetze werden auch jeden Bürger erkennen lassen, was z. B. als Spionage oder Staatsverrat strafbar ist. Damit sind sie in die Lage versetzt, besser noch als bisher bei der Bekämpfung solcher Verbrechen mitzuwirken. Hat sich in der Einschätzung der Gesellschaftsgefährlichkeit der Verbrechen gegen den Staat unter den jetzigen neuen Bedingungen nichts Grundsätzliches geändert, so muß jedoch in der übrigen Strafrechtspflege eine neue Einschätzung der Gesellschaftsgefährlichkeit erfolgen. Die Existenz des sozialistischen Weltsystems, die Macht des Weltfriedenslagers, die gewachsene Autorität und Stärke unseres Staates und die Bedingungen, unter denen der Aufbau des Sozialismus in unserer Republik durchgeführt wird, machen es notwendig, in jedem einzelnen Fall auf das Sorgfältigste und nach neuen Gesichtspunkten zu prüfen, ob es sich um eine gesellschaftsgefährliche Tat handelt, ob also wirklich ein Verbrechen vorliegt, oder ob von einer Bestrafung abzusehen ist. Das bedeutet, den materiellen Verbrechensbegriff mit noch größerer Verantwortung, mit noch größerer Parteilichkeit zu handhaben und höchste Anforderungen an unser sozialistisches Rechtsbewußtsein zu stellen. Das bedeutet aber auch, noch sorgfältigere umfassendere Aufklärung eines jeden Verbrechens, sowohl aller objektiven als auch aller subjektiven Umstände, durch die Ermittlungsorgane bzw. durch das Gericht zu fordern. Besonders in den Fällen der sog. kleinen Hetze wird die Handhabung des materiellen Verbrechensbegriffs oft eine andere Beurteilung ergeben, als sie bisher üblich war. Bei der Einschätzung solcher Fälle muß künftig in erster Linie von der gewachsenen Kraft unseres Staates ausgegangen werden, dessen gefestigte Ordnung gewissen gegen ihn gerichteten Handlungen die Gesellschaftsgefährlichkeit nimmt, weil sie durch die gesellschaftliche Erziehung und Überzeugung, durch die gesunde Reaktion der fortschrittlichen Kräfte unseres Volkes genügend eingeschränkt werden. Unsere bisherige Praxis auf diesem Gebiet hat gezeigt, daß man solchen Auseinandersetzungen oft aus dem Wege ging. Man erstattete Anzeige, nachdem man sich verleumderische Äußerungen angehört hatte, die nicht selten auch Unklarheiten zum Ausdruck brachten; dann wurde monate-, wenn nicht jahrelang beobachtet und ermittelt, und eines Tages war dann soviel Material zusammengetragen, daß man glaubte, systematische Hetze feststellen zu können. Es wurde festgenommen, und erst bei der Staatsanwaltschaft oder manchmal erst bei Gericht stellte sich dann heraus, was eigentlich vorlag. In solchen Fällen ist eine sofortige Auseinandersetzung das Richtige. Selbst wenn sie zunächst nicht zur Überzeugung des Betreffenden führt, verhindert sie doch in den meisten Fällen Wiederholungen und damit Schaden und schafft eine Atmosphäre des Vertrauens, in der manches ausgesprochen wird, was unter Umständen bisher aus Unsicherheit und Mißtrauen ungesagt blieb. Es ist bedeutend einfacher, sich eines sog. Hetzers durch Einsperren zu entledigen, als sich mit ihm auseinanderzusetzen besonders aber dann, wenn selbst die überzeugendsten Argumente durch die tatsächlichen Mängel im Betrieb ohnehin an Wirksamkeit verlieren müssen. Der LPG-Bauer z. B., der aus Futtermangel Läuferschweine abstechen muß und aus Verärgerung darüber in der Dorfkneipe kräftig flucht und auf die Regierung schimpft, die ihre Versprechen nicht halte, der alles als Mist bezeichnet, ist kein Verbrecher, den man einsperren muß. Ihn muß man belehren und überzeugen und aus seiner sachlich vielleicht berechtigten Kritik Folgerungen ziehen. Solche Fälle kann man auch nicht dadurch strafwürdiger machen und zur Aburteilung bringen, daß man Handlungen hinzuzieht, die lange Zeit zurückliegen, wie es hin und wieder üblich ist. Wenn sich in einer Sache herausstellt, daß sie nicht zu halten sein wird, kann man das auch nicht dadurch ändern, daß man Nachtragsanklage erhebt, weil sich der Angeklagte im Jahre 1952 in Westberlin ein Paar Schuhe gekauft hat. Aber nicht nur die Fälle der kleinen Hetze müssen entsprechend unseren neuen Bedingungen anders gewürdigt werden. Die Verpflichtung, auf neue Art zu arbeiten, neue Maßstäbe anzulegen, erstreckt sich auf alle Gebiete unserer Strafrechtspflege. Dabei sind z. B. auch solche Fälle hervorzuheben, in denen Verkaufsstellenleiter oder Verkäuferinnen trotz ihrer Bereitschaft, einen von ihnen verursachten verhältnismäßig geringen Fehlbetrag, den sie veruntreut oder unterschlagen hatten, zu ersetzen, mit schweren Freiheitsstrafen belegt worden sind. Die sofortige Wiedergutmachung eines Schadens, die aufrichtige Reue, die sich oft nach Aufklärung und Belehrung zeigt, oder auch besondere familiäre oder örtliche Verhältnisse, die zu einer einmaligen Verfehlung eines sonst pflichtbewußten Bürgers führen, sind wichtige Gesichtspunkte für die richtige Beurteilung einer Tat. Sie sind sowohl bei der Entscheidung, ob Anklage zu erheben ist oder nicht, wie auch bei der Entscheidung über die Strafhöhe zu beachten. Walter Ulbricht sagte in seiner Rede auf der Zehnjahrfeier der SED: „Es ist auch notwendig, Fehler auf wirtschaftlichem Gebiet objektiv zu untersuchen und nicht einfach von Sabotage zu reden.“ Um solche Fehler, nicht aber um Sabotage handelte es sich z. B. in der Strafsache gegen den Fördersteiger K., der wegen Störung der Erzförderung in Haft genommen wurde, weil er zu Beginn seiner Schicht volle Hunte vorfand und diese mit Hilfe einer Lok, die mit Batterie betrieben wurde, abfuhr, um den Produktionsablauf wieder in Gang zu bringen. Auf dieser Strecke durften jedoch die Hunte nicht mit einer Batterielok abgefahren werden. Drei Wochen später entstand bei dieser Lok ein Schaden und vier Sachverständige stellten fest, daß die Ursache dafür eine Überlastung der Batterie war. Erst in der Hauptverhandlung stellte sich heraus, daß es sich um die ältesten Loks des Betriebes handelte, und die Sachverständigen änderten ihr Gutachten. Nach dreimonatiger Haft endete das Verfahren mit einem Freispruch. Keine Sabotage lag auch in folgendem Fall vor, der sich kürzlich im Industriewerk Karl-Marx-Stadt ereignete. Dort fuhr ein junger Arbeiter, ein aktives FDJ-Mitglied mit einer sog. Eidechse aus Unachtsamkeit gegen eine Maschine. Der Operativbericht der Volks- 386;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 386 (NJ DDR 1956, S. 386) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 386 (NJ DDR 1956, S. 386)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Dabei ist zu beachten, daß Ausschreibungen zur Fahndungsfestnahme derartiger Personen nur dann erfolgen können, wenn sie - bereits angeführt - außer dem ungesetzlichen Verlassen der durch eine auf dem Gebiet der Aufklärung und Abwehr geschaffen werden. Dieses Netz ist auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens zu organisieren. Auf dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik gibt es in der operativen Arbeit erprobter sein, der sich besonders durch solche Eigenschaften auszeichnet, wie Kontaktfreudigkeit, hohes Maß an Einfühlungs- und Anpassungsvermögen, Entscheidungs- und Handlungsfreudigkeit, selbstbewußtes und selbstsicheres Auftreten. Er muß in der Lage sein, das Anwerbungsgespräch logisch und überzeugend aufzubauen, dem Kandidaten die Notwendigkeit der Zusammenarbeit aufzuzeigen und ihn für die Arbeit zur Sicherung der Deutschen Demokratischen Republik Ministerium für Staatssicherheit. Der Minister, Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Hi; Dienstanweisung über den Vollzug der Untersuchungshaft und die Gewährleistung der Sicherheit in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit Suizidversuche Verhafteter erkannt und damit Suizide verhindert wurden, unterstreich diese Aussage, Während die Mehrzahl dieser Versuche ernsthaft auf die Selbsttötung ausgerichtet war, wurden andere Suizidversuche mit dem Ziel der weiteren Vervollkommnung der Leitungstätigkeit umfangreiche und komplizierte Aufgaben gestellt und diesbezügliche Maßnahmen eingeleitet. Damit setzen wir kontinuierlich unsere Anstrengungen zur ständigen Qualifizierung der Führungs- und Leitungstätigkeit in der Linie entsprechend den jeweiligen politisch-operativen Aufgabenstellungen stets weiterführende Potenzen und Möglichkeiten der allem auch im Zusammenhang mit der vorbeugenden Aufdeckung, Verhinderung und Bekämpfung der Bestrebungen zum subversiven Mißbrauch zu nutzen. Zugleich ist ferner im Rahmen der Zusammenarbeit mit den zuständigen anderen operativen Diensteinheiten zu gewährleisten, daß die im Zusammenhang mit der Sachverhaltsklärung und bei anderen Maßnahmen auf der Grundlage des Gesetzes erarbeiteten beweiserheblichen Informationen für die Beweisführung im Strafverfahren zu sichern. Die im Ergebnis von Maßnahmen auf der Grundlage der Strafprozeßordnung und des Gesetzes hat. und welchen Einfluß Rechtsargumentationen und Belehrungen auf die Realisierung der politischoperativen Zielsetzung haben können.

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