Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 245

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 245 (NJ DDR 1956, S. 245); Rechte der Berufssoldaten und der „Soldaten auf Zeit“. Von besonderer Bedeutung ist § 11 des Gesetzes, der den Umfang und die Grenzen der Gehorsamspflicht des Soldaten festlegt; mit ihm muß man sich etwas näher beschäftigen. Angesichts der Tatsache, daß in Westdeutschland schon seit Jahren systematisch die Freilassung der vom Nürnberger Militärgerichtshof und von anderen Gerichten verurteilten deutschen Kriegsverbrecher betrieben wird,' daß ihre Rehabilitierung und Wiederverwendung in verantwortlichen Funktionen des westdeutschen Staatsapparates erfolgt, ist die Frage berechtigt, ob § 11 des Soldatengesetzes geeignet sein wird, der neuerlichen Ausführung von Verbrechen unter dem Deckmantel der Kriegserfordemisse und höherer Befehle einen Riegel vorzuschieben. Aus Gründen des Zusammenhangs sei zunächst aus dem Inhalt des § 10 zitiert, der die Pflichten des Vorgesetzten festlegt: „Er (der Vorgesetzte R. P.) hat die Pflicht zur Dienstaufsicht und ist für die Disziplin seiner Untergebenen verantwortlich“ (Abs. 2). „Er darf Befehle nur zu dienstlichen Zwecken und nur unter Beachtung der Regeln des Völkerrechts, der Gesetze und der Dienstvorschriften erteilen“ (Abs. 4). „Er trägt für seine Befehle die Verantwortung. Befehle hat er in der den Umständen angemessenen Weise durchzusetzen“ (Abs. 5). § 11 des Soldatengesetzes lautet dann: „(1) Der Soldat muß seinen Vorgesetzten gehorchen. Er hat ihre Befehle nach besten Kräften vollständig, gewissenhaft und unverzüglich auszuführen (2) Ein Befehl darf nicht befolgt werden, wenn dadurch ein Verbrechen oder Vergehen begangen würde. Befolgt der Untergebene den Befehl trotzdem, so trifft ihn eine Schuld nur, wenn er erkennt oder wenn es nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist, daß dadurch ein Verbrechen oder Vergehen begangen wird.“ Damit wird also im § 11 der Versuch gemacht, die Befolgung verbrecherischer Befehle unter Strafe zu stellen. Eine Strafrechtsnorm dieser Fassung kann bei richtiger Anwendung durchaus ein geeignetes Mittel sein, um Verbrechen, die unter dem Deckmantel eines Befehls begangen wurden, wirksam zu bestrafen, denn sie legt für die Feststellung der Schuld des Untergebenen einen objektiven Maßstab fest. Wenn man aber die bisherige westdeutsche Rechtsprechung zum Handeln auf Befehl, die dazu von der Strafrechtstheorie entwickelten Lehren und die gesamten Aktionen zur Rehabilitierung der deutschen Kriegsverbecher betrachtet, so hat man sehr starke Veranlassung zu der Befürchtung, daß mit § 11 eine rechtsstaatliche Fassade geschaffen werden soll, hinter der sich ganz andere Absichten und Ziele verbergen. Da wurde z. B. 1953 August v. Knieriems „Rückblick auf Nürnberg rechtliche und menschliche Probleme“ veröffentlicht. Wer nicht weiß, daß Knieriem ehemals Chefjurist der IG-Farben war, der kann sich Ähnliches nach dem Lesen weniger Seiten dieses Buches denken; denn wer sollte sonst ein Interesse daran haben, ein Buch zu schreiben, das sich von der ersten bis zur letzten Seite die Rechtfertigung faschistischer Kriegsverbrecher aller Prägungen zur Aufgabe gestellt hat? Es ist gewiß kein Zufall und zeigt nur die besondere Bedeutung dieser Frage, daß Knieriem als eines der Hauptargumente die schuldbefreiende Wirkung des Handelns auf Befehl anführt. Als Begründung dazu führt er u. a. aus: „Der Untergebene braucht nicht nachzuprüfen, welche Zwecke der Befehlende verfolgt, ja, da er es nicht braucht, darf er es als Untergebener auch nicht tun. Besteht nur irgendeine Möglichkeit, daß die Zwecke des Befehlenden nicht verbrecherisch waren, so muß der Untergebene den Befehl ausführen, mag er auch seine Zweifel daran haben, ob der Befehl nötig, geeignet oder verbrecherisch war.“1) l) Knieriem, „Rückblick auf Nürnberg rechtliche und menschliche Probleme“, Stuttgart 1953, s. 263. Aber selbst dann, wenn sich die Befehlenden strafbar gemacht hätten, könnten sich die Untergebenen, die die Zwecke ihrer Vorgesetzten nicht gekannt hätten, auf den höheren Befehl berufen2). Bei diesen Feststellungen geht Knieriem, nachdem er die Unanwendbarkeit des KRG Nr. 10 „begründet“ hat, von der Regelung des § 47 des ehemaligen deutschen Militärstrafgesetzbuchs aus, die eine strafrechtliche Verantwortlichkeit für die Ausführung eines verbrecherischen Befehls nur dann vorsah, wenn der Handelnde wußte, daß der ihm erteilte Befehl ein Verbrechen bezweckte. An dieser Stelle muß zunächst eine interessante Gegenüberstellung getroffen werden. Seiner Fassung nach wird durch § 11 des Soldatengesetzes die strafrechtliche Verantwortlichkeit für Handeln auf Befehl gegenüber der Regelung des § 47 MilStGB wesentlich erhöht; denn der Untergebene macht sich nicht nur dann strafbar, wenn er weiß, daß mit dem Befehl ein Verbrechen bezweckt wird, sondern auch dann, wenn dies „nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich“ ist. Nach dem Wortlaut des Gesetzes kann man gar keiner anderen Meinung sein. Bedenklich ist es allerdings, daß seine Schöpfer diese Ansicht offenbar nicht teilen, wie man der Begründung zu § 9 des Soldatengesetzentwurfs, dem jetzigen § 11 des Gesetzes, entnehmen muß. Der erstaunte Leser kann bei einem Vergleich mit dem Standpunkt Knieriems fast völlige Übereinstimmung feststellen. Zwar wird zunächst anerkannt, daß sich Gewissenlose und moralisch Blinde nicht darauf berufen können, daß ihnen das Verbrechen oder Vergehen, das in der Ausführung des Befehls liegt, nicht zum Bewußtsein gekommen sei. Diese Sätze verlieren aber an Bedeutung, wenn man weiterliest: „Das Gebiet der Fälle, in denen der Befehl offensichtlich strafrechtswidrig ist, liegt jenseits aller Zweifel. Dort, wo der Soldat Zweifel hegt, die er nicht beheben kann, liegt von seinem Standpunkt aus3) kein offensichtlich verbrecherischer Befehl vor. Damit ist er entlastet. Es darf für den Soldaten kein Wagnis bedeuten, irgendeinem Befehl zu gehorchen, selbst wenn dieser ausnahmsweise einmal unverbindlich sein sollte Der gewissenhafte Untergebene kann und soll wissen, daß er bei bloßen Zweifeln unbesorgt gehorchen darf und besser daran tut zu gehorchen. Entschließt er sich nämlich auf Grund bloßer Zweifel, dem Befehl, den er ohne persönliches Wagnis ausführen darf, nicht zu gehorchen, dann trägt er auch die Gefahr. Es geht militärisch nicht an, Ungehorsam gegen rechtmäßige und verbindliche Befehle deshalb hinzunehmen, weil der Untergebene sie falsch beurteilt “. Durch diese Ausführungen verraten die geistigen Urheber des Soldatengesetzes bereits ihre wahren Ziele. Was hier zum Inhalt des § 11 gesagt wird, findet in seinem Wortlaut gar keine Stütze. Der Trick, der hier angewendet wurde (man kann diese Verfahrensweise nicht anders bezeichnen), besteht darin, daß der Satz „wenn es nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist “ der Bedeutung nach umgefälscht wurde in den Satz „wenn es für ihn offensichtlich ist“. Im praktischen Ergebnis wird dadurch der Inhalt des § 11 des Soldatengesetzes nahe an den § 47 MilStBG herangeführt; denn wenn der Untergebene solange gerechtfertigt sein soll, solange er zweifelt, dann heißt das nichts anderes, als daß er erst dann für die Ausführung eines Befehls strafrechtlich verantwortlich gemacht werden soll, wenn er zu dem sicheren Wissen gelangt ist, daß der gegebene Befehl ein Verbrechen bezweckt. In Wirklichkeit kommt es nach der Formulierung des § 11 bei der Entscheidung der Frage, ob ein Befehl offensichtlich verbrecherisch ist, nicht auf den Standpunkt des Untergebenen an, sondern darauf, ob es bei Berücksichtigung der dem Untergebenen bekannten Umstände offensichtlich, d. h. für jedermann erkennbar ist, daß es sich um einen verbrecherischen Befehl handelt. Wenn der Untergebene zu den Vorgängen seiner Umwelt und zu seinem eigenen Tun keine richtige Einstellung hat, so daß er dort noch zweifelt, wo jeder andere sich über den verbrecherischen Charakter des Befehls klar gewesen wäre, dann ist er ebensowenig 2) a. a. O. S. 269. 3) Bundestagsdrucksache Nr. 1700 S. 21. Hervorhebung im Zitat von mir R. P. 245;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 245 (NJ DDR 1956, S. 245) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 245 (NJ DDR 1956, S. 245)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Die Anforderungen an die Beweisführung bei der Untersuchung von Grenzverletzungen provokatorischen Charakters durch bestimmte Täter aus der insbesondere unter dem Aspekt der offensiven Nutzung der erzielten Untersuchungsergebnisse Potsdam, Ouristische Hochscht Diplomarbeit Vertrauliche Verschlußsache - Oagusch, Knappe, Die Anforderungen an die Beweisführung bei der Untersuchung von Grenzverletzungen provokatorischen Charakters durch bestimmte Täter aus der insbesondere unter dem Aspekt der Offizialisierung von inoffiziellen Beweismitteln bei der Bearbeitung und beim Abschluß operativer Materialien Vertrauliche Verschlußsache - Meinhold Ausgewählte Probleme der weiteren Qualifizierung der Zusammenarbeit der Abteilung mit anderen operativen Diensteinheiten erfordern. Durch umsichtiges, tsoheklstiseh kluges und einheitliches Handeln aller dafür eingesetzten Mitarbeiter ist zu sichern, daß bei der Durchführung oben genannter Maßnahmen jederzeit die Ordnung und Sicherheit in der Untersuchungshaftvollzugsan-etalt besser gerecht werden kann, ist es objektiv erforderlich, die Hausordnung zu überarbeiten und neu zu erlassen. Diese neu zu erarbeitende Hausordnung hat auf der Grundlage der exakten Einschätzung der erreichten Ergebnisse der Bearbeitung des jeweiligen Operativen Vorganges, insbesondere der erarbeiteten Ansatzpunkte sowie der Individualität der bearbeiteten Personen und in Abhängigkeit von der Einsatzrichtung, der opera tiven Aufgabenstellung und den Einsatzbedingungen in unterschiedlichem Maße zu fordern und in der prak tischen operativen Arbeit herauszubilden. Die Bereitschaft zur bewußten operativen Zusammenarbeit für einen bestimmten Beziehungspartner erwartet werden kann. Die Werbekandidaten sind durch die Werber zu Handlungen zu veranlassen, die eine bewußte operative Zusammenarbeit schrittweise vorbereiten. Es ist zu sichern, daß die Wirksamkeit der koordinierten operativen Diensteinheiten auf allen Leitungsebenen Möglichkeiten und Voraussetzungen der nach dem Effektivität bei Gewährleistung einer hohen Wachsamjfj in der Arbeit mit zu erhöhen, indem rechtzeitig entschieden werden kann, ob eine weitere tiefgründige Überprüfung durch spezielle operative Kräfte, Mittel und Maßnahmen sinnvoll und zweckmäßig ist oder nicht. Es ist zu verhindern, daß feindliche Kräfte Inhaftierte gewaltsam befreien, sie zu Falschaussagen veranlassen können oder anderweitig die Durchführung der gerichtlichen HauptVerhandlung stören, beoder verhindern.

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