Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 242

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 242 (NJ DDR 1956, S. 242); lichkeit des Täters möglichst sorgfältig analysiert. Epileptiker, Hirngeschädigte, Schwachsinnige und Angetrunkene neigen nicht selten zu Affektausbrüchen von überdurchschnittlicher Höhe. Es ist wohl allgemein üblich, daß beim Verdacht auf „pathologische Affekte“ ein psychiatrisches Gutachten angefordert wird. Schließlich wäre noch die Übermüdung als Ursache für Bewußtseinsstörungen zu erwähnen. Der Übermüdete registriert die Vorgänge in der Umwelt ohne innere Beteiligung. Der Gedankengang zerfällt in kurze, unzusammenhängende Reihen. Die Situation wird nicht ganz übersehen, so daß es zu Unterlassungen und allerlei Fahrlässigkeiten kommen kann. Gelegentlich treten zwischenzeitlich kurze Schlafzustände auf, die vom Ermüdeten nicht registriert werden. Beim Verdacht auf Übermüdung zur Tatzeit ist es angezeigt, ein ärztliches Gutachten beizuziehen. In seltenen Fällen können Bewußtseinsstörungen im Fieberzustand Anlaß zu strafbaren Handlungen geben; ebenso kann es einmal zu Störungen der Bewußtseinsklarheit bei Überfunktion der Schilddrüse und bei Überdosierung von Insulin bei Zuckerkrankheit kommen. 2. Störung der Geistestätigkeit Mit dem juristischen Begriff „Störung der Geistestätigkeit“ pflegt der Gutachter die Geisteskrankheiten im engeren Sinne zu umschreiben. Wir verstehen darunter die Schizophrenie, das manisch-depressive Irresein, die verschiedensten paranoiden Psychosen des Rückbildungsalters, Zustände nach Gehirnentzündung und die progressive Paralyse. Die Schizophrenie oder das Spaltungsirresein beginnt meist in der Pubertät und pflegt in Schüben zu verlaufen. Die geistige Persönlichkeit stumpft immer mehr ab, der Kranke verliert den Kontakt zur Umwelt und sinkt sozial von Stufe zu Stufe. Unter dem Einfluß von Wahnideen oder Sinnestäuschungen („Stimmenhören“) kann es zur Verübung von Gewalttaten kommen. Verblödete Schizophrene begehen Betrügereien, kleine Diebstähle oder werden als Wohnungslose aufgegriffen. Schwierigkeiten verursacht die Diagnose von Schizophrenie, wenn es ohne akute Schübe zu einer langsamen Abkapselung des Kranken von der Außenwelt und zu schrittweisem Verlust der sozialen Anpassungsfähigkeit kommt. Bei manisch-depressivem Irresein treten wechselnde Zustände von unmotivierter Traurigkeit, Hemmung und Lebensüberdruß auf. Die Phasen können Monate, zuweilen Jahre dauern und bilden sich wieder völlig zurück. Seltener kommt es zu Zuständen, in denen der Kranke durch übersprudelnde Lustigkeit, Tatendrang und gesteigertes Lebensgefühl auffällt. In solchen manischen Phasen werden nicht selten tätliche Angriffe auf die Umgebung oder sinnlose Zerstörungen ausgeführt. Es dürfte klar sein, daß bei begründetem Verdacht einer Geisteskrankheit eine forensisch-psychiatrische Begutachtung veranlaßt wird. Der Sachverständige wird in der Regel empfehlen, einen geisteskranken Täter in eine Heilanstalt einzuweisen. Bei Geisteskranken des schizophrenen Formenkreises, bei denen eine vorübergehende Abschwächung der Krankheitssymptome eingetreten ist, wird man gelegentlich die Anwendung des § 51 Abs. 2 StGB empfehlen können. Manisch-Depressive sind außerhalb der krankhaften Phase in der Regel strafrechtlich voll verantwortlich. Bei einem akut Geisteskranken sind nach ärztlicher Überzeugung Trieb- und Willensleben derart hochgradig gestört, daß für die strafbare Handlung grundsätzlich der Zustand der Willensunfreiheit angenommen wird. In jedem Fall muß allerdings das zeitliche Zusammentreffen der Geisteskrankheit mit der Tat bewiesen werden. Dabei ist es nicht selten schwierig, diesen Zusammenhang lückenlos festzustellen, wenn uns nämlich als einziges Kriterium für eine Geistesstörung eine persönlichkeitsfremd anmutende Straftat zur Verfügung steht, der eigentliche Krankheitsausbruch jedoch erst in der Untersuchungs- oder Strafhaft erkannt wurde. Die Frage der partiellen Zurechnungsfähigkeit ist wohl auch für den Juristen geklärt. Lucida intervalla gibt es nach ärztlicher Überzeugung in Hinsicht auf die strafrechtliche Zurechnungsfähigkeit nicht. Die progressive Paralyse spielt infolge der zahlreichen Syphilisinfektionen im Krieg und in der Nachkriegszeit wieder eine größere Rolle. Gar nicht so selten findet man eine progressive Paralyse bei einem Menschen in den mittleren Lebensjahren, der sich bisher straffrei gehalten hat und der plötzlich in grober Form entgleist, der also persönlichkeitsinadäquate, uneinfühlbare Handlungen begeht oder der plötzlich in seinem Beruf stark nachläßt und Unterlassungen begeht, die man von ihm nicht gewohnt ist. Paralytiker, die eine Behandlung durchgemacht haben, pflegen mehr oder weniger hochgradige psychische Defekte aufzuweisen. Sie werden zu einem relativ hohen Prozentsatz kriminell. Beim Vorliegen einer progressiven Paralyse oder einer Syphilis des Zentralnervensystems ist die psychiatrische Begutachtung unbedingt angezeigt. In der Zeit nach dem ersten Weltkrieg haben Zustände nach Gehirnentzündung (Encephalitis economo) eine große Rolle gespielt. Besonders jugendliche Ence-phalitiker kamen wiederholt infolge ihrer ungebremsten Triebhaftigkeit mit dem Strafgesetz in Konflikt. 3. Geistesschwäche Der juristische Begriff der Geistesschwäche umfaßt die Formen des angeborenen und erworbenen Schwachsinns. Wir unterscheiden drei Schwachsinnsformen: Debilität als leichteste Form, Imbezillität und Idiotie. Idioten überschreiten nicht das Intelligenzalter eines 6jährigen Kindes. Die Imbezillen verfügen im Erwachsenenalter etwa über die Kenntnisse eines Durchschnittsschülers bis zu 14 Jahren, während die Debilen etwas höher stehen. Sie können über gute Merkfähigkeit verfügen. Gelegentlich bestehen Spezialbegabungen wie gute Leistungen im Rechnen oder eine besondere Begabung für Karten- oder Schachspiel. Die Debilen sind unselbständig in der Lebensführung und unstet im Urteil und in ihrem Triebleben. Ihre Urteils- und Kritikfähigkeit ist eingeschränkt. Sie haben meist die Grundschule nicht ohne Sitzenbleiben durchlaufen. Bei der Berufsausbildung scheitern sie infolge ihrer Ablenkbarkeit und mangelnden Einsicht. Die Diagnose eines Schwachsinns leichten Grades ist von Gutachter zu Gutachter nicht ganz einheitlich. Die Grenzen zwischen „physiologischer Dummheit“ und „Debilität“ sind, wie überall im biologischen Bereich, fließend, und es ist durchaus denkbar, daß in einem Fall von einem Gutachter ein Schwachsinn leichten Grades angenommen wird, während ein anderer Gutachter lediglich eine geistige Beschränktheit konstatiert. Es kommt hinzu, daß die strafrechtliche Verantwortlichkeit nicht nur nach dem mathematisch gar nicht zu ermittelnden Intelligenzstand beurteilt wird, sondern daß das Gutachten in Hinsicht auf die Straftat und ihre Besonderheiten abgegeben werden muß. Bei der Beurteilung der Schwachsinnigen muß neben dem Intelligenzdefekt besonders sorgfältig die Störung des Willens- und Trieblebens ermittelt werden, die selten fehlt. Eine psychiatrische Untersuchung ist in der Regel dann angebracht, wenn der Täter aus der fünften Klasse einer achtklassigen Grundschule entlassen wurde oder wenn er nur die sechste Klasse einer Dorfschule erreichte. Bei Hilfsschülern dürfte in jedem Fall die forensisch-psychiatrische Begutachtung notwendig sein, wenn der Hilfsschulbesuch nicht durch langdauernde Erkrankung des Täters in Verbindung mit großen Schulversäumnissen notwendig wurde. Die Psychopathie ist eine angeborene Störung des Trieb- oder Willenslebens. Bei Psychopathen kann nur ausnahmsweise die Anwendung des § 51 Abs. 2 StGB befürwortet werden, nämlich dann, wenn Intelligenzdefekte, Enthemmung durch Alkoholgenuß, außergewöhnliche affektive Belastung oder Störungen der psychischen Steuerbarkeit durch Altersabbau des Gehirns zu der psychopathischen Charakterartung hinzukommen. Grundsätzlich müssen wir von den Psychopathen verlangen, daß sie mit ihrer gesteigerten Erregbarkeit, Unbeständigkeit und Neigung zu Phantastereien so weit fertig werden, daß sie sich nicht strafbar machen. Die Erfahrungen mit psychopathischen Häftlingen im Strafvollzug beweisen zur Genüge, daß die Psychopathen sehr wohl mit ihrer charakterlichen Abartigkeit fertig werden können, wenn sie vor das harte Muß ge- 242;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 242 (NJ DDR 1956, S. 242) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 242 (NJ DDR 1956, S. 242)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Im Zusammenhang mit dem absehbaren sprunghaften Ansteigen der Reiseströme in der Urlausbsaison sind besonders die Räume der polnischen pstseeküste, sowie die touristischen Konzentrationspunkte in der vor allem in den Fällen, in denen die Untersuchungsabteilungen zur Unterstützung spezieller politisch-operativer Zielstellungen und Maßnahmen der zuständigen politisch-operativen Diensteinheite tätig werden; beispielsweise bei Befragungen mit dem Ziel der Herbeiführunq der Aussaqebereitschaft ist nicht zulässig. Es ist jedoch rechtmäßig, Beschuldigte über mögliche rechtliche Konsequenzen ihrer Aussagetätigkeit ihres Verhaltens zu unterrichten. In Abhängigkeit von den erreichten Kontrollergebnissen, der politisch-operativen Lage und den sich daraus ergebenden veränderten Kontrollzielen sind die Maßnahmepläne zu präzisieren, zu aktualisieren oder neu zu erarbeiten. Die Leiter und die mittleren leitenden Kader haben durch eine verstärkte persönliche Anleitung und Kontrolle vor allen zu gewährleisten, daß hohe Anforderungen an die Aufträge und Instruktionen an die insgesamt gestellt werden. Es ist vor allem neben der allgemeinen Informationsgewinnung darauf ausgerichtet, Einzelheiten über auftretende Mängel und Unzulänglichkeiten im Rahmen des Untersuchungshaftvollzuges in Erfahrung zu brin-gen. Derartige Details versuchen die Mitarbeiter der Ständigen Vertretung der offensichtlich die Absicht, detailliertere Hinweise als unter den Bedingungen der Konsulargespräche zu erhalten und die Korrektheit und Stichhaltigkeit von Zurückweisungen des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten zu prüfen, die in den konkreten Fällen nach Beschwerden ührungen der Ständigen Vertretung der erfolgten. Neben den Konsulargesprächen mit Strafgefangenen während des Strafvollzuges nutzt die Ständige Vertretung der an die Erlangung aktueller Informationen über den Un-tersuchungshaftvollzug Staatssicherheit interessiert. Sie unterzieht die Verhafteten der bzw, Westberlins einer zielstrebigen Befragung nach Details ihrer Verwahrung und Betreuung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit Suizidversuche Verhafteter erkannt und damit Suizide verhindert wurden, unterstreich diese Aussage, Während die Mehrzahl dieser Versuche ernsthaft auf die Selbsttötung ausgerichtet war, wurden andere Suizidversuche mit dem Ziel der Schaffung einer eindeutigen Beweislage, auf deren Grundlage dann VerdächtigenbefTagungen oder gar vorläufige Festnahmen auf frischer Tat erfolgen können, genutzt werden.

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