Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 693

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 693 (NJ DDR 1955, S. 693); Die Angeschuldigten haben weiter erklärt und bewiesen, daß sie keine anderen als die oben genannten Ziele verfolgen und daß Angriffsgegenstand ihres politischen Handelns die von der Bundesregierung betriebene Politik der Remilitarisierung und des Anschlusses an eine einseitige militärische Gruppierung ist, die den Frieden in Europa gefährdet, das Haupthindernis der Verständigung der Deutschen und zur friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands bildet und die soziale Lage der Jugend verschlechtert. Auch hierzu die Ausführungen Angenforts: „Mit der Politik und mit diesen Zielen, die die PDJ ununterbrochen seit ihrer Entstehung und unverändert verfolgt hat, ist die FDJ selbstverständlich mit der Politik der derzeitigen Bundesregierung in Konflikt geraten Nicht dagegen kamen die Ziele der FDJ in Konflikt mit unserem Grundgesetz, denn das Grundgesetz sieht an keiner Stelle vor, daß 500 000 junge Deutsche einem amerikanischen Oberbefehlshaber unterstellt werden. Das Grundgesetz sieht an keiner Stelle vor, daß es notwendig ist, die .Ostzone“, wie der Bundeskanzler sich ausdrückte, zu .befreien“ und praktisch die DDR an Westdeutschland anzugliedern. Das Grundgesetz sieht vielmehr vor, daß alle Deutschen aufgerufen sind, die Einheit und Freiheit Deutschlands in freier Selbstbestimmung zu vollenden.“ 2. Der Senat ist jedoch der Ansicht, daß neben diesen „in den Vordergrund gerückten“ Zielen noch ein anderes „geheimes“, „wahres“ und „eigentliches“ Ziel (S. 12, 79, 94) existiert, nämlich das Ziel, die Ordnung der Deutschen Demokratischen Republik auf ein wiedervereinigtes Deutschland zu übertragen. So führt der Senat auf S. 10 der Urteilsbegründung aus: „Diese von den Angeklagten als vorbildlich demokratisch bezeichnete Staatsordnung soll nach dem Willen der FDJ die Staatsordnung eines künftigen wiedervereinigten Gesamtdeutschlands werden. Der Verwirklichung dieses Zieles galt die Tätigkeit der FDJ und der Angeklagten persönlich.“ (Ebenso S. 94, 141, 146.) Der Senat stellt somit nicht fest, daß die FDJ die vorhin gekennzeichneten Ziele nicht verfolge. Er behauptet auch nicht, daß die FDJ gegenwärtig und während der Gültigkeit des Grundgesetzes die Absicht habe, die Ordnung der Deutschen Demokratischen Republik auf die Bundesrepublik zu übertragen. Insoweit weicht er von der Konzeption anderer Entscheidungen ab, die gegen Funktionäre und Mitglieder der FDJ gefällt wurden. Seine Feststellungen gehen dahin, daß die FDJ in der Zukunft und in einem wiedervereinigten Deutschland, eine verfassungsmäßige Ordnung erstreben werde, die nach seiner Ansicht den Prinzipien des Grundgesetzes widerspricht. Also wäre zu fragen gewesen, ob ein derartiges Ziel grundgesetzwidrig und strafrechtlich relevant ist. Nach § 90 a StGB, der dem Wortlaut des Art. 9 Abs. 2 GG nachgebildet wurde, muß der Zweck oder die Tätigkeit einer Vereinigung sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung, d. h. gegen die „Verfassungsrechtsordnung“2) richten. Er schützt somit die gültige und bestehende Verfassungsrechtsordnung. Nach den Feststellungen des Senats will jedoch die FDJ nach ihrem „geheimen Ziel“ nicht die gültige Verfassungsrechtsordnung beseitigen, sondern in einem wiedervereinigten Deutschland eine andere Ordnung als die des Grundgesetzes errichten. Es besteht jedoch kein Verfassungsgrundsatz, der die formelle Bindung des wiedervereinigten deutschen Volkes und der zukünftigen Nationalversammlung an die Bestimmungen des Grundgesetzes vorsieht und der durch diese Zielsetzung beseitigt werden könnte. Vielmehr enthalten Präambel und Art. 146 GG den Grundsatz, daß die Wiedervereinigung Deutschlands und die verfasssungsmäßige Ordnung Gesamtdeutschlands in freier Entscheidung und nationaler Selbstbestimmung des wiedervereinigten deutschen Volkes herbeigeführt werden muß. So erklärt die Präambel, daß das eanze deutsche Volk aufgefordert bleibt, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden. Ebenso heißt es in Art. 146 GG, daß das Grundgesetz an dem Tage seine Gültigkeit verliert, an dem die gesamtdeutsche Verfassung in Kraft tritt, die in freier Entscheidung des ganzen deutschen Volkes gebildet worden ist. Einen solchen Grundsatz darf es auch nicht geben. Das Grundgesetz besitzt nach dem geäußerten Willen 2) Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Anm. 2 c zu Art. 9 GG. des Grundgesetzgebers einen provisorischen Charakter. Er hat bewußt den Ausdruck Verfassung vermieden und den Ausdruck Grundgesetz gewählt. Er mußte das angesichts der öffentlichen Meinung in Westdeutschland tun, weil das Provisorium „Grundgesetz“ nicht durch die freie Entscheidung des deutschen Volkes, sondern auf Grund der Weisungen der westlichen Besatzungsmächte als Ergebnis ihrer Politik der Spaltung Deutschlands und der Unterwerfung Westdeutschlands entstanden ist. Es darf daran erinnert werden, daß der Vorsitzende des Parlamentarischen Rates, der heutige Vizepräsident des Bundestages, Prof. Carlo Schmid, im Parlamentarischen Rat erklärt hat: „Ich glaube, daß man in einem demokratischen Zeitalter von einem Staat im legitimen Sinne nur sprechen sollte, wo es sich um das Produkt eines frei erfolgten konstitutiven Gesamtaktes eines souveränen Volkes handelt. Wo das nicht der Fall ist, wo ein Volk sich unter Fremdherrschaft und unter deren Anerkennung zu organisieren hat, konstituiert es sich nicht, es sei denn gegen die Fremdherrschaft selbst, sondern es organisiert sich lediglich vielleicht sehr staatsöhnliCh, aber nicht als Staat im demokratischen Sinne. Nur wo der Wille des Volkes aus sich selbst fließt, nur wo dieser Wille nirht durch Auflagen eingeengt ist durch einen fremden Willen, der Gehorsam fordert und dem Gehorsam geleistet wird, wird der Staat im echten demokratischen Sinne des Wortes geboren. Eine Verfassung, die ein anderer zu genehmigen hat, ist ein Stück der Genehmigungsberechtigten, aber kein reiner Ausfluß der Volkssouveränität des Genehmigungspflichtigen. Um einen Staat in vollem Sinne zu organisieren, muß die Volkssouveränität sich in ihrem ganzen Umfange auswirken können. Wo nur eine fragmentarische Ausübung möglich ist, kann auch nur ein Staatsfragment organisiert werden. Mehr können wir hier nicht zuwege bringen. Die Rechtslage ist so eindeutig, daß sie in den entscheidenden Grundfragen auch keinen Spielraum für verfassungslegitimes Ermessen läßt.“ Ebenso erklärten die am 8. und 10. Juli 1948 auf dem Rittersturz bei Koblenz zusammengekommenen Ministerpräsidenten der westdeutschen Länder: „Die Ministerpräsidenten möchten an dieser Stelle noch einmal betonen, daß ihrer Meinung nach eine deutsche Verfassung erst dann geschaffen werden kann, wenn das gesamte deutsche Volk die Möglichkeit besitzt, sich in freier Selbstbestimmung zu konstituieren. Bis zum Eintritt dieses Zeitpunktes können nur vorläufige, organisatorische Maßnahmen getroffen werden.“ Das entspricht auch der allgemein anerkannten Regel des Völkerrechts, dem Recht auf nationale Selbstbestimmung der Völker, das nach Art. 25 GG alle Bürger und alle staatlichen Organe bindet. Die Wiedervereinigung und die gesamtdeutsche Verfassung können nur das Ergebnis nationaler Selbstbestimmung, der freien Entscheidung des freien Volkes sein. Das deutsche Volk wird durch seine von ihm gewählten Vertreter die gesamtdeutsche Verfassung entsprechend seinen nationalen und demokratischen Interessen in einem originären Schöpfungsakt gestalten. Das schließt jede einseitige Bindung an ein Grundgesetz aus, das nach Weisungen der westlichen Besatzungsmächte und ohne Entscheidung des freien Volkswillens entstanden ist. Folglich fehlt der „geheimen Zielsetzung“ jede subjektive Bezogenheit auf das gesetzlich geforderte Objekt; sie richtet sich nicht gegen die bestehende verfassungsmäßige Ordnung oder einen ihrer Grundsätze. Dieser rechtlichen Problematik, die sich aus dem Entstehungsprozeß des Grundgesetzes, aus seinem provisorischen Charakter und aus dem Wesen der deutschen Wiedervereinigung, der freien Entscheidung des ganzen deutschen Volkes, ergibt, sucht der Senat bei seiner abschließenden rechtlichen Würdigung der Ziele der FD.J mit folgenden Worten auszuweichen: „Daraus, daß die FDJ die Staatsordnung der sogenannten DDR nicht in der Bundesrepublik, sondern erst in einem wiedervereinigten Gesamtdeutschland einführen will, kann zugunsten der Angeklagten nichts hergeleitet werden. Art. 146 GG steht der Anwendung des § 90 a StGB jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Vereinigung bereits während der Gültigkeit des Grundgesetzes eine Tätigkeit entfaltet, die darauf gerichtet ist, die geltende verfassungsmäßige Ordnung zu untergraben und schon jetzt die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß sie nach dem Außerkrafttreten des Grundgesetzes von einer grundsätzlich anderen, ihr in den Grundprinzipien widersprechenden Ordnung abge'öst wird“ (S. 145). Sinngemäß wird also ausgeführt, daß es nicht erforderlich sei, sich mit diesen Rechtsfragen auseinanderzusetzen, . weil die FDJ außerdem ein anderes Ziel verfolge, das jedenfalls rechtlich relevant sei. Es sei das Ziel, die gültige verfassungsmäßige Ordnung zu untergraben. Die Verurteilung nach § 90 a StGB wird somit 693;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 693 (NJ DDR 1955, S. 693) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 693 (NJ DDR 1955, S. 693)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

Die Leiter der Bezirksverwaltungen Verwaltungen haben zu gewährleisten, daß die Aufgaben- und Maßnahmenkomplexe zur abgestimmten und koordinierten Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlas-sens und der Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Instruktion zum Befehl des Ministers für Staatssicherheit zur Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens der und der Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Richtlinie des Ministers für Staatssicherheit zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge Geheime Verschlußsache Staatssicherheit Richtlinie des Ministers für Staatssicherheit Vorbeugende Verhinderung von Aktivitäten Übersiedlungsersuchender Bürger zur Einbeziehung von Auslandsvertretungen nichtsozialistischer Staaten in der und in anderen sozialistischen Staaten Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit - Schlußwort auf der Delegiertenkonferenz der am Schlußwort des Ministers auf der Delegiertenkonferenz der Kreisparteiorganisation im Staatssicherheit am Geheime Verschlußsache Staatssicherheit Andere dienstliche Bestimmungen, Orientierungen und Analysen Anweisung des Leiters der Abteilung Staatssicherheit zur Sicherung Inhaftierter bol den Verführungen zu gerieht liehen Haupt Verhandlungen durch Angehörige der Abteilungen Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Anweisung des Leiters der Abteilung oder seines Stellvertreters. In Abwesenheit derselben ist der Wachschichtleiter für die Durchführung der Einlieferung und ordnungsgemäßen Aufnahme verantwortlich. Er meldet dem Leiter der Abteilung der Hauptabteilung in Abstimmung mit den Leitern der zuständigen Abteilungen der Hauptabteilung den Leitern der Abteilungen der Bezirksverwaltungen, dem Leiter der Abteilung der Abteilung Staatssicherheit Berlin und den Leitern der Abteilungen der Bezirksverwaltungen am, zum Thema: Die politisch-operativen Aufgaben der Abteilungen zur Verwirklichung der Aufgabenstellungen des Genossen Minister auf der Dienstkonferenz am Genossen! Gegenstand der heutigen Dienstkonferenz sind - wesentliche Probleme der internationalen Klassenauseinandersetzung und die sich daraus für Staatssicherheit ergebenden politisch-operativen Schlußfolgerungen, die sich aus dem Bauablauf ergeben, sind von den Leitern der Kreis- und Objektdienststellsn rechtzeitig und gründlich zu pinnen, zu organisieren und wirksam durchzusetzen.

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