Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 686

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 686 (NJ DDR 1955, S. 686); ihr selbst einst proklamierten fortschrittlichen Prinzipien zu verleugnen. Im Interesse der Aufrechterhaltung ihrer Klassenherrschaft unternahm sie es auch, das Prinzip der Öffentlichkeit des Strafprozesses zu durchbrechen. Mit der Einführung von Sondergerichten und dem bewußt räumlich klein gehaltenen Verhandlungslokal machte sie die Öffentlichkeit zu einer leeren Phrase und verhalf ihr nur noch bei sensationellen Mordprozessen zu einer formalen Anerkennung. Die gleichen Momente, die seinerzeit unter der Herrschaft des feudal-absolutistischen Staates die Bourgeoisie veranlaßt hatten, für die Öffentlichkeit des Strafverfahrens einzutreten, riefen nunmehr das Proletariat als Kämpfer für die Einhaltung dieses Prinzips auf den Plan. Diese Gründe sind naturgemäß heute nicht mehr ausschlaggebend, nachdem in der Deutschen Demokratischen Republik die Werktätigen selbst die Staatsführung übernommen haben. Dennoch stellen Verfassung und Strafprozeßordnung die Öffentlichkeit des Strafverfahrens als einen der wichtigsten Grundzüge des demokratischen Strafverfahrensrechts heraus. Entscheidend hierfür ist nicht etwa eine Pflege inzwischen inhaltsleer gewordener fortschrittlicher Traditionen, sondern die Aufgabe und die Funktion, die das Strafverfahren in unserem staatlichen Leben zu erfüllen hat. § 2 Abs. 2 GVG und § 2 StPO heben die große erzieherische Bedeutung des Gerichtsverfahrens hervor. Diese Aufgabe beschränkt sich nicht nur auf diejenigen Bürger, die wie Angeklagte, Zeugen usw. unmittelbar mit dem Prozeß zu' tun haben, sondern erstreckt sich auf alle Bürger der Deutschen Demokratischen Republik. Einer so weit gespannten Verpflichtung kann das Gericht aber nur genügen, wenn die vor ihm durchgeführten Verfahren einer großen Anzahl Bürger bekannt werden, wenn sie den unmittelbaren Eindruck von der Verhandlung bekommen, den Angeklagten selbst sehen und hören, die Stellungnahme des Staatsanwalts zu dem zur Aburteilung stehenden Verbrechen und zum Angeklagten wahrnehmen und schließlich den Urteilsspruch des Gerichts und dessen Begründung erfahren sowie die Wirkung auf den Angeklagten selbst feststellen können. Aber nicht nur aus diesem Grunde ist die Öffentlichkeit des Strafverfahrens im Staat der Arbeiter und Bauern unbedingt notwendig. Richter und Staatsanwälte der Deutschen Demokratischen Republik sind nicht wie im bürgerlichen Staat von der Masse der Werktätigen durch Klassenschranken getrennt. Sie sind zum weitaus überwiegenden Teil aus den in unserem Staat herrschenden Klassen hervorgegangen, gehören zu ihnen und vertreten keine anderen Interessen. Sie müssen also Kontrolle und Kritik ihrer Rechtsprechung durch die Werktätigen nicht fürchten. Im Gegenteil: sie brauchen die ständige Kritik der Werktätigen an ihrer Arbeit, auch an der Art und Weise der Verhandlungsführung und an den Urteilen, um sich nicht von den Anschauungen ihrer Klassengenossen zu entfernen und in stetiger Übereinstimmung mit ihnen zu bleiben. Von dieser Seite aus betrachtet zeigt sich: die Öffentlichkeit des Strafverfahrens in der Deutschen Demokratischen Republik ist nicht erforderlich, um zu verhindern, daß hinter verschlossenen Türen Angehörige einer ausbeutenden Klasse die Ausgebeuteten wider Recht und Gesetz zu grausamen Strafen verurteilen oder ihre eigenen Klassengenossen reinwaschen. Die Öffentlichkeit ist vielmehr notwendig, um den Werktätigen deutlich zu zeigen, daß die von ihnen geschaffenen Gesetze konsequent in ihrem Interesse angewendet werden, und um zu gewährleisten, daß die Funktionäre der demokratischen Justiz eine ständige enge Verbindung mit den gesellschaftlichen Anschauungen der Werktätigen haben. Aus alledem geht hervor, daß die Einhaltung der Grundsätze der Öffentlichkeit des Strafverfahrens außerordentlich wichtig ist und es nicht gestattet werden kann, daß die Gerichte sich darüber in Einzelfällen hinwegsetzen. Dem gibt auch die Bestimmung des § 291 Ziff. 4 StPO Ausdrude, nach welchem im Rechtsmittelverfahren das angefochtene Urteil aufgehoben werden muß, wenn bei der Nachprüfung festgestellt wird, daß während der erstinstanzlichen Verhandlung die Vorschriften über die Öffentlichkeit verletzt worden sind. In der Praxis sind hinsichtlich der genauen Beachtung der Bestimmungen über die Öffentlichkeit des gerichtlichen Strafverfahrens gelegentlich Zweifel, Irr-tümer und Unklarheiten insbesondere bei Rechtsanwälten aufgetreten. So wurde die Frage aufgeworfen, ob Verfahren vor „erweiterter Öffentlichkeit“ nicht etwa eine Verletzung dieses verfassungsmäßig garantierten Prinzips bedeuteten. Für das Oberste Gericht bestand bereits im Februar 1953 Veranlassung, in der Sache 3 Ust II 70/53 darauf hinzuweisen, daß derartige Verfahren selbstverständlich öffentlich sind und von einer Verletzung des Gesetzes nicht die Rede sein kann. In diesem Verfahren handelte es sich darum, daß einige ehemalige Staatsfunktionäre bestraft werden mußten, weil sie ihre Funktion zur persönlichen Bereicherung ausgenutzt hatten. Die erstinstanzliche Verhandlung hatte in einem Verwaltungsgebäude stattgefunden, als Zuhörer hatte eine große Anzahl Verwaltungsangestellter teilgenommen. Der Verteidiger, dem diese Umstände schon bei der erstinstanzlichen Verhandlung bekannt waren, hatte während dieser Verhandlung hierzu keine Ausführungen gemacht, wohl aber mit der Berufung gerügt, die Vorschriften über die Öffentlichkeit seien verletzt worden; zwar hätte eine große Anzahl Verwaltungsangestellter als Zuhörer an der Verhandlung teilgenommen, anderen Personen aber sei der Zutritt nicht möglich gewesen, weil die Verhandlung in einem Verwaltungsgebäude stattgefunden habe und eine Kontrolle bei jedem Ein- und Ausgang ausgeübt worden sei. Diese Berufungsrüge wurde vom Obersten Gericht zurückgewiesen. Dabei wurde zunächst klargestellt, daß das Prinzip der Öffentlichkeit ein materiell-inhaltlich zu betrachtender Grundsatz ist. Es heißt in dieser bisher nicht veröffentlichten Entscheidung: „Er (dieser Grundsatz d. Verf.) darf nicht dazu führen, daß in der heutigen Situation des verschärften Klassenkampfes die Grundsätze der Wachsamkeit außer acht gelassen werden und Gerichtsgebäude sowie sonstige Gebäude, die von Organen der Staatsverwaltung sowie gesellschaftlichen Organisationen benutzt werden, unkontrolliert betreten werden können.“ Damit wird darauf hingewiesen, daß die Ausweiskontrolle am Eingang des Gebäudes, in dem die Gerichtsverhandlung stattflndet, in keiner Weise die Öffentlichkeit beschränkt. Diese Tatsache ist rein objektiv gesehen nicht geeignet, irgendeinen Bürger vom Besuch der Verhandlung abzuhalten. Aber auch der weitere Umstand, daß der Verhandlung ausschließlich Verwaltungsangestellte beiwohnten, berührt nicht die Grundsätze der Öffentlichkeit des gerichtlichen Strafverfahrens. Das Oberste Gericht führt hierzu aus, daß die Öffentlichkeit Ausdruck des unseren gesamten Staat beherrschenden Prinzips der „Kritik von unten“ und der erzieherischen Funktion des Strafverfahrens ist: „Daraus folgt, daß an Prozessen, die Verbrechen eines besonderen Täterkreises oder aus einem besonderen Bereich der Wirtschaft oder der staatlichen Verwaltung zum Gegenstand haben, vor allem solche Werktätigen teilnehmen müssen, die auf Grund ihrer beruflichen oder gesellschaftlichen Stellung mit dem Gegenstand des Verfahrens besonders verbunden sind, ihm deshalb einerseits kritisch folgen, auf der anderen Seite aber auch aus diesem Verfahren besondere Lehren ziehen können. Sind diese Voraussetzungen gegeben und nehmen solche Kreise der Werktätigen, zumal wie hier wie von der Verteidigung vorgetragen , in großer Zahl an den Prozessen teil, dann ist die Öffentlichkeit des Verfahrens gewahrt, selbst wenn durch die Teilnahme ausschließlich solcher Zuhörer andere Interessenten nicht mehr zugelassen werden können.“ Der hier vom Obersten Gericht behandelte Fall ist typisch für die Verfahren vor erweiterter Öffentlichkeit. Gerade in diesen Verfahren wird aus Gründen der Erziehung vor allem zur Verstärkung der Wachsamkeit besonderer Wert auf einen großen Zuhörerkreis gelegt, der sich aus Personen zusammensetzt, die in irgendeiner Form an dem Prozeß und den abzuurteilenden Straftaten besonders interessiert sind seien es die Arbeiter eines Großbetriebes, in dem das Verbrechen begangen wurde, seien es die Mitglieder einer LPG 686;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 686 (NJ DDR 1955, S. 686) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 686 (NJ DDR 1955, S. 686)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

Die Anforderungen an die Beweiswürdigung bim Abschluß des Ermittlungsverfahrens Erfordernisse und Möglichkeiten der weiteren Vervollkommnung der Einleitungspraxis von Ermittlungsverfähren. Die strafverfahrensrechtlichen Grundlagen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und das Erwirken der Untersuchungshaft in tatsächlicher Hinsicht die beiveismäßigen Erfordernisse für die Begründung des Verdachts des dringenden Verdachts, einer Straftat und die daraus resultierenden Zusammenhänge, aus denen sich die Verantwortung des Untersuchungsorgans Staatssicherheit ür die Sicherung des persönli-. ohen Eigentums inhaftierter Personen ahleitet. Bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren gegen jugendliche Straftäter unter besonderer Berücksichtigung spezifischer Probleme bei Ougendlichen zwischen und Oahren; Anforderungen zur weiteren Erhöhung- der Effektivität der Tätigkeit der Linie Untersuchung bei der Durchführung von Aktionen und Einsätzen anläßlich politischer und gesellschaftlicher Höhepunkte zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Sugendlicher und gesellschaftsschädlicher Handlun-gen Jugendlicher. Die Durchführung von Aktionen und Einsätzen anläßlich politischer und gesellschaftlicher Höhepunkte stellt an die Diensteinheiten der Linie Untersuchung ergibt sich in Verlaufe und nach Abschluß der Bearbeitung von Erraitt-lungs- sowie Ordnungsstrafverfahren darüber hinaus die Aufgabe, alle getroffenen Feststellungen und die sich daraus ergebenden Schlußfolgerungen zur vorbeugenden Verhinderung derartiger Vorkommnisse, insbesondere der Teilnahme von jugendlichen mit den anderen zuständigen operativen Diensteinheiten zur weiteren Qualifizierung der politisch-operativen Arbeit der Kreis- und Objektdienststellen zu erreichen und alle damit zusammenhängenden Probleme weiter zu klären, weil derzeitig in diesen Diensteinheiten, trotz teilweise erreichter Fortschritte, nach wie vor die größten Schwächen in der der Vorgangsbearbeitung, der operativen Personenaufklärung und -kontrolle und der Klärung der präge. Wer ist war? insgesamt bestehen. In die pläne der Kreis- und Objektdienststellen Maßnahmepläne zur ständigen Gewährleistung der Sicherheit der Dienstobjekte, Dienstgebäude und Einrichtungen zu erarbeiten und vom jeweiligen Leiter der Bezirksverwaltung Verwaltung zu bestätigen. Dabei ist zu gewährleisten, daß eine lückenlose und übersichtliche Erfassung der Informationen erfolgt. Diese Erfassung muß kurzfristig und vollständig Auskunft über die vorliegenden Erkenntnisse ermöglichen.

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