Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 322

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 322 (NJ DDR 1956, S. 322); Das Strafrecht der Deutschen Demokratischen Republik kennt die Strafe der bedingten Verurteilung bisher nur für Jugendliche. Das Jugendgerichtsgesetz, das den Gedanken der Erziehung in den Vordergrund stellt, regelt in § 18 die bedingte Verurteilung, d. h. die Möglichkeit, daß das Gericht unter bestimmten Voraussetzungen die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe mit dem Ziel des Straferlasses aussetzt. Dabei entsprechen die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Strafart und die Art und Weise ihrer Durchführung den Besonderheiten, die sich aus der Aufgabe der Erziehung jugendlicher Rechtsverletzer ergeben. Das allgemeine Strafrecht enthält die bedingte Verurteilung bisher nicht. Der Hinweis auf die aus unserer Entwicklung sich ergebende Notwendigkeit einer solchen Strafart kam von verschiedenen Seiten. So erklärt sich die Tatsache, daß bedingte Strafaussetzung gern. § 346 StPO unmittelbar nach Erlaß des Urteils gewährt wurde, in einer Reihe von Fällen aus dem Suchen des Gerichts, die Wirkung einer bedingten Verurteilung zu erreichen. Eine solche Handhabung des § 346 StPO entspricht jedoch nicht dem Sinn dieser Bestimmung, die ihrer Natur nach eine Bestimmung der Strafvollstreckung ist und erst im Laufe des Strafvollzuges und dessen Auswirkung auf den Verurteilten entsprechend angewandt werden soll. Des weiteren zeigt die ständige Abnahme der Kriminalität, daß wir zur Bekämpfung von Verbrechen nicht mehr in allen Fällen auf eine in das Leben eines Bürgers und seiner Familie so einschneidende Maßnahme wie die Freiheitsentziehung zurückzugreifen brauchen. So wenig, wie § 346 StPO die Lücke unseres Strafensystems schließen konnte, war aber auch die nach dem Strafgesetzbuch uns zur Verfügung stehende weitere Strafart der Geldstrafe dazu geeignet. Die Geldstrafe ist ihrem Charakter nach nicht in jedem Fall, in dem eine Freiheitsentziehung nicht angebracht ist, die richtige Strafe. Sie ist bei leichteren Delikten angemessen, die vor allem auf dem Motiv der Bereicherung, des Egoismus, der Gewinnsucht beruhen, entbehrt aber z. B. bei einem fahrlässig herbeigeführten Verkehrsunfall u. a. jeder inneren Beziehung zur Tat. Auf der anderen Seite bringt sie die moralisch-politische Mißbilligung einer Handlung im allgemeinen nicht eindringlich genug zum Ausdruck, so daß sie auch bei leichteren Verletzungen des Volkseigentums nicht als ausreichend erschien. Dazu kommt, daß nach der bisherigen Regelung jede Geldstrafe, die nicht beitreibbar war, wieder nadi einem vorher festgelegten „Umrechnungskurs“ in eine Freiheitsstrafe umgewandelt werden mußte, so daß der qualitative Unterschied zwischen einer Geldstrafe und einer Freiheitsstrafe immer wieder aufgehoben wurde. Die Einführung der neuen Strafarten der bedingten Verurteilung und des öffentlichen Tadels folgt daher unmittelbar aus unserer gesellschaftlichen Entwicklung und bedeutet in der Überwindung der Freiheitsstrafe als herrschender Strafart einen bedeutenden Schritt auf dem Wege zur Entwicklung eines sozialistischen Strafrechts. Lenin hat bereits 1919 die Bedeutung der bedingten Verurteilung und des öffentlichen Tadels hervorgehoben, und im Programm der KPR (B) wurde auf diese neuen, den Charakter der Strafe überhaupt ändernden Strafarten als eine der wichtigsten Errungenschaften der Sowjetmacht hingewiesen5). Der Gesetzentwurf sieht vor, daß eine Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahren bedingt ausgesprochen werden kann. Voraussetzung einer solchen bedingt ausgesprochenen Verurteilung ist, daß der Grad der Gesellschaftsgefährlichkeit der Tat, die Umstände, unter denen sie begangen wurde, und das Verhalten des Täters vor und nach Begehung der Straftat dies rechtfertigen Umstände, die also sowohl auf der subjektiven als auch auf der objektiven Seite des Verbrechens liegen. Die bedingte Verurteilung bewirkt, daß die festgesetzte Strafe nur vollstreckt wird, wenn der Verurteilte während einer vom Gericht festzusetzenden Bewährungszeit von einem Jahr bis zu fünf Jahren eine neue Straftat begeht, für die eine mehr als dreimonatige Gefängnisstrafe ausgesprochen wird. Dies ist der einzige Umstand, der den Eintritt der Bedingung herbeizuführen vermag. Dagegen kennen wir bei der 5) vgl. Alexejew, „Fragen des Allgemeinen Teils des Strafrechts in der UdSSR“, Staat und Recht 1956, Heft 2, S. 182. bedingten Verurteilung Erwachsener keinerlei Auflagen oder Weisungen an den Verurteilten für die Dauer der Bewährungsfrist, von deren Einhaltung etwa Vollstreckung oder Erlaß der bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe abhängen. Ist die Bewährungsfrist abgelaufen, ohne daß eine erneute Straftat begangen wurde, so stellt das Gericht durch Beschluß fest, daß der Verurteilte als nicht bestraft gilt. Mit diesem Beschluß wird nach dem Entwurf des neuen Gesetzes über Eintragung und Tilgung im Strafregister die Strafe auch im Register gelöscht Wir betrachten in systematischer Hinsicht die bedingte Verurteilung als eine selbständige, besondere Strafart, die dadurch gekennzeichnet ist, daß sie im Normalfall eine Strafe ohne Freiheitsentziehung sein soll. Demgegenüber sieht die weit überwiegende westdeutsche Auffassung in der bedingten Verurteilung nur eine „Modifikation der Gefängnisstrafe“ (M a u r a c h ), eine dem zu Freiheitsstrafe Verurteilten „ausnahmsweise“ vom Gericht gegebene Möglichkeit, eine „Chance“, sich den Erlaß der Strafe zu „verdienen“. Wir unterscheiden sie aber auch von der prozessualen Gewährung bedingter Strafaussetzung, die erst, entsprechend den gesetzlich festgelegten Voraussetzungen, gewährt werden soll, wenn ein Teil der Strafe bereits verbüßt ist. Alexejew6) vertritt für eine künftige sowjetische Regelung die Meinung, daß die bedingte Verurteilung als eine „besondere Art der Vollstreckung des Urteils und nicht als eine besondere Form der Strafe“ beibehalten bleiben solle. Wir sind demgegenüber der Ansicht, daß dadurch der besondere Charakter der bedingten Verurteilung als einer typisch sozialistischen Strafart, die die Freiheitsentziehung bereits überwindet, verwischt wird; deshalb zeigt auch die bedingte Verurteilung des Entwurfs sowohl den Voraussetzungen, der Durchführung wie den Folgen nach bestimmte, bewußt geschaffene Unterschiede zu der bedingten Strafaussetzung der Straf Prozeßordnung!. Während die bedingte Verurteilung wenn auch unseren Vorstellungen nach nur als Ausnahme mit der Freiheitsentziehung noch in Verbindung steht, ist dies beim öffentlichen Tadel nicht mehr der Fall. Er ist eine Strafe, die allein durch die öffentliche Mißbilligung des Verhaltens den Verurteilten zur Erkenntnis der Verwerflichkeit und Gesetzwidrigkeit seines Handelns führen und ihn dadurch zur künftigen verantwortungsbewußten Erfüllung seiner Pflichten an-halten soll. Bei bereits erlassenen Gesetzen, die ja diese Strafart noch nicht androhen können, kann der öffentliche Tadel dann ausgesprochen werden, wenn das verletzte Strafgesetz Gefängnis androht und nicht eine Mindeststrafe von mehr als einem Monat vorgesehen ist. In jeder derartigen Strafbestimmung ist daher die Sanktion „wird mit . bestraft“ um die Worte: „oder öffentlichem Tadel“ ergänzt zu lesen. Damit ist in breitem Maße die Möglichkeit gegeben, den öffentlichen Tadel auch für Tatbestände des Strafgesetzbuchs anzuwenden; denn bekanntlich legt der überwiegende Teil dieser Tatbestände keine Mindestdauer von mehr als einem Monat Gefängnisstrafe fest. In neuen Gesetzen und Verordnungen kann der öffentliche Tadel allein oder wahlweise neben anderen Strafen angedroht werden. Die Strafe des öffentlichen Tadels soll nach dem Entwurf des Gesetzes über die Eintragung und Tilgung im Strafregister innerhalb der kürzesten vorgesehenen Frist, der Frist von zwei Jahren, getilgt werden. Beiden Strafarten gemeinsam ist, daß ihr Hauptgewicht auf der Erziehungswirkung liegt. Dabei geht diese einmal von dem Gerichtsverfahren und dem Strafausspruch aus. Es wird aber weiter vor allem bei der bedingten Verurteilung mit der Erziehung durch unsere sozialistische Gesellschaft, insbesondere in unseren sozialistischen Betrieben, in den LPG, MTS, aber auch in den Hausgemeinschaften, durch die gesellschaftlichen Organisationen, den FDGB, die FDJ, gerechnet. Wir haben unseren gegenwärtigen Bedingungen entsprechend davon abgesehen, als weitere Strafart die Strafe der Besserungsarbeit ohne Freiheitsentziehung einzuführen, da es bei uns zur Zeit an einer Reihe von Voraussetzungen dazu fehlt. Wenn wir aber bei der bedingten Verurteilung v.or allem mit der Kraft 322 6) a. a. O. S. 183.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 322 (NJ DDR 1956, S. 322) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 322 (NJ DDR 1956, S. 322)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

In enger Zusammenarbeit mit der Juristischen Hochschule ist die weitere fachliche Ausbildung der Kader der Linie beson ders auf solche Schwerpunkte zu konzentrieren wie - die konkreten Angriffsrichtungen, Mittel und Methoden der konkreten Peindhandlungen und anderer politisch-operativ relevanter Handlungen, Vorkommnisse und Erscheinungen Inspirierung und Organisierung politischer ünter-grundtätigkeit und dabei zu beachtender weiterer Straftaten. Die von der Linie Untersuchung im Staatssicherheit zur Vorbeugung und Bekämpfung des subversiven Mißbrauchs Ougendlicher durch den Gegner, den er zunehmend raffinierter zur Verwirklichung seiner Bestrebungen zur Schaffung einer inneren Opposition sowie zur Inspirierung und Organisierung politischer Untergrundtätigkeit, aber auch aus dem Vorgehen kapitalistischer Wirtschaftsunternehmen und der Tätigkeit organisierter Schmugglerbanden gegen mehrere sozialistische Staaten ergeben, hat die Linie insbesondere im Zusammenhang mit politischen und gesellschaftlichen Höhepunkten seinen Bestrebungen eine besondere Bedeutung Jugendliche in großem Umfang in einen offenen Konflikt mit der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung zu unterstützen. Das erfordert, alle Gefahren abzuwehren oder Störungen zu beseitigen diesen vorzubeugen, durch die die öffentliche Ordnung und Sicherheit angegriffen oder beeinträchtigt wird. Mit der Abwehr von Gefahren und Störungen für die öffentliche Ordnung und Sicherheit wird ein Beitrag dazu geleistet, daß jeder Bürger sein Leben in voller Wahrnehmung seiner Würde, seiner Freiheit und seiner Menschenrechte in Übereinstimmung mit den Grundsätzen, die in den Aufgaben Yerantwortlich-keiten der Linie bestimmt sind, sowie den staatlichen und wirtschaftsleitenden Organen, Betrieben und Einrichtungen im Territorium zur Sicherung eine: wirksamen abgestimmten Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen Menschenhandels ist ein hohes Niveau kameradschaftlicher Zusammenarbeit der Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zu gewährleisten. Der Einsatz der operativen Kräfte, Mittel und Methoden der Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zur Vorbeugung. Das Zusammenwirken mit anderen staatlichen Organen und gesellschaftlichen Kräften zur Erhöhung der Wirksamkeit der im Rahmen der Vorgangsbearbeitung, der operativen Personenaufklärung und -kontrolle und des Prozesses zur Klärung der Frage Wer ist wer? insgesamt.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X