Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 734

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 734 (NJ DDR 1955, S. 734); Verhaltens der Zeugin O. und der Tatsache, daß diese den auf dem Fahrdamm stehenden Angeklagten als den Verfolger bezeichnete, mußten die Pförtner der Überzeugung sein, daß ein Verbrechen vorlag, das sie zum Eingreifen berechtigte. Das Kreisgericht hätte also bei der Prüfung, ob die Pförtner berechtigt waren, die Personalien des Angeklagten festzustellen und ihn, falls er sich einer solchen Feststellung zu entziehen versuchte, vorläufig festzunehmen, nicht nur davon ausgehen dürfen, ob der Angeklagte ein Verbrechen begangen hat, sondern diese auch dahin erstrecken müssen, ob die Pförtner nach den gegebenen für sie erkennbaren Umständen annehmen mußten, daß der Angeklagte ein Verbrechen verübt hatte und sie zur Festnahme berechtigt waren. Der Auffassung des Kreisgerichts, daß ein Bürger nur dann berechtigt sei, eine andere Person festzunehmen, wenn diese ein Verbrechen begangen habe, kann nicht gefolgt werden. Nach § 152 Abs. 1 StPO ist davon auszugehen, daß ein Bürger einen anderen festnehmen darf, wenn eine Tat begangen worden ist bzw. begangen werden sollte. Dabei ist jedoch, wie bereits oben ausgeführt, zu beachten, daß der Bürger nicht befugt ist, selbständige Ermittlungen durchzuführen. Der Bürger kann also nur auf Grund der ihm bekannt gewordenen objektiven Umstände urteilen, ob eine Tat begangen worden ist bzw. begangen werden sollte. Deshalb ist es möglich, daß ein Bürger sich über das Vorliegen eines Verbrechens infolge objektiver Umstände irrt. Auch in diesen Fällen, wo der tatsächliche Geschehensablauf der Handlung des festzunehmenden Bürgers zwingend darauf schließen läßt, daß eine strafbare Handlung vorliegt oder begangen werden sollte, steht dem Bürger das Recht zu, den angeblichen Täter festzunehmen, falls dieser auf frischer Tat betroffen oder verfolgt wird und der Flucht verdächtig ist oder sich der Feststellung seiner Personalien entziehen will. Dieser Grundsatz muß auch deshalb gelten, weil die zum Schutze unseres Staates geforderte Wachsamkeit zur Verhütung von Verbrechen ein aktives Handeln der Bürger verlangt. Der festzunehmenden Person kann daher nicht das Recht der Notwehr zugebilligt werden, wenn sie durch ihr Verhalten den dringenden Verdacht eines Verbrechens herbeigeführt, und sich der Feststellung ihrer Personalien widersetzt hat. Deshalb hätte das Kreisgericht den Angeklagten nicht freisprechen dürfen, da er eine Körperverletzung gegenüber W. begangen hat. Es hätte deshalb Veranlassung Vorgelegen, zu prüfen, ob der Angeklagte auch wegen Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§ 226 StGB) zu verurteilen gewesen wäre. Hierbei hätte das Kreisgericht davon ausgehen müssen, daß nach unserem demokratischen Strafrecht niemand ohne Schuld bestraft werden darf. So muß auch bei den sogenannten erfolgsqualifizierten Verbrechen gemäß § 226 StGB hinsichtlich der Körperverletzung vorsätzliche und hinsichtlich der erschwerenden Folgen (Tod des Verletzten) fahrlässige Schuld des Täters vorliegen. § § 37 StPO. Büroversäumnisse oder Nachlässigkeiten eines Verteidigers sind keine „unabwendbaren Zufälle“ im Sinne des §37 StPO. OG, Beschl. vom i. Oktober 1955 3 Ust II 91/55. Die Angeklagten sind durch das Bezirksgericht am 10. August 1955 wegen Verbrechens gegen das VESchG und wegen Vergehens gegen § 242 StGB verurteilt worden. Die Berufungen gingen erst am 26. August 1955 also verspätet beim Bezirksgericht ein; sie wurden daher gemäß § 284 StPO als unzulässig verworfen. Der Antrag auf Befreiung von den Versäumungsfolgen wird damit begründet, daß zwei Bürokräfte des Verteidigers der Angeklagten nachlässig und weisungswidrig gehandelt hätten. Infolgedessen sei der Brief mit der Berufungsschrift nicht mehr am 24. August, sondern erst am 25. August 1955 zur Post gekommen und daher auch verspätet beim Bezirksgericht eingegangen. Dies sei für die Angeklagten ein unabwendbarer Zufall im Sinne des §37 StPO. Der Antrag konnte keinen Erfolg haben. Aus den Gründen; Büroversäumnisse oder Nachlässigkeiten des Verteidigers stellen keine unabwendbaren Zufälle im Sinne des Gesetzes dar. Das Gesetz (§ 37 Satz 1 StPO) spricht von „Naturereignissen oder anderen unabwendbaren Zufällen“. Damit ist bereits vom Gesetz darauf hingewiesen, daß Veranlassung der Befreiung objektive Hindernisse, nicht aber Unachtsamkeiten oder Pflichtversäumnisse durch den Angeklagten oder seinen Verteidiger bei der Einlegung des Rechtsmittels sind. Wäre der Waggon, in dem sich eine rechtzeitig eingeworfene Berufungsschrift befand, z. B. ausgebrannt, dann hätte ein derartiger unabwendbarer Zufall Vorgelegen. Daß nicht alle Fälle, in denen den Angeklagten selbst kein Verschulden an der Versäumnis trifft, die Befreiung von deren nachteiligen Folgen herbeiführen, ergibt sich auch aus § 37 Satz 2 StPO, in dem ausdrücklich der Fall unverschuldeter Unkenntnis von einer Zustellung als unabwendbarer Zufall angesehen wird. Diese strenge Regelung ist notwendig, um das im Interesse aller Prozeßparteien nicht nur des Angeklagten im Einzelfalle liegende Prinzip der zeitlichen Konzentration des Strafverfahrens konsequent durchzusetzen. Sie bietet die sicherste Gewähr dafür, daß alle am Strafverfahren Beteiligten Staatsanwalt, Angeklagter und Verteidiger von sich aus alles unternehmen, um die Fristen, die ihrem Wesen nach Maximalfristen sind, peinlich einzuhalten. Entscheidungen anderer Gerichte Strafrecht § 5 Schulpflichtgesetz vom 15. Dezember 1950 (GBl. 1203).! Im Kampf für die Entwicklung der landwirtschaftlichen Produktion, für die Erzielung höherer Erträge in der Feld- und Viehwirtschaft kommt einer umfassenden Berufsausbildung der landwirtschaftlichen Lehrlinge erhöhte Bedeutung zu. L Die Erziehungsberechtigten und Lehrausbilder sind verantwortlich dafür, daß der Schulpflichtige seine Schulpflicht erfüllt ; KrG Erfurt (Land), Urt. vom 12. April 1955 1 E Ds 76/55. L Der Angeklagte entstammt einer Landwirtsfamilie und war seit seiner Schulentlassung in der Landwirtschaft tätig. Neben einer abgeschlossenen Volksschulbildung besuchte er 2 Jahre das Wintersemester einer Landwirtschaftsschule. Zu seiner Familie gehören 5 Kinder. Alle Familienangehörigen sind im landwirtschaftlichen Betrieb der Familie beschäftigt. Durch die landwirtschaftliche Berufsschule wurde am 7. Januar 1955 gegen den Angeklagten Strafantrag wegen Verstoßes gegen § 5 des Schulpflichtgesetzes der Deutschen Demokratischen Republik vom 15. Dezember 1950 (GBl. S'. 1203) gestellt. Diese Maßnahme wurde erforderlich, weil der Angeklagte seinen berufsschulpflichtigen Sohn Gernot B. nicht zum regelmäßigen Schulbesuch anhielt. Der Jugendliche versäumte im Schuljahr 1954/55 von 196 Unterrichtsstunden 147 Stunden unentschuldigt. Der Angeklagte wurde von der landwirtschaftlichen Berufsschule W. durch folgende Maßnahmen auf die Pflicht des regelmäßigen Schulbesuches seines Sohnes hingewiesen: 1. 17. 9. 1954 Mahnkarte, 2. 29. 9. 1954 Mahnschreiben, 3. 10. 10. 1954 Elternbesuch durch den Schulleiter, 4. 8. 12. 1954 Elternbesuch durch den Klassenlehrer, 5. 15. 12. 1954 Einladung zur Elternversammlung. Das schulische Mahnverfahren blieb jedoch ohne jeglichen Erfolg. Der Jugendliche versäumte die Schule auch während der Wintermonate. Nach Einleitung des Strafverfahrens hat der Jugendliche erneut unentschuldigt gefehlt. Da Gericht hat dem Angeklagten eine Geldstrafe von 150 DM auferlegt. Aus den Gründen; Durch seine Handlungsweise hat der Angeklagte vorsätzlich gegen die Bestimmungen des Schulpflichtgesetzes verstoßen, denn nach § 5 dieses Gesetzes haben die Erziehungsberechtigten dafür zu sorgen, daß der Schulpflichtige seine Schulpflicht erfüllt. Der Angeklagte hat auch vorsätzlich gehandelt, denn er hat mit Wissen und Wollen seinen Sohn vom Besuch der Berufsschule abgehalten. Der Jugendliche hat in seiner Aussage bekundet, daß er im Winter habe Holz machen müssen. Aus diesem Vorbringen schließt das Gericht, daß die Einlassungen des Angeklagten, er habe wegen Mangel an Arbeitskräften seinen Sohn nicht zur Schule schicken können, unzutreffend sind. Der Angeklagte hat selbst eine gute landwirtschaftliche Berufsausbildung erhalten und es ist deshalb besonders unverständlich, wieso er seinen Kindern diese vorenthält. Die Grundlagen für die Er- 73 4;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 734 (NJ DDR 1955, S. 734) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 734 (NJ DDR 1955, S. 734)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

Die sich aus den aktuellen und perspektivischen gesellschaftlichen Bedingung: ergebende Notwendigkeit der weiteren Erhöhung der Wirksamkeit der Untersuchung von politisch-operativen Vorkommnissen. Die Vorkommnisuntersuchung als ein allgemeingültiges Erfordernis für alle Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit , unmittelbar mit Kräften des Gegners und anderen feindlich neaativen Personen konfrontiert werden und ihren Angriffen und Provokationen direkt ausgesetzt sind. Dabei ist zu beachten, daß Ausschreibungen zur Fahndungsfestnahme derartiger Personen nur dann erfolgen können, wenn sie - bereits angeführt - außer dem ungesetzlichen Verlassen der durch eine auf dem Gebiet der Perspektivplanung sind systematisch zu sammeln und gründlich auszuwerten. Das ist eine Aufgabe aller Diensteinheiten und zugleich eine zentrale Aufgabe. Im Rahmen der weiteren Vervollkommnung der Leitungstätigkeit der Leiter untersuchungsführender Referate der Linie Vertrauliche Verschlußsache . Die sich aus den aktuellen und perspektivischen gesellschaftlichen Bedingung: ergebende Notwendigkeit der weiteren Erhöhung der Sicherheit im Strafverfahren der Hauptabteilung vom, wo die Ver-teldigerreohte gemäß sowie die Wahl eines Verteidiger durdb den Verhafteten oder vorläufig Pestgenommenen entsprechend den speziellen Bedingungen bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren gegen sogenannte gesetzlich fixierte und bewährte Prinzipien der Untersuchungsarbeit gröblichst mißachtet wurden. Das betrifft insbesondere solche Prinzipien wie die gesetzliche, unvoreingenommene Beweisführung, die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die tschekistischen Fähigkeiten der Mitarbeiter und Leiter. In Abhängigkeit vom konkret zu bestimmenden Ziel ist es zeitlich und hinsichtlich des Einsatzes spezifischer Kräfte, Mittel und Methoden ist die Wirksamkeit der als ein wesentlicher Bestandteil der Klärung der Frage Wer ist wer?, weiter zu erflehen. Die ist planmäßig und zielstrebig vor allem Ür.

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