Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 687

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 687 (NJ DDR 1955, S. 687); oder die Bewohner eines Dorfes, wenn es sich um ein in diesem Dorf verübtes Wirtschaftsverbrechen handelt, seien es die Eltern der Kinder und die Lehrerschaft einer bestimmten Schule, falls es sich um Verfehlungen eines Lehrers handelt usw. Wollte man in diesen Fällen davon sprechen, daß die „Öffentlichkeit“ des Verfahrens nicht gewahrt worden sei, so würde man fälschlich diesen wichtigen Grundsatz seines wahren Inhalts berauben. Ähnlich wie in dem oben geschilderten Fall lag es in der Sache 3 Ust III 120/54, die vom Obersten Gericht im Dezember 1954 entschieden wurde. Hier handelte es sich darum, daß in erster Instanz über einen Mord an einem Angehörigen des Aufsichtspersonals einer Haftanstalt im Kulturraum dieser Haftanstalt verhandelt worden war. Der Kulturraum war räumlich von der Haftanstalt getrennt, lag außerhalb des Anstaltskomplexes und diente der Erholung des Aufsichtspersonals. Auch in diesem Fall wurde die Berufung zurückgewiesen, mit der eine Verletzung des Prinzips der Öffentlichkeit gerügt worden war. In den beiden erwähnten Strafsachen waren keine Fehler des Gerichts festzustellen, vielmehr war das Prinzip der Öffentlichkeit gewahrt. Anders wäre es, wenn ein Gericht etwa gegen einen nicht transportfähigen Angeklagten in einer Haftkrankenanstalt verhandeln würde. In einem derartigen Fall dürfte überhaupt nicht verhandelt werden, sondern müßte mit der Durchführung der Verhandlung bis zur Gesundung des Angeklagten gewartet oder aber, falls deren Eintreten nicht abzusehen ist, das Verfahren gemäß §§ 173, 165 Ziff. 3 StPO vorläufig eingestellt werden. Auf keinen Fall dürfte in der Haftanstalt unmittelbar verhandelt werden; denn in einer Haftanstalt hat außer den dort beschäftigten Angestellten kein Dritter Zutritt und darf aus Gründen der Wachsamkeit auch keinen Zutritt haben. Hauptverhandlungen unmittelbar in Haftanstalten sind daher immer unzulässig, weil sie mit Notwendigkeit das Prinzip der Öffentlichkeit verletzen. Daran würde sicfi auch nichts ändern, wenn der Angeklagte sich mit der Durchführung der Hauptverhand- lung in der Untersuchungshaftanstalt einverstanden erklärt hätte. Auch dies könnte das Gericht nicht dazu berechtigen, dort zu verhandeln. Die Frage, ob öffentlich verhandelt wird oder nicht, unterliegt nicht der Dispositionsbefugnis der Parteien des Strafprozesses. Die Öffentlichkeit darf nicht ausgeschlossen werden, weil dies dem Angeklagten bequemer ist, nicht aus Rücksichtnahme auf sein Schamgefühl oder aus „prozeßökonomischen“ Gründen. Nur die im Gesetz ausdrücklich angeführten Gründe (§ 83 Abs. 2 StPO) können diese Maßnahme rechtfertigen. Hieraus ergibt sich, daß eine Verhandlung ohne Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit in besonders gesicherten Räumen durchgeführt werden kann, wenn dadurch gerade einem am Verfahren besonders interessierten Personenkreis erst die weitgehende Teilnahme ermöglicht wird. Andererseits muß aber auch betont werden, daß auch dann, wenn das Gericht nicht von vornherein beabsichtigt hat, das Verfahren unzulässigerweise hinter verschlossenen Türen durchzuführen ein solcher Fall ist aus der Praxis der Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik nicht bekannt, das soll ausdrücklich hervorgehoben werden , sondern etwa die im Interesse eines schnellen Ablaufs des Verfahrens vom Gericht getroffenen Maßnahmen zur Verletzung des verfassungsmäßig und verfahrensrechtlich bestimmten Grundsatzes der Öffentlichkeit des gerichtlichen Strafverfahrens geführt haben, das auf Grund einer derartigen mündlichen Verhandlung ergangene Urteil aufgehoben werden müßte. Wenn derartige Verstöße Vorkommen, dürfen sie nicht leichtgenommen werden. Verletzungen des Prinzips der Öffentlichkeit können also nicht nur infolge sachlich nicht gerechtfertigter Gerichtsbeschlüsse oder absichtlicher Gesetzesverletzungen, sondern auch infolge unüberlegter prozeßleitender Verfügungen und versehentlichem Unterlassen, die ausgeschlossene Öffentlichkeit wiederherzustellen, eintreten. Es ist daher notwendig, daß sich das Gericht stets die Frage vorlegt, ob seine Maßnahme nicht nur formell, sondern auch materiell und inhaltlich mit den gesetzlichen Vorschriften im Einklang stehen. Zu einigen Fragen der „Schuld“ Von Dr. JOHN LEKSCHAS, komm. Direktor des Instituts für Strafrecht der Martin-Luther-Universität Halle In NJ 1955 S. 437 erschienen zwei Rezensionen zu meiner Schrift „Die Schuld als subjektive Seite der verbrecherischen Handlung“, in der einige sehr beachtliche kritische Hinweise zu Fragen der Schuld enthalten sind, die einer wissenschaftlichen Diskussion bedürfen. Zunächst sei den Verfassern Dank für ihre Einwendungen ausgesprochen ermöglichen sie es durch ihren Widerspruch doch, die eigene Ansicht entweder klar zu erläutern oder als falsch zu revidieren. I M. Benjamin wirft die Frage auf, ob die Begriffe „Schuld“ und „subjektive Seite des Verbrechens“ identisch seien oder ob sie verschiedenen Inhalt und Umfang haben. Er bejaht die letztere Ansicht und erklärt: „Zur subjektiven Seite gehören nicht nur Schuld, d. h. Vorsatz und Fahrlässigkeit, sondern auch solche Kategorien wie Motiv, Absicht und Gemütszustand (vgl. § 213 StGB) “ (S. 488). Demnach würden zur Schuld nur Vorsatz und Fahrlässigkeit, zur „subjektiven Seite des Verbrechens“ aber die Schuld sowie Motiv, Absicht und Gemütszustand gehören. Die Notwendigkeit einer solchen Teilung ist jedoch nicht einzusehen. Es scheint mir aus theoretischen wie praktischen Gründen wenig angebracht zu sein, das Motiv, die Absicht und den Gemütszustand, aus denen ein Mensch in bestimmter Weise gehandelt hat, neben die Schuld zu stellen, also z. B. zu erklären: A. hat schuldhaft im Sinne des § 211 StGB (hier also vorsätzlich), aber nicht aus einem im §211 StGB genannten Motiv gehandelt. Eine solche Trennung der subjektiven Seite wäre eine gewaltsame Trennung zwischen Form und Inhalt, die durch nichts gerechtfertigt ist. Eine Variation des Mordvorsatzes besteht z. B. darin, daß der Täter aus „Mordlust“ gehandelt hat. Der Vorsatz, wie er sich aus § 211 StGB ergibt, hat also einen bestimmten Inhalt, der durch das Motiv besonders charakterisiert ist. Das Motiv steht nicht, wie M. Benjamin offenbar annimmt, selbständig neben dem Vorsatz, sondern ist in ihn eingegangen, bestimmt entscheidend den spezifischen Inhalt dieses Vorsatzes. Es wäre m. E. mechanistisch, wenn man das Motiv nur deswegen, weil es zu einem Zeitpunkt entsteht, in dem das konkrete Ziel noch nicht vorhanden ist, vom Vorsatz trennen wollte. In diesem Falle blieben für den Vorsatz kein Inhalt, sondern nur noch formale psychische Beziehungen übrig. Das mag an einem Beispiel verdeutlicht werden. Streicht man wie M. Benjamin verlangt das Motiv des Handelnden aus dem Vorsatz heraus, so gehört z. B. die Frage, warum jemand einen anderen getötet hat, nicht mehr zur Erforschung der Schuld, denn diese Frage ist ja die Frage nach dem Motiv. Wenn man aber diese Frage nicht stellen darf, so ist jede Erforschung des spezifischen gesellschaftlichen Inhalts eines bestimmten Zieles ausgeschlossen. Ein Ziel kann aus verschiedenen Motiven heraus entstanden sein und eben wegen dieser möglichen verschiedenen Ursachen einen möglichen verschiedenen Inhalt haben. So kann das Ziel der Tötung eines Menschen aus dem Motiv heraus entstanden sein, seinen „Geschlechtstrieb zu befriedigen“ (§ 211 StBG); es kann aber auch (wie bei der Notwehr) aus dem Motiv heraus entstanden sein, z. B. unsere Arbeiter-und-Bauern-Macht gegen einen terroristischen Angriff zu verteidigen. In beiden Fällen sind die konkreten Ziele der Handelnden völlig verschieden. Einmal setzt sich ein Verbrecher das Ziel, einen Menschen zu töten, um seinen Geschlechtstrieb zu befriedigen. Das andere Mal 657;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 687 (NJ DDR 1955, S. 687) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 687 (NJ DDR 1955, S. 687)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

Das Recht auf Verteidigung räumt dem Beschuldigten auch ein, in der Beschuldigtenvernehmung die Taktik zu wählen, durch welche er glaubt, seine Nichtschuld dokumentieren zu können. Aus dieser Rechtsstellung des Beschuldigten ergeben sich für die Darstellung der Täterpersönlichkeit? Ausgehend von den Ausführungen auf den Seiten der Lektion sollte nochmals verdeutlicht werden, daß. die vom Straftatbestand geforderten Subjekteigenschaften herauszuarbeiten sind,. gemäß als Voraussetzung für die straf rechtliche Verantwortlichkeit die Persönlichkeit des Beschuldigten, seine Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufgeklärt und bewiesen wird; die sozialistische Gesetzlichkeit konsequent verwirklicht wird, sowohl im Hinblick auf die effektive Durchsetzung und offensive Nutzung der Prinzipien des sozialistischen Rechts und der sozialistischen Gesetzlichkeit, die weitere Qualifizierung der Beweisführung, insbesondere die Ausschöpfung der Möglichkeiten der sozialistischen Kriminalistik, die gemeinsamen Aufgaben im Planjahr, insbesondere bei der Vorbereitung und Realisierung der Wiedereingliederung die Persönlichkeit und Individualität des Wiedereinzugliedernden, die zu erwartenden konkreten Bedingungen der sozialen Integration im Arbeite-, Wohn- und Freizeitbereich, die der vorhergehenden Straftat zugrunde liegenden Ursachen und Bedingungen Ausgewählte spezifische Aufgaben Staatssicherheit im gesamtgesellschaftlichen und gesamtstaatlichen. Prozeß der Vorbeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen Ausgenählte spezifische Aufgaben Staatssicherheit -auf der allgemein sozialen Ebene der Vorbeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen Ausgewählte spezifische Aufgaben Staatssicherheit auf der speziell kriminologischen Ebene der Vorbeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen. Die Kriterien der Bewertung der Wirksamkeit der Vorbeugung sind die Schwerpunkte in allen Diens teinheiten zu erarbeiten. Dabei ist die in meinem Referat vom über die weitere Qualifizierung und Vervollkommnung der politisch-operativen Arbeit der Kreisdienst-steilen gegebene Orientierung unter Berücksichtigung der jeweiligen Spezifik in allen Diens teinheiten zu -ve rwirklichen. Die Diensteinheiten haben die Schwerpunktbereiche des ungesetzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen Menschenhandels sowie beim Erkennen der Hauptangriff spunkte, der Methoden des Gegners sowie besonders gefährdeter Personenkreise im jeweiligen Verantwortungsbereich.

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