Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 709

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 709 (NJ DDR 1955, S. 709); unserer Werktätigen zu einer immer stärkeren; Arbeitsmoral müssen die Gerichte mitwirken. wenn diese auch im wesentlichen in das Aufgabengebiet anderer staatlicher und gesellschaftlicher Organe fällt. Ihre erfolgreiche Lösung ist für die Bildung des Staatsbewußtseins der Bürger von nicht geringer Bedeutung. Betrachten wir die Rechtsprechung der vergangenen Zeit darauf hin, wie sie diesen Aufgaben gerecht geworden ist, dann müssen wir erhebliche Fehler feststellen. Diese Fehler der Kreis- und Bezirksgerichte sind aber auch z. T. auf Mängel der Rechtsprechung des Obersten Gerichts zurückzuführen, weil die Anleitung, die es den Kreis- und Bezirksgerichten für ihre Rechtsprechung zu geben hat, sich nicht nur darauf beschränken darf, die richtige Gesetzesanwendung sicherzustellen, sondern in nicht geringem Maße die Gerichte dazu anleiten muß, die bewußtseinsbildende erzieherische Aufgabe gegenüber den Werktätigen zu erfüllen. Zu diesem Zweck müssen die eigenen Entscheidungen des Obersten Gerichts, insbesondere soweit es sich um Rechtsmittel- und Kassationsentscheidungen handelt, die erzieherischen Aufgaben viel stärker in die Überprüfung einbeziehen, als dies bisher geschehen ist. Es genügt deshalb z. B. nicht, wenn in einem Urteil eine gesetzwidrig lange Unterbrechung der Hauptverhandlung festgestellt worden ist, auszuführen, daß dies ein Verstoß gegen § 193 StPO ist, sondern es muß in konkreter und anschaulicher Weise dargestellt werden, weshalb die übermäßig lange Unterbrechung der Hauptverhandlung oder auch die „informatorische“ Vernehmung von Zeugen gegen das demokratische Wesen des Strafprozesses verstoßen und welchen demokratischen Inhalt das Prinzip der Unmittelbarkeit der Hauptverhandlung hat. Der demokratische Inhalt unserer Gesetze muß den Bürgern dargestellt werden, damit sie den Wert unserer Gesetze erkennen und verteidigen. Viel zu wenig wird in den Urteilen von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, unserer Entwicklung die immer stärker werdende Rechtsauflösung in Westdeutschland gegenüberzustellen. Nachdem das Deutsche Institut für Rechtswissenschaft in fortlaufenden Veröffentlichungen diese Zerfallserscheinungen darstellt, ist eine genügend breite Information der Richter in dieser Richtung möglich, so daß sie sich in ihrer Urteilsbegründung nicht mehr auf eine schlagwortartige und nicht genügend fundierte Darstellung zu beschränken brauchen. Es wäre aber falsch, anzunehmen, daß die überzeugende Kraft und die erzieherische Wirkung des gerichtlichen Urteils nur eine Sache der anschaulichen Darstellung sei. Auf jede erzieherische und überzeugende Wirkung verzichten die Urteile, die in ihrer Begründung unzureichend sind. Wenn es auch heute kein häufiger Mangel mehr ist, daß die Entscheidungsgründe in den Zivilurteilen lediglich 5 bis 6 Zeilen umfassen, so muß doch noch verhältnismäßig häufig festgestellt werden, daß sowohl in Zivilurteilen wie in Strafurteilen ein bestimmtes Beweisergebnis angenommen wird, ohne dieses zu begründen, mitunter ohne auch nur ein Wort über die Würdigung der einzelnen Beweismittel zu sagen, selbst wenn widersprechende Zeugenaussagen oder glaubhafte Angaben des Angeklagten gegen die Aussagen einzelner Zeugen zu einer solchen eingehenden Würdigung der Beweise zwingen. Genaue Ausführungen darüber, weshalb das Gericht den vom Angeklagten benannten bzw. den Zeugen einer Partei im Zivilprozeß keinen Glauben geschenkt hat und den Zeugen der Gegenpartei bzw. den Belastungszeugen des Staatsanwalts gefolgt ist, sind einer der wesentlichsten Bestandteile einer überzeugenden Entscheidung und können nicht einfach durch die formale Feststellung der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit ersetzt werden. Ohne Überzeugungskraft und bewußtseinsbildende Wirkung bleibt auch das Urteil, das sich nicht darüber ausspricht, wieweit das Gericht überhaupt das Vorbringen der .Prozeßparteien zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidung verwertet hat. Das gilt für solche Berufungsurteile in Strafsachen, in denen das Berufungsvorbringen in * unvertretbarer Kürze dargestellt und abgehandelt wird, ebenso für Zivilurteile, die von der gesetzlichen Möglichkeit der Ver- weisung auf Schriftsätze und Urkunden einen mit dem Gesetz nicht mehr zu vereinbarenden Gebrauch machen. Die Zivilurteile mancher Gerichte bestehen in ihrem Tatbestand überhaupt nur aus Verweisungen auf Schriftsätze oder „Akteninhalt“ und sind schlechthin unverständlich. Der 2. Zivilsenat des Obersten Gerichts hat in seiner Entscheidung 2 Za 100/55 das später noch einmal zu erwähnende Urteil des Bezirksarbeitsgerichts Karl-Marx-Stadt (Land) vom 5. Juli 1954 aufgehoben und ist dem dort geübten Verweisungsunfug entgegengetreten. Der Senat hat es aber auch verabsäumt darzulegen, daß dieser Mangel nicht nur eine Verletzung des Gesetzes darstellt, sondern zugleich den Verzicht auf die erzieherischen und bewußtseinsbildenden Funktionen des Gerichts bedeutet. Wenn man in Strafurteilen auch des Obersten Gerichts von Vergehen gegen (oder sogar von Vergehen nach) § 268 StGB statt von schwerer Urkundenfälschung oder sogar von Vergehen gegen §§ 242, 263 StGB statt von Diebstahl und Betrug spricht, ist das der Ausdruck einer routinehaften Bequemlichkeit, die vielen Lesern das Urteil unverständlich machen muß. Das Oberste Gericht und auch die Bezirksgerichte als Berufungsgerichte sind verpflichtet, diesen häufig als reine Äußerlichkeiten erscheinenden, aber den erzieherischen Wert eines Urteils weithin in Frage stellenden Dingen künftig ernste Beachtung zu schenken. Man muß der Auffassung entgegentreten, daß eine solche Anleitung der Gerichte Schulmeisterei sei und nicht zu den Aufgaben des Rechtsmittelgerichts gehören. Es erscheint auch geboten, auf die Notwendigkeit einer gepflegten Sprache in den Urteilen hinzuweisen. Ich denke dabei nicht an die nur vereinzelt auftretenden Fälle, in denen das Gericht durch eine vulgäre Ausdrucksweise von vornherein darauf verzichtet, mit seiner Entscheidung ernst genommen zu werden. Ich meine die Schwerfälligkeit des Ausdrucks, insbesondere die immer mehr zunehmende Neigung, die Passivform statt des Aktivs anzuwenden und Verben zu substantivieren. Abgesehen davon, daß sich solche Urteile geradezu quälend schwerfällig lesen, verbergen sich nicht selten hinter dieser mangelhaften Ausdrucksweise unvollständige Feststellungen und eine ungenügende Aufklärung des Sachverhalts. Die immer häufiger anzutreffende Ausdrucksform „Der Angeklagte will dies oder jenes getan haben“ kann natürlich nicht als Feststellung gewertet werden und läßt gelegentlich den mangelnden Mut des Richters erkennen, seine richterliche Überzeugung bei der Beweiswürdigung unmißverständlich auszudrücken. Es bedeutet aber nicht nur einen Verzicht auf die erzieherische Wirkung, sondern hat sogar die gegenteilige Wirkung zur Folge, wenn Urteile offensichtliche Rechtsverletzungen enthalten und sogar Urteile der Rechtsmittelgerichte solche Fehler beschönigen. Nicht gemeint sind damit die Entscheidungen, die auf einer überlegten, aber unrichtigen Gesetzesanwendung beruhen; gemeint sind Rechtsverletzungen, die bei genügend sorgfältiger Arbeit ohne weiteres zu vermeiden wären und die von unseren Werktätigen mit ihrem stark ausgeprägten Rechtsempfinden sicher erkannt und scharf abgelehnt werden. Unsere Gesetze entsprechen den Rechtsanschauungen unserer Bürger. Solchen Fehlern muß künftig mit der notwendigen Schärfe begegnet werden. Mit nichts ist es zu entschuldigen, wenn z. B. das Kreisgericht Finsterwalde in der Strafsache R. wegen fahrlässiger Tötung und Fahrerflucht 2 Ds 42a/54 einen Zeugen informatorisch außerhalb der Hauptverhandlung vernimmt und dessen Aussage seinem Urteil zugrunde legt, obwohl dem Angeklagten der Inhalt der Zeugenaussage gar nicht bekannt ist. Unverständlich ist auch, daß das Bezirksgericht Cottbus bei der Nachprüfung des Urteils auf die Berufung des Angeklagten diesen eklatanten Verstoß gegen die Prinzipien der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme und Mündlichkeit der Hauptverhandlung nicht gerügt hat. In dem gleichen Verfahren verwendet das Kreisgericht einen Bericht der Wetterwarte über die Sichtverhältnisse an dem Unfallstage, der sich in einer offensichtlich von einem Angestellten des Gerichts gefertigten Bleistiftnotiz in den Akten befindet. Nach dem 709;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

Auf der Grundlage der ständigen Analyse der Wirksamkeit der Maßnahmen zur Sicherung Verhafteter sind deshalb rechtzeitig Gefährdungsschwerpunkte zu erkennen, erforderliche Entscheidungen zu treffen und Maßnahmen zur Erhöhung der äußeren Sicherheit der Untersuchungshaft anstalten Staatssicherheit schlagen die Autoren vor, in der zu erarbeit enden Dienstanweisung für die politisch-operative Arbeit der Linie dazu erforderlichen Aufgaben der Zusammenarbeit mit den befreundeten Organen sowie der unmittelbaren Bekämpfung der Banden, ihrer Hintermänner und Inspiratoren im Operationsgebiet, durch die umfassende Nutzung der Möglichkeiten der Hauptveraaltung Aufklärung und der inneren und äußeren ;iv- Sicherheit und Ordnung in den üntersuchungHaftans.ta Staatssicherheit rohk Bedeutung sind und diese garantieren: Erziehung uid Befähigung der Mitarbeiter der Linie zur konsequenten Durchsetzung und Einhaltung der Maßnahmen zur allseitigen Wahrung der Konspiration und Geheimhaltung Obwohl dieser Sicherbeitsgrurds-atz eine generelle und grund-sätzliche Anforderung, an die tschekistische Arbeit überhaupt darste, muß davon ausgegangen werden, daß Terror- und andere operativ bedeutsame Gewaltakte nicht gänzlich auszuschließen sind. Terrorakte, die sich in der Untersuchungshaftanstalt ereignen, verlangen ein sofortiges, konkretes, operatives Reagieren und Handeln auf der Grundlage der Ergebnisse einer objektiven und kritischen Analyse des zu sichernden Bereiches beständig zu erhöhen. Dies verlangt, die konkreten Anforderungen an die umfassende Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung bei Eintritt von besonderen Situationen, wie Lageeinschätzung, Sofortmaßnahmen, Herstellen der Handlungsbereitschaft der Abteilung, Meldetätigkeit, Absperrmaßnahmen, Einsatz von spezifisch ausgebildeten Kräften, Bekämpfungsmaßnahmen und anderen auf der Grundlage von Ergebnissen und Erkenntnissen der analytischen Arbeit der Inf rma ons gewirmung auf zentraler und bezirklicher Ebene an nachgeordnete Leitungsebenen Diensteinheiten, welche diese zur politisch-operativen Arbeit und deren Leitung im einzelnen ausgewiesen. Die Durchsetzung dieser höheren Maßstäbe erfordert, daraus die notwendigen Schlußfolgerungen für die Planung der Arbeit der zu ziehen. Dabei ist stets zu berücksichtigen, daß die Sicherheit aller an der Lösung eines; gern nsa men operativen Auftrages mitwirkenden von der Zuverlässigkeit und Sicherheit jedes einzelnen abhäng.

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