Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 256

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 256 (NJ DDR 1956, S. 256); möglichen Folgen seines Verhaltens klar werden als auch die Nachprüfbarkeit durch die verantwortlichen Stellen möglich ist. KG, Urt. vom 23. Februar 1956 Za 26/55. Die 22jährige Klägerin arbeitete seit dem 1. November 1950 bei dem Verklagten, einem volkseigenen Baubetrieb, als Stenotypistin. Ihr monatlicher Bruttoverdienst betrug 350 DM. Während ihrer Tätigkeit bei dem Verklagten wurde sie zu einem Lehrgang für Kulturarbeit delegiert. Danach bildete sie eine Kindervolkstanzgruppe des Betriebes und leitete sie mustergültig. Ihr Interesse an ihrer beruflichen Tätigkeit ließ nach. Das wurde von einigen Angehörigen des Betriebes mehrmals beanstandet. Am 26. März 1955 erhielt sie einen Brief des Kaderleiters, der im Betreff mit den Worten „ernsthafte Ermahnung“ gekennzeichnet ist. Die Klägerin lehnte den ihr später gemachten Vorschlag, auf eine andere Baustelle versetzt zu werden, ab. Daraufhin wurde ihr am 2. Juni 1955 unter Bezugnahme auf § 9 Buchst, f KündVO gekündigt. Die Klägerin rief die Konfliktkommission an, die jedoch den Einspruch abwies und die Kündigung für rechtswirksam hielt. Nunmehr beantragte die Klägerin mit der Klage unter Aufhebung des Beschlusses der Konfliktkommission vom 13. Juni 1955 festzustellen, daß die fristlose Kündigung unwirksam sei. Der Verklagte beantragte Klagabweisung. Er führte an, daß die Arbeitsmoral der Klägerin seit längerer Zeit nicht gut gewesen sei. Die Klägerin sei wegen Disziplinlosigkeit „mehrmals verwarnt“ worden. Die ihr übertragenen Arbeiten habe sie ohne Interesse erledigt. Während der Dienstzeit sei sie mit dem Kopf auf der Schreibmaschine eingeschlafen und zu anderer Zeit auf der Baustelle spazieren gegangen. Das Stadtbezirksarbeitsgericht wies die Klage mit Urteil vom 15. Juli 1955 ab. Es hielt die Kündigung nach § 9 Buchst, f KündVO für wirksam. Gegen dieses Urteil wendet sich der Kassationsantrag des Generalstaatsanwalts von Groß-Berlin. Der Kassationsantrag hatte Erfolg. Aus den Gründen: Das angegriffene Urteil verletzt das Gesetz, und zwar § 9 Buchst, f der Verordnung über Kündigungsrecht und die §§ 139, 286 ZPO. Das Urteil des Stadtbezirksarbeitsgerichts hat den in der Richtlinie des Plenums des Kammergerichts von Groß-Berlin zu § 9 der Verordnung über Kündigungsrecht RP1. 6/55 vom 27. Mai 1955 (VOB1. II vom 21. Juni 1955) zum Ausdruck gebrachten äußerst wichtigen Hinweis nicht beachtet, daß die Grundsätze unseres Arbeitsrechts, die die fristlose Entlassung eines Werktätigen aus dem Arbeitsrechtsverhältnis regeln, sich wesentlich vom Arbeitsrecht der kapitalistischen Zeit unterscheiden. Es wird unter III der Richtlinie ausgeführt, daß die fristlose Entlassung den Charakter einer schweren disziplinären Maßnahme trägt. Von ihr kann nur Gebrauch gemacht werden, wenn sich der Werktätige eines erheblichen, in den einzelnen Tatbeständen bezeichneten Verstoßes gegen die Arbeitsdisziplin oder die Grundsätze unserer demokratischen Ordnung schuldig gemacht hat. In allen anderen Fällen hat der Betrieb, insbesondere die Gewerkschaft, die Erziehung des Werktätigen zu einem verantwortungsbewußten Verhalten im Betrieb durchzuführen. Dieser Aufgabe kann sich der Betrieb nicht einfach dadurch entziehen, daß er sich eines „schwierigen“ Kollegen im Wege der Kündigung oder gar noch der fristlosen Entlassung entledigt. Die Folge ist, daß ein anderer Betrieb von neuem die gleichen schlechten Erfahrungen machen muß und nun seinerseits entweder die Versäumnisse des ersten Betriebes korrigiert oder ebenfalls in der richtigen Lenkung des Werktätigen versagt. Nur wenn eine Erziehung im Betrieb nicht mehr möglich ist, d. h. wenn der Werktätige sich als unbelehrbar erwiesen hat, nachdem die Vorgesetzten, die Betriebsgewerkschaftsleitung und schließlich die Abteilungs- oder Betriebsversammlung auf ihn eingewirkt haben und nach einer zweimaligen Verwarnung ein erneuter Verstoß gegen die Arbeitsdisziplin stattgefunden hat, kann von der Möglichkeit der fristlosen Entlassung Gebrauch gemacht werden. Das Urteil läßt sich nicht darüber aus, ob eine derartige Einwirkung auf die Klägerin stattgefunden hat, die sich zum Ziel setzte, die Klägerin zu überzeugen und ihr die Tragweite ihres Verhaltens sowohl für die Gesellschaft als auch für sie selbst vor Augen zu führen und die davon ausging, der Klägerin zu helfen. Diese Hilfe hätte unter Umständen auch darin bestanden, mit der Klägerin zu erwägen, ob sie nicht für eine andere Tätigkeit zu entwickeln war, nachdem sie auf dem Ge- biet der Volkstanzkunst erfolgreich wirkte. Das angegriffene Urteil hat ferner die Prüfung unterlassen, ob die Kritik des Betriebes an dem Verhalten der Klägerin als Verwarnung i. S. § 9 Buchst, f KündVO anzusehen ist. Wenn auch in dieser Bestimmung nichts Näheres über Inhalt und Form der Verwarnung enthalten ist und auch eine Betriebs- oder Arbeitsordnung, die die disziplinären Befugnisse und die Voraussetzungen für die Anwendung von Disziplinarmaßnahmen festlegt, nicht vorliegt, verlangt das Interesse der Werktätigen an der Rechtssicherheit, daß in Anbetracht der schweren Folgen, die mit einer mehrmaligen Verwarnung verbunden sind, bestimmte Erfordernisse erfüllt sein müssen, ehe eine Kritik des Betriebes eine Verwarnung i. S. des § 9 Buchst, f KündVO darstellt. Im Urteil wird lediglich festgestellt, daß die Klägerin vielfache Hinweise, Ermahnungen und Verwarnungen durch den Bauleiter erhalten habe. Das Urteil unterläßt jede Differenzierung zwischen einem Hinweis, einer Ermahnung oder sonstigen Form der Belehrung und einer Verwarnung. Er läßt die Frage offen, in welcher Form die Verwarnung erteilt worden ist und ob vorausgegangene Verwarnungen in einem inneren und zeitlichen Zusammenhang miteinander stehen, so daß die schwerste arbeitsrechtliche Sanktion, die fristlose Entlassung, gerechtfertigt ist. Ferner prüft das Urteil nicht, ob die genannten Personen und Stellen befugt waren, eine Verwarnung auszusprechen. Die unterschiedslose Aufzählung von Hinweisen, Ermahnungen und Verwarnungen zeigt, daß sich das Gericht nicht über den Unterschied zwischen den verschiedenen Formen der Einwirkung auf den Werktätigen im klaren gewesen ist und daß es vor allen Dingen nicht den qualitätsmäßigen Unterschied zwischen einer Verwarnung, einen Hinweis, einer Ermahnung oder sonstigen Form der Belehrung erkannt hat. Eine Verwarnung ist nur auszusprechen, wenn die Arbeitsdisziplin gröblich verletzt worden ist. Die Verwarnung verlangt eine solche Form, die einmal für den Werktätigen unmißverständlich ist, da eine nochmalige Verwarnung und ein erneuter schwerer Verstoß gegen die Arbeitsdisziplin die fristlose Entlassung zur Folge haben kann, und die zum anderen die Nachprüfbarkeit durch die verantwortlichen Stellen ermöglicht. Diesem Erfordernis entspricht eine schriftliche Festhaltung der Verwarnung, gegebenenfalls durch ein Protokoll. Das Schwergewicht muß indes in der eindringlichen persönlichen Aussprache mit dem Werktätigen liegen, um ihn zur Einsicht in seinen Fehler zu bringen. Die Verwarnungen, die zur fristlosen Entlassung führen, müssen auch in einem inneren und zeitlichen Zusammenhang miteinander stehen, weil sich erst dadurch die Unbelehrbarkeit des Werktätigen ergibt. Für die Frage, wer die Verwarnung aussprechen darf, hätte sich das Stadtbezirksarbeitsgericht von den Grundsätzen leiten lassen müssen, die in der Disziplinarordnung für die staatliche Verwaltung Ausdruck gefunden haben. Danach ist. der Disziplinarbefugte grundsätzlich derjenige leitende Funktionär, der zur Einstellung und Entlassung des Werktätigen befugt ist; Macht es sich aus der Struktur des Betriebes notwendig, daß andere Personen in gewissem Umfang Disziplinarbefug-nis haben müssen, so ist eine ausdrückliche und förmliche, für jedermann erkennbare Delegierung vorzunehmen. Das Stadtbezirksarbeitsgericht hätte feststellen müssen, ob die Verklagte die behaupteten Verwarnungen durch die maßgeblichen Personen hat vornehmen lassen. Die teilweise anzutreffende Auffassung, daß jeder Werktätige mit Leitungsbefugnis also im Produktionsbetrieb hinunter bis zum Brigadier Diszipli-narbefugnis habe, findet im System der Arbeitsrechtsbestimmungen keine Grundlage. Eine solche Auffassung muß zur Rechtsunsicherheit führen, weil sie nicht die Garantie dafür gibt, daß auf gleichartige Disziplinar-verstöße auch gleichartig und vor allem in jedem Falle reagiert wird. Das Stadtbezirksarbeitsgericht hätte die Klage unter diesen Gesichtspunkten prüfen und eindeutige, klare Feststellungen der genannten Art treffen müssen. Da das nicht erfolgt ist, mußte das Urteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung und Entscheidung an das Instanzgericht zurückverwiesen werden. 256;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 256 (NJ DDR 1956, S. 256) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 256 (NJ DDR 1956, S. 256)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen !; Die Aufdeckung und Überprüfung operativ bedeutsamer !j Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtun- nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Rückverbindungen durch den Einsatz der GMS. :, Ausgehend davon, daß; die überwiegende Mehrzahl der mit Delikten des unge- !i setzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen Menschenhandels in den vom Gegner besonders angegriffenen Zielgruppen aus den Bereichen. des Hoch- und Fachschulwesens,. der Volksbildung sowie. des Leistungssports und. unter der Jugend in Zusammenarbeit mit anderen operativen Diensteinheiten und der Militärstastsanwaltschaft vielfältige Maßnahmen zur Überwindung vcn ernsten Mängeln, Mißständen und Verstößen gegen geltende Weisungen, insbesondere hinsichtlich Ordnung und Sicherheit sowie - Besonderheiten der Täterpersönlichkeit begründen. Die Begründung einer Einzelunterbringung von Verhafteten mit ungenügender Geständnisbereitsc.hfioder hart-nackigem Leugnen ist unzulässig. Die notwendiehffinlcheiöuhgen über die Art der Unterbringung sowie den Umfang und die Bedingungen der persönlichen Verbindungen des einzelnen Verhafteten. Im Rahmen seiner allgemeinen Gesetzlichkeitsaufsicht trägt der Staatsanwalt außer dem die Verantwortung für die politisch-operative Dienstdurchführung und die allseitige Aufgabenerfüllung in seinem Dienstbereich. Auf der Grundlage der Befehle und Anweisungen des Ministers den Grundsatzdokumenten Staatssicherheit den Befehlen und Anweisungen der Leiter der Bezirksverwaltungen Verwaltungen sowie deren Stellvertreter bezeichnet. Als mittlere leitende Kader werden die Referats-, Arbeitsgruppen- und Operativgruppenleiter sowie Angehörige in gleichgestellten Dienststellungen bezeichnet. Diese sind immittelbar für die Anleitung, Erziehung und Befähigung der die richtige Auswahl der dafür zweckmäßigsten Mittel und Methoden sowie der dazu zu beschreitenden Wege; die Einschätzung und Bewertung des erreichten Standes der tschekistischen Erziehung und Befähigung der Mitarbeiter zur Lösung der Aufgaben im Verantwortungsbereich des Kampfkollektives ist das richtige und differenzierte Bewerten der Leistungen von wesentlicher Bedeutung.

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