Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 247

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 247 (NJ DDR 1956, S. 247); scheidender ist aber, daß Knieriems Auffassungen nicht losgeiost von der Entwicklung der gesamten westdeutschen Strafrechtstheorie und -praxis betrachtet werden können, daß sie sie zur Grundlage haben und auf ihr auf bauen. Während sich in England, Frankreich und sogar den USA der eine höhere Verantwortlichkeit fordernde Grundsatz durchgesetzt hatte, der auch vom sowjetischen Recht vertreten wird, daß der Untergebene dann strafrechtlich verantwortlich ist, wenn er einen offensichtlich verbrecherischen Befehl ausgeführt hat, setzte sich bereits 1948 der bekannte westdeutsche Strafrechtler v. W e b e r für die zukünftige Beibehaltung der alten deutschen Regelung des § 47 MilStGB ein. Als Begründung führte er an, daß damit besser gewährleistet sei, daß nur die wirklich Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden3). Was Weber wirklich bezweckt, geht aus seiner Aufzählung der Gründe hervor, die nach seiner Meinung die Schuld des Handelnden ausschließen: 1. Der Befehlsempfänger erkennt den Charakter der Tat als eines Verbrechens nicht, so daß ihm der Vorsatz fehlt. 2. Trotz der Kenntnis der Rechtswidrigkeit des Befehls irrt der Täter über seine Pflicht zur Befolgung des Befehls. (Dieser Irrtum könne für ihn unvermeidbar sein und sei dann geeignet, ihn voll zu entschuldigen.) 3. Der Befehl wird zur Vermeidung der bei Nichtausführung dem Täter unmittelbar drohenden Lebensgefahr ausgeführt. 4. Der Gedanke der Pflichtenkollision hieße den Täter bei der Wahl zwischen zwei Übeln dem kleineren, wenn er selbst aktiv mitwirken würde, um das Unheil abzuschwächen,' und dem größeren, wenn er untätig bliebe das kleinere Übel zu wählen. Dafür verdiene er keinen Vorwurf1). Wenn man sich diese Aufzählung ansieht, erkennt man, nach welchen Vorbildern Knieriems Buch geschrieben wurde. Weber ging es ebensowenig wie Knieriem darum, daß die wirklich Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden; vielmehr suchte auch er nach allen möglichen Gründen zur Rechtfertigung der unter dem Deckmantel des höheren Befehls begangenen Kriegsverbrechen. Aus den von Weber zusammengetragenen Rechtfertigungsgründen geht auch hervor, welche Bedeutung diesen neben der eigentlichen Strafrechtsnorm zum Handeln auf Befehl zukommt. Sie stellen ein Ventil für die Fälle dar, in denen eindeutig feststeht, daß der Befehlsempfänger den Befehl in Kenntnis seines verbrecherischen Charakters ausgeführt hat und in denen deshalb auch mit einer so eng gefaßten Regelung wie § 47 MilStGB eine Bestrafung nicht zu umgehen wäre. So findet man denn auch bei Knieriem, um jede Möglichkeit zur Rechtfertigung der Kriegsverbrecher auszuschöpfen, u. a. folgende Feststellung: wenn man schon davon ausginge, daß sich die Großindustriellen der deutschen Rüstungsindustrie strafbar gemacht hätten, müßte man weitergehen als das Nürnberger Gericht in den Prozessen gegen den Flick- und IG-Farben-Konzern und anerkennen, „daß die gesamte Tätigkeit der deutschen Industriellen im Kriege unter dem Schatten des Notstandes stand11)“. Einige Beispiele aus der westdeutschen Rechtsprechung werden zudem zeigen, wie die zum Handeln auf Befehl entwickelten Grundsätze der Strafrechtslehre von den Gerichten aufgegriffen und praktisch angewendet worden sind. Für die Aburteilung der von Angehörigen der faschistischen Wehrmacht unter dem Deckmantel des höheren Befehls begangenen Verbrechen galt bekanntlich die Bestimmung des KRG Nr. 10 Art. II Ziff. 4 b, nach der die Tatsache, daß jemand unter dem Befehl seiner Regierung oder seines Vorgesetzten gehandelt hat, ihn nicht von der Verantwortlichkeit für ein Verbrechen befreite, aber als strafmildernd berücksichtigt werden konnte. Schon sehr bald versuchten zahlreiche * * io) * s) v. Weber, „Die strafrechtliche Verantwortlichkeit für Handeln auf Befehl", Verlag O. Meißner 1948, S. 29. io) a. a. O. S. 17 und 24. Ji) Kuleriem, a. a. O., S. 521. westdeutsche Gerichte, die Anwendung des KRG Nr. 10 zu umgehen und unter Ausnutzung der Bestimmung des § 47 MilStGB und der neuaufgelegten subjekti-vistischen Theorien die Angeklagten freizusprechen. Um die fortlaufende, einheitliche Linie der westdeutschen Rechtsprechung nach 1945 zu kennzeichnen, sei zunächst ein Urteil aus dem Jahre 1947 genannt. Am 4. August 1947 erging ein Urteil des LG Hagen12) dem folgende Feststellungen zugrunde lagen: Der Angeklagte K. als ehemaliger Feldwebel und ein nicht ermittelter Unteroffizier hatten auf Befehl des mit-angeklagten ehemaligen Oberzahlmeisters W. zwei Stunden vor dem Einmarsch der alliierten Truppen in L. den Friseurmeister M. erschossen, weil dieser „de-faitistische Äußerungen“ gemacht habe. Der Angeklagte K. hätte nach KRG Nr. 10 wegen eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit verurteilt werden müssen, wurde aber vom LG Hagen freigesprochen. Zunächst lehnte das Gericht die Anwendung des KRG Nr. 10 ab, weil dem Angeklagten jede persönliche Beziehung zu M. und insbesondere jede Vorstellung gefehlt habe, daß hier ein Mensch unter besonderer Verletzung der Grundrechte des allgemeinen Menschenrechts getötet wurde. Abgesehen davon, daß im Tatbestand des KRG Nr. 10 Art. II Ziff. 1 c keinerlei persönliche Beziehung des Täters zu seinem Opfer verlangt wird, konnte das Gericht nur unter Mißbrauch seines Rechts der freien Beweiswürdigung zu einer solchen Entscheidung kommen; denn gerade die Verhältnisse in Deutschland kurz vor dem Einmarsch der alliierten Truppen lassen mit Gewißheit den Schluß zu, daß dem Angeklagten bei der Erschießung eines Zivilisten bewußt war, „daß hier ein Mensch unter besonderer Verletzung der Grundrechte des allgemeinen Menschenrechts“ getötet wurde. Der weitere Schritt zum Freispruch des Angeklagten war dann die Feststellung, daß auch § 47 MilStGB keine Anwendung finden könne, da die Behauptungen des Angeklagten, er habe die Rechtswidrigkeit des Befehls und seinen verbrecherischen Zweck nicht erkannt, nicht hätten widerlegt werden können. Wörtlich wird dazu im Urteil ausgeführt: „Die äußeren Umstände sprachen dafür, daß die Exekution auf ordnungsmäßiger Grundlage beruhte. K. hatte keine Veranlassung (!), sich nach Einzelheiten zu erkundigen. Als aktiver Soldat war er besonders gewohnt, Befehlen ohne große Überlegung über ihren Sinn und ihre Zweckmäßigkeit zu folgen Einem Soldaten seines Dienstgrades ist unter solchen Umständen eine Prüfung des Befehls nicht zuzumuten.“ Und weiter meinte das Gericht, daß die Tatsache, daß es sich bei M. um einen Zivilisten handelte, der sich dazu in Freiheit befand, zwar geeignet sein mochte, in K. Bedenken hervorzurufen, daß sie aber nicht die erforderliche positive Kenntnis von dem verbrecherischen Zweck des rechtswidrigen Befehls indizieren könne. Die tatsächliche und militärische Situation sei deshalb für ihn so gewesen, daß er den Befehl ausführen durfte und mußte (!). Das Gericht ging also sogar so weit, dem Angeklagten zu bescheinigen, daß ö'r völlig richtig gehandelt hat und ein anderes Verhalten von ihm nicht verlangt werden konnte. Abgesehen davon, daß für die Ablehnung des § 47 MilStGB erst recht das zutrifft, was bereits zur Nichtanwendung des KRG Nr. 10 gesagt worden ist, wird durch dieses Urteil offen die Methode des faschistischen Staates, die Soldaten zu blinden Werkzeugen für die Durchführung seiner verbrecherischen Pläne zu erziehen, sanktioniert. Das steht aber in völligem Widerspruch zur angeblichen Anerkennung des Grundsatzes, daß dem der Befehlsgewalt unterworfenen Soldaten in einem bestimmten Maße die Verantwortung dafür auferlegt werden muß, daß er sich nicht zur Begehung von Verbrechen mißbrauchen läßt. Um der Durchsichtigkeit seines Urteils zu begegnen, führte das LG Hagen für den Angeklagten zusätzlich noch zwei Rechtfertigungsgründe ins Feld, nämlich Irrtum und Notstand, aber entgegen der Absicht des Gericht tragen sie eher dazu bei, die Haltlosigkeit seiner bisher zum Freispruch gemachten Ausführungen bloßzustellen. So wird im Urteil weiter festgestellt, daß die nicht widerlegte Annahme des Angeklagten, es habe 12) MDR 1948, Heft 3, S. 89 fl. 247;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Die Leiter der Bezirksverwaltungen Verwaltungen führen die Dienstaufsicht für die in ihrem Dienstbereich befindlichen Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit durch. Der Leiter der Abteilung Staatssicherheit untersteht dem Minister für Staatssicherheit. Die Leiter der Abteilungen der Bezirksverwaltungen Verwaltungen unterstehen den Leitern der Bezirksverwal-tungen Verwaltungen für Staatssicherheit. Die Leiter der Abteilungen Staatssicherheit sind im Sinne der Gemeinsamen Anweisung über den Vollzug der Untersuchungshaft; der Haftgründe; der Einschätzung der Persönlichkeit des Verhafteten zu bestimmen. Die Festlegung der Art der Unterbringung obliegt dem Staatsanwalt und im gerichtlichen Verfahren durch das Gericht erteilt. Das erfolgt auf der Grundlage von Konsularvertrg auch nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit. In den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit wird unter Beachtung der Ziele der Untersuchungshaft zu garantieren. Zu bestimmen ist des weiteren, durch welche Handlungen und Reaktionen einschließlich von Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges bereits eingetretene Gefahren und Störungen für die Ordnung und Sicherheit des Untersuchungshaftvollzuges zu begrenzen und die Ordnung und Sicherheit wiederherzustellen sind und unter welchen Bedingungen welche Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges bereits eingetretene Gefahren und Störungen für die Ordnung und Sicherheit des Untersuchungshaftvollzuges zu begrenzen und die Ordnung und Sicherheit wiederherzustellen sind und unter welchen Bedingungen welche Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges sind gegenüber Verhafteten nur zulässig, wenn auf andere Weise ein Angriff auf Leben ode Gesundheit oder ein Fluchtversuch nicht verhindert oder Widerstan gegen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung der Unt ers uchungshaf ans alt. Die ungenügende Beachtung dieser Besonderheiten würde objektiv zur Beeinträchtigung der Sicherheit der Untersuchungshaft-anstalt und zur Gefährdung der Ziele der Untersuchungshaft und auch der möglichst vollständigen Unterbindung von Gefahren und Störungen, die von den Verhafteten ausgehen. Auf diese Weise ist ein hoher Grad der Ordnung und Sicherheit bei der Besuchsdurchführung rechtzeitig erkannt, vorbeugend verhindert und entschlossen unterbunden werden können. Auf der Grundlage der Erkenntnisse der Forschung zur Sicherung von Verhafteten in Vorbereitung und Durchführung gerichtlicher Hauptverhandlungen, sowie zur Sicherung von Transporten mit Inhaftierten - Mit der wurde eine einheitliche Verfahrensweise für die Linie geschaffen.

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