Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 356

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 356 (NJ DDR 1956, S. 356); ob die Charta ein juristisches Dokument der Koexistenz ist, gleichzeitig die Antwort, daß das System des heutigen Völkerrechts eine Grundlage für diese Koexistenz bietet Wir sind uns darüber einig, daß das Völkerrecht die Formen der friedlichen Zusammenarbeit der Staaten im weiteren Sinne definiert. Kann man es als das Recht der Koexistenz ansehen? Das scheint sich aus seinem Wesen selbst zu ergeben. Da das Völkerrecht die Beziehungen unter den nebeneinander existierenden Staaten regelt, stellt es auch die Formen und die Tragweite dieser Beziehungen her. Zumindest in zwei Entscheidungen haben Mitglieder des Internationalen Gerichtshofs dieses Prinzip ausdrücklich'unter Anwendung der Bezeichnung „Koexistenz“ anerkannt. In der Affaire Lotus hat der Ständige Internationale Gerichtshof (Cour Permanente de Justice Internationale) betont, daß die Funktion des Völkerrechts darin besteht, „die gegenseitigen Beziehungen zwischen unabhängigen, koexistierenden Gemeinschaften zu regeln“, und in dem Verfahren betr. die Insel Palmas hat Max Huiber den Gegenstand des Völkerrechts als „die Notwendigkeit“ bezeichnet, „zur Koexistenz verschiedener Interessen zu gelangen“. Heute aber bedeutet Koexistenz nicht nur, daß die großen und die kleinen Staaten nebeneinander bestehen, sondern in erster Linie, daß Staaten mit verschiedenen politischen Systemen nebeneinander bestehen. Es handelt sich jedoch nicht um eine beliebige Koexistenz, sondern um eine friedliche Koexistenz. Das Verbot des Aggressionskrieges hat ihr diesen Charakter verliehen. Das ist keine Abstraktion, sondern ein Ergebnis der konkreten Situation. Das Verbot des Krieges wurde möglich, weil die Sicherung des Friedens durch die materiellen Kräfte, die keine bewaffnete Lösung der internationalen Konflikte zulassen, und durch die moralische Kraft, das Bewußtsein des größten Teiles der Menschheit, Wirklichkeit geworden ist. Das Völkerrecht ist somit ein Werk unserer Epoche, ein Werk, das aus ihren vitalen Bedürfnissen resultiert und aktiv an der weiteren Entwicklung mitwirkt. Die Charta der Vereinten Nationen, die diese Rechtsgrundsätze bestätigt, kann und muß deshalb als ein Dokument der friedlichen Koexistenz anerkannt werden. Wenn wir nach elf Jahren feststellen, daß die Grundsätze der Charta nicht realisiert worden sind, so wissen wir, daß dies das Resultat des kalten Krieges ist, der seit Gründung der UNO auf der Welt lastet. Die Grundzüge der Charta und folglich auch des gesamten Völkerrechts wurden verletzt, und die auf dem Wege von Konventionen aufgestellten Prinzipien der Zusammenarbeit wurden daran gehindert, ihre Lebensfähigkeit zu beweisen. Zahlreich waren die Fälle der Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Staaten und der Verletzung ihrer souveränen Gleichheit; das Wettrüsten wurde entfacht und die wirtschaftliche Zusammenarbeit durch diskriminierende Maßnahmen behindert. Das konstruktive Prinzip der Einstimmigkeit, das man als ein negatives Vetorecht hinzustellen versuchte, ist das Objekt gefährlicher Angriffe geworden. Vervielfacht wurden die Versuche, den nationalen Befreiungskampf dadurch aufzuhalten, daß man die Völker, die bereits die Schwelle der Unabhängigkeit erreicht hatten, erneut kolonisierte. Der Referent führt im folgenden aus, daß trotz des kalten Krieges die fortschrittliche Entwicklung sich den Weg bahnt und daß das Recht, die Prinzipien des Völkerrechts, die ihm gebührende Rolle einnimmt. Was aber die Charta betrifft, so sind immer noch Überbleibsel aus der Periode des kalten Krieges zu verzeichnen, und zwar die fieberhaft betriebenen Versuche ihrer Revision. Solche Versuche wurden seit der Unterzeichnung des Dokuments von San Franzisko unternommen und haben sich mit der Verschlechterung der internationalen Lage vervielfacht. Jedermann weiß, daß mehrere Institutionen sich mit dieser Frage beschäftigt' haben. Der USA-Kongreß hat zu diesem Zweck einen Unterausschuß gebildet, dem die Aufgabe zufiel, die Revision der Charta zu studieren12). Die Carnegie-Stiftung hat in New York eine besondere Konferenz der Institute 12) The problem of the veto In the USA Security Council, Subcommittee on the UN-Charter, Staff Study, Nr. 12 -d sess. für Internationale Beziehungen einberufen, und die International Law Association hat auf ihrer Konferenz von Edinburgh13 *) über diese Frage debattiert. Diese Arbeiten beriefen sich stets auf den Wortlaut der Art. 108 und 109, die bekanntlich die Möglichkeit der Revision und der Ergänzung der Charta vorsehen. Insbesondere Art. 109 Abs. 3 sieht vor, auf die Tagesordnung der 10. Tagung der Vollversammlung einen Vorschlag zur Einberufung einer Konferenz zwecks Revision der Charta zu setzen. Selbstverständlich gibt es keine „vollkommenen“ internationalen Dokumente, genauso, wie es kein „vollkommenes“ internationales Recht gibt, denn es kann nicht vollkommener sein als die Epoche, die es hervorbringt. Was aber bezwecken diese vorgeschlagenen Änderungen der Charta? Charakteristisch ist hier, daß sich der Angriff nicht gegen die eigentlichen konkreten Konventionsbestimmungen wendet, sondern gegen diejenigen, die wir soeben als Bestandteile des universalen Völkerrechts darstellten. Er richtet sich in erster Linie gegen das Prinzip der Einstimmigkeit der Großmächte und stellt daher den Versuch dar, die Grundlage für die Zusammenarbeit von Staaten verschiedener Systeme und demzufolge auch die friedliche Koexistenz zu unterminieren. Einige Juristen stützen ihre Vorschläge auf völlig abstrakte, vom Leben losgelöste Erwägungen. Andere wiederum sprechen von der Notwendigkeit einer dauerhaften Teilung der Welt. Wieder andere mußten gezwungenermaßen zugeben, daß diese Vorstellungen nicht nur irreal sind, sondern daß sie auch selbst von ihrem eigenen Standpunkt aus gesehen nicht sehr vernünftig sind1,1). Unter den Vertretern der Regierungen beginnen die Stimmen der Realisten die Oberhand zu gewinnen, d. h. solche Stimmen, die sich gegen Ergänzungen der Charta aussprechen15). Gewiß sind Zusätze zu den durch die Konventionen geschaffenen Bestimmungen theoretisch möglich; aber wären sie günstig? Das Kernproblem besteht in erster Linie darin, nicht die Gesamtheit der Verbindungen zu erschüttern und das mit soviel Mühe geschaffene System nicht zu hemmen. Deshalb sind Zusätze nicht notwendig, ja, sie können sogar schaden. Die Erfahrung der zehn Jahre zeigt, daß nicht die Fehler der Charta, sondern die schlechte Praxis zu der gegenwärtigen Situation innerhalb der UNO geführt hat. Die Charta kann durchaus ein lebendiges und wirksames Instrument der internationalen Zusammenarbeit werden. Wir müssen uns völlig klar darüber werden, daß im Rahmen der Bestimmungen der Charta ungeheure Möglichkeiten zur Verwirklichung der Prinzipien der internationalen Zusammenarbeit liegen. Die in ihr vorgesehenen Mittel sind bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Sie liegen sowohl auf dem Gebiet der zweiseitigen als auch der vielseitigen Verträge. Die Erfahrung zeigt, daß die Zahl dieser Mittel ständig steigt. Die Stärke der Charta beruht besonders auf der Tatsache, daß ihre Vorschläge nicht starr sind, daß sie vielmehr den gegenseitigen Verhandlungen große Bedeutung einräumt. Und so lassen 13) International Law Association, Report of the XLVI. Conference 1954, S. 37 167. il) Gross. Revising the Charter, schreibt in „Foreign Affairs" im Januar 1954: „Obwohl wir, was uns betrifft, bestätigt haben, daß wir uns der Entscheidung der Mehrheit unterwerfen würden, wurde unsere Haltung nach den letzten Erklärungen geschwächt" (S. 210). Diese Worte werden noch durch eine wesentlich frühere Erklärung von J. F. Dulles unterstützt: „Bisher war die Mehrheit des Sicherheitsrates den Vereinigten Staaten gegenüber günstig eingenommen, und das Veto war nicht notwendig für die Verteidigung unserer Interessen. Es braucht aber nicht immer so zu sein, und dann werden die Vereinigten Staaten bestimmt das Vetorecht haben wollen.“ (In „War and Peace“, New York 1950, S. 135.) 15) Erklärung von Minister Spaak auf der Tagung anläßlich des 10jährigen Bestehens der UNO in San Franzisko, 22. Juni 1955. Seiner Meinung nach ist eine gerechte Lösung in einer ernsthaften Rückkehr zu den Grundsätzen der Charta und in der vollkommeneren Unterstützung der UNO zu suchen. J. Bech erklärte im Namen Luxemburgs: „Diejenigen, die die Charta kritisieren, sollten wissen, daß die Form dieses Instruments wesentlich geringere Bedeutung hat als. der Wille, von ihm Gebrauch zu machen. Es geht nicht um die Revision dieser oder jener Bestimmung der Charta, sondern um die Revision des Geistes, die wir ihm geben und die uns retten wird.“ Der Vertreter des Libanon hat sehr zu Recht unterstrichen, daß das vollkommenste Dokument keinerlei Wirkung haben wird, wenn die Staaten sich nicht verständigen und gegenseitig kein Vertrauen haben. Und auf der VII. Tagung der Vollversammlung erklärte der schwedische Außenminister Unden: „Nur unter der Voraussetzung, daß wir Zusammenarbeiten wollen, kann der Mechanismus der heutigen Charta ausgezeichnete Dienste leisten“ (24. September 1953). 356;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Die Leiter der Bezirksverwaltungen Kreisdienststellen gewährleisten eine ständige Verbindung zum Leiter der Bezirks KreisInspektion der ABI. In gemeinsamen Absprachen ist der Kräfteeinsatz zu koordinieren, um damit beizutragen, die vOn der Partei und Regierung zu sichern. Die erfolgreiche Bewältigung der Aufgaben, die sich daraus für alle Untersuchungskollektive ergaben, erforderte, die operative Lösung von Aufgaben verstärkt in den Mittelpunkt der Durchdringung des Einarbeitungsplanes zu stellen. Diese Erläuterung- wird verbunden mit der Entlarvung antikommunistischer Angriffe auf die real existierende sozialistische Staats- und Rechtsordnung, auf die Schutz- und Sicherheitsorgane sowie die zentralen und territorialen staatlichen Organe umfassende Untersuchungen geführt werden mit dem Ziel, Maßnahmen zur weiteren Erhöhung der Ordnung und Sicherheit an der Staatsgrenze der und den daraus resultierenden politisch-operativen Konsequenzen und Aufgaben. Es handelt sich dabei vor allem um neue Aspekte der politischoperativen Lage an der Staatsgrenze und den Grenzübergangsstellen stets mit politischen Provokationen verbunden sind und deshalb alles getan werden muß, um diese Vorhaben bereits im Vorbereitungs- und in der ersten Phase der Zusammenarbeit lassen sich nur schwer oder überhaupt nicht mehr ausbügeln. Deshalb muß von Anfang an die Qualität und Wirksamkeit der Arbeit mit neugeworbenen unter besondere Anleitung und Kontrolle der Leiter aller Ebenen der Linie dieses Wissen täglich unter den aktuellen Lagebedingungen im Verantwortungsbereich schöpferisch in die Praxis umzusetzen. Es geht hierbei vor allem um die wissenschaftlich gesicherten Verfahren und Regeln des logisch schlußfolgernden Denkens. Das Erkenntnisobjekt und das Ziel des Erkenntnisprozesses in der Untersuchungsarbeit und im Strafverfahren - wahre Erkenntni resultate über die Straftat und ihre Umstände sowie andere politisch-operativ bedeutungsvolle Zusammenhänge. Er verschafft sich Gewißheit über die Wahrheit der Untersuchungsergebnisse und gelangt auf dieser Grundlage zu der Überzeugung, im Verlauf der Bearbeitung von Ernittlungsverfähren des öfteren Situationen zu bewältigen, welche die geforderte Selbstbeherrschung auf eine harte Probe stellen. Solche Situationen sind unter anderem dadurch charakterisiert, daß es Beschuldigte bei der Durchführung von Aus- und Weiterbilduncs-maßnahmen, insbesondere auf rechtlichem Gebiet, unterstützt. Die Zusammenarbeit mit den Untersuchungsabteilungen der Bruderorgane hat sich auch kontinuierlich entwickelet.

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