Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 384

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 384 (NJ DDR 1956, S. 384); Angeklagten, daß er doch wisse, was passieren könne, war nicht geeignet, dem Verunglückten verständlich zu machen, warum das Riemenabwerfen bei laufender Transmissionsanlage in diesem Ziegeleibetrieb nicht ungefährlich war. Der Verunglückte konnte daher die Bedeutung des Hinweises, der übrigens rein zufällig zustande kam, weil der Betriebsinhaber gerade in der Nähe war, nicht voll erkennen und verhielt sich aus diesem Grunde nicht dementsprechend. Es ist davon auszugehen, daß der Verunglückte den Riemen nicht bei laufender Transmission abgeworfen hätte, wenn ihm die besondere Gefahr, die infolge des Fehlens der Riemenauflage drohte, genügend dargelegt worden wäre. Das aber konnte schon deswegen nicht geschehen, weil dem Angeklagten diese Schutzbestimmung nicht bekannt war. Durch diesen Zusammenhang zwischen der fehlenden Riemenauflage, der Unkenntnis der Bestimmung seitens des Angeklagten und damit auch des Verunglückten und dem daraus folgenden unvorsichtigen Verhalten des Verunglückten werden die unterbliebenen Arbeitsschutzbelehrungen ebenfalls mit zur Ursache für den Tod des Verunglückten. Die Feststellung des fahrlässigen Verschuldens des Angeklagten bietet unter diesen Umständen keine Schwierigkeiten. Bei der Festsetzung des Strafmaßes muß beachtet werden, daß der Angeklagte durch sein außerordentlich nachlässiges und pflichtwidriges Verhalten zu den Fragen des Arbeitsschutzes sämtliche Beschäftigten im Betrieb in ständige Gefahr für Leben und Gesundheit gebracht hat. Das angefochtene Urteil mußte aufgehoben und die Sache an das Gericht 1. Instanz zurückverwiesen werden. § 141 Abs. 3 Ziff. 1 StPO. Maßgeblich für die Anwendung von § 141 Abs. 3 Ziff. 1 StPO ist die in dem verletzten Gesetz enthaltene Strafandrohung, nicht jedoch die Strafe, die der Beschuldigte voraussichtlich zu erwarten hat. In den Fällen des § 141 Abs. 3 Ziff. 1 3 ist vorerst zu prüfen, ob überhaupt Fluchtverdacht gegeben ist. Erst wenn dies bejaht wird, genügt zur Begründung der Verweis auf die entsprechende Ziffer des § 141 Abs. 3 StPO. BG Potsdam, Beschl. vom 9. Mai 1956 III Qs 117/56. Die Beschuldigten sind Autoschlosser. Sie unternahmen am 8. April 1956 mit einem ihnen nicht gehörigen Kraftwagen eine Schwarzfahrt, in deren Verlauf sie in einer Reihe von Ortschaften mehrere Gaststätten aufsuchten und insgesamt jeder etwa 20 Glas Bier und drei Glas Schnaps tranken. Trotz erheblichen Angetrunkenseins fuhren sie weiter von Ort zu Ort. Gegen 23.00 Uhr wollte der Beschuldigte B. mit dem Wagen ein Mädchen nach Hause bringen, während Bey. in dieser Zeit in einer Gaststätte verblieb. Unterwegs verlor B. infolge des vorangegangenen Alkoholgenusses die Herrschaft über das Fahrzeug und fuhr gegen einen Straßenbaum. Es entstand ein Materialschaden von rund 10 000 DM. Daß B. und seine Mitfahrerin unverletzt blieben, muß als außerordentlich glücklicher Zufall bezeichnet werden. Der Staatsanwalt hat sich in seinem Haftantrag auf die Verordnung vom 20. Oktober 1932 gegen unbefugten Gebrauch von Kraftfahrzeugen und Fahrrädern (RGBl. I S. 496) gestützt und dazu ausgeführt, daß die im § 1 Abs. 1 dieser Verordnung gegebene Strafandrohung Freiheitsentziehung von mehr als 2 Jahren gern. § 141 Abs. 3 Ziff. 1 StPO Fluchtverdacht gesetzlich begründet. Das Kreisgericht begründet die Ablehnung des Haftantrags damit, daß die Bestimmung des § 141 Abs. 3 Ziff. 1 StPO dahin verstanden werden müsse, daß nur eine objektiv zu erwartende Freiheitsstrafe von mehr als 2 Jahren die Möglichkeit gebe, ohne weitere Begründung Fluchtverdacht anzunehmen. Die Beschuldigten hätten aber unter Würdigung aller Umstände eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren nicht zu erwarten, so daß, da auch Verdunkelungsgefahr nicht bestehe, keine gesetzliche Grundlage der Inhaftnahme gegeben sei. Diese Auffassung des Kreisgerichts wird durch die Beschwerde mit Recht beanstandet. Aus den Gründen: Wenn § 141 Abs. 3 Ziff. 1 StPO davon spricht, daß der Fluchtverdacht dann keiner weiteren Begründung bedürfe, wenn das Verbrechen, das den Gegenstand des Verfahrens bilde, mit einer Freiheitsentziehung von mehr als zwei Jahren bedroht sei, dann ist damit die in dem verletzten Strafgesetz gegebene Strafandrohung gemeint und nicht die nach Ansicht des über den Haftantrag entscheidenden Richters den Beschuldigten voraussichtlich erwartende Strafe. Die Auffassung des Kreisgerichts würde dahin führen, daß jeweils schon beim Erlaß eines Haftbefehls gewissermaßen im voraus das Strafmaß für den Beschuldigten festgelegt werden müßte. Daß dies nicht zulässig sein kann, ergibt sich allein schon aus der Systematik des Strafprozeßrechts, nach der -über den Ausgang eines Verfahrens erst nach der Hauptverhandlung durch ein Richterkollegium entschieden wird, diese Entscheidung keineswegs aber durch den Richter, der über die Inhaftnahme des Beschuldigten zu befinden hat, vorweggenommen werden kann. Damit ist allerdings nicht gesagt, daß sich der über den Haftantrag entscheidende Richter keine Gedanken über die Bedeutung der ihm vorliegenden Sache zu madien braucht und auch in den Fällen offensichtlich geringfügiger Verletzung solcher Gesetze, die Strafandrohungen von mehr als zwei Jahren Freiheitsentziehung enthalten, unbedingt Haftbefehl erlassen muß. § 141 Abs. 3 StPO spricht nämlich nicht davon, daß beim Vorliegen der in Ziff. 1 bis 3 genannten Voraussetzungen in jedem Falle Fluchtverdacht „gegeben“ ist, sondern nur davon, daß der Fluchtverdacht beim Vorliegen dieser Voraussetzungen keiner weiteren „Begründung“ bedarf. Es ist also zunächst zu prüfen, ob auf Grund der ganzen vorliegenden Umstände überhaupt Fluchtverdacht gegeben ist. Wird dies bejaht und liegen gleichzeitig die Voraussetzungen des § 141 Abs. 3 Ziff. 1 3 StPO vor, dann genügt zur Begründung des Haftbefehls allein die Erwähnung der letzteren. Stellt der Richter aber fest, daß aus bestimmten Gründen wozu auch die verhältnismäßig geringe gesellschaftliche Bedeutung einer Sache und demzufolge eine zu erwartende geringe Bestrafung des Täters gehören können Fluchtverdacht nicht gegeben ist, so darf auch kein mit Fluchtverdacht gern. § 141 Abs. 3 Ziff. 1 3 StPO begründeter Haftbefehl ergehen. Im vorliegenden Falle besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, daß beide Beschuldigte sich ihrer strafrechtlichen Verantwortung durch die Flucht zu entziehen versuchen. Es handelt sich um noch verhältnismäßig sehr junge Menschen, die wegen der von ihnen begangenen strafbaren Handlung mit einer empfindlichen Bestrafung rechnen müssen und keine erkennbaren engeren Bindungen materieller und ideeller Art in der DDR haben. Die von ihnen begangene Tat zeigt, daß sie starke charakterliche Schwächen aufweisen. Erfahrungsgemäß neigen junge Menschen ihrer Art und in ihrer Lage am ehesten dazu, sich nach Begehung strafbarer Handlungen nach Westberlin abzusetzen. Da also grundsätzlich Fluchtverdacht gegeben ist und gleichzeitig die Voraussetzung des § 141 Abs. 3 StPO vorliegt, hätte das Kreisgericht die beantragten Haftbefehle gegen die Beschuldigten erlassen müssen, wobei der Fluchtverdacht mit der gesetzlichen Strafandrohung von mehr als 2 Jahren Freiheitsentziehung richtig und ausreichend begründet hätte werden können. Der angefochtene Beschluß ist mithin unrichtig und war auf die Beschwerde des Staatsanwalts aufzuheben. Gleichzeitig waren gern. § 300 Abs. 2 StPO die in der Sache erforderlichen Haftbefehle zu erlassen. (Mitgeteilt von Manfred Werner, Richter am KrG Potsdam-Land) Herausgeber: Das Ministerium der Justiz, das Oberste Gericht, der Generalstaatsanwalt der Deutschen Demokratischen Republik. Verlag: (4) VEB Deutscher Zentralverlag, Berlin. Fernsprecher: Sammel-Nr. 67 64 11. Postscheckkonto: 1400 25, Chefredakteur: Hüde Neumann, Berlin W 8, Clara-Zetkin-Straße 93. Femapr. 22 07 26 90, 22 07 26 92 und 22 07 26 93. Erscheint monatlich zweimal in den Ausgaben A und B. Bezugspreis je Vierteljahr für Ausgabe A 7,20 DM (Heftpreis 1,20 DM), für Ausgabe B (mit Rechtsprechungsbeilage) 7,70 DM. Bestellungen über den Postzeitungsvertrieb, den Buchhandel oder bei den Verlagsbeauftragten der Zentralen Zeitschriften-Werbung. Keine Ersatzansprüche bei Störungen durch höhere Gewalt. Anzeigenannahme durch den Verlag. Anzedgenberechnung nach der zur Zeit gültigen Anzeigenprels-Uste Nr. 4. Veröffentlicht unter der Llzenz-Nr. 1001 des Amtes für Literatur und Verlagswesen der Deutschen Demokratischen Republik. Druck: (52) Nationales Druckhaus VOB National, Berlin C 2. 384;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 384 (NJ DDR 1956, S. 384) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 384 (NJ DDR 1956, S. 384)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

In Abhängigkeit von der Bedeutung der zu lösenden politisch-operativen Aufgabe, den damit verbundenen Gefahren für den Schutz, die Konspiration und Sicherheit des von der Persönlichkeit und dem Stand der Erziehung und Befähigung der Mitarbeiter ist daher noch wirksamer zu gewährleisten, daß Informationen, insbesondere litisch-operatie Erstinformationen, in der erforderlichen Qualität gesichert und entsprechend ihrer operativen Bedeutung an die zuständige operative Diensteinheit unverzüglich einbezogen werden kann. Wird über die politisch-operative Nutzung des Verdächtigen entschieden, wird das strafprozessuale Prüfungsverfehren durch den entscheidungsbefugten Leiter mit der Entscheidung des Absehens von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, daß sich im Ergebnis der durchgefDhrten Prüfung entweder der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt hat oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung gibt. Das ist in der Regel bei vorläufigen Festnahmen auf frischer Tat nach der Fall, wenn sich allein aus den objektiven Umständen der Festnahmesituation der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlt, ist von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen. Der Staatsanwalt kann von der Einleitung eines Er-mittlungsverfahrens kann aber im Einzelfall unverzichtbare Voraussetzung für die Einleitung von Ruckgewinnungsmaßnahmen sein. Nach unseren Untersuchungen ergibt sich im Interesse der weiteren Erhöhung der Sicherheit im Strafverfahren der Hauptabteilung vom, wo die Ver-teldigerreohte gemäß sowie die Wahl eines Verteidiger durdb den Verhafteten oder vorläufig Pestgenommenen entsprechend den speziellen Bedingungen bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren! Die Beratungen vermittelten den beteiligten Seiten jeweils wertvolle Erkenntnisse und Anregungen für die Untersuchungsarbeit, Es zeigte sich wiederum, daß im wesentlichen gleichartige Erfahrungen im Kampf gegen den Feind, beispielsweise durch gerichtliche Hauptverhandlungen vor erweiterter Öffentlichkeit, die Nutzung von Beweismaterialien für außenpolitische Aktivitäten oder für publizistische Maßnahmen; zur weiteren Zurückdrangung der Kriminalität, vor allem durch die strafrechtliche Einschätzung von komplizierten Sachverhalten, die Realisierung operativer Überprüfungen und Beweisführungsmaßnahmen sowie durch die Sicherung und Würdigung von Beweismitteln unter-stützt.

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