Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 564

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 564 (NJ DDR 1955, S. 564); schlag unabhängige Zweck der politischen Generalklausel von ihm nur deutlicher ausgesprochen wird, indem er erklärt: Es sei „geboten, den Gesichtspunkt der Verfassungstreue besonders hervorzuhe-b e n“13), ihn also nicht etwa erst in § 19 Zifü. 6 einzufügen. Daß jene Vorschrift bereits in der Fassung des Regierungsentwurfs „dieselben Gefahren heraufbeschwört wie die offen ausgesprochene politische Klausel des Bundesrats“, erkennt auch Friedländer. Diese „Gefahren“ charakterisiert er mit folgenden Worten: „Daß eine solche Vorschrift die politische Gesinnung zum Gegenstände der Vorprüfung bei der Zulassung macht, ist deutlich und unbestreitbar. Wie sie mit Art. 3 III des Grundgesetzes in Einklang zu bringen wäre, soll hier nur gefragt werden. Auch abgesehen von der Politik läßt die Vorschrift dem freien Ermessen einen fast unbeschränkten Spielraum. Ihre Einführung wäre das Ende der freien Advokatu r.“14) Eine weitere Kautschukbestimmung in § 32 des Entwurfs, die ebenfalls keinerlei bestimmte Tatbestandsmerkmale enthält, ermöglicht der Justizverwaltung die Versagung der Zulassung „bei dem im Antrag bezeich-neten Gericht „wenn in der Person des Bewerbers Umstände vorliegen, die es für die Rechtspflege als untragbar erscheinen lassen, daß der Bewerber die anwaltliche Tätigkeit bei diesem Gericht ausübt.“ Da nach dem Prinzip der Lokalisierung aber jeder Rechtsanwalt bei einem bestimmten Gericht zugelassen sein muß (§ 30 des Entwurfs), besteht die Gefahr, daß auch diese Vorschrift als politische Generalklausel dazu gebraucht wird, einem Bewerber wegen seiner politischen Gesinnung den Zugang zur Anwaltschaft gänzlich zu versagen. Dazu meint Friedländer: „Man kann sich hiernach das Schicksal eines Bewerbers ausmalen, der nidits verbrochen hat, aber irgendwie ,unerwünscht“ oder mißliebig ist.“15) Außerdem schafft sich das Adenauerregime mit jener Bestimmung die Handhabe, eine spezielle politische Auslese der Anwälte vorzunehmen, die am Ort derjenigen Gerichte zugelassen werden, die ihm aus politischen Gründen besonders wichtig sind, wie etwa die Landgerichte am Sitz der Oberlandesgerichte mit den politischen Strafkammern nach § 74 a GVG. Es ist offenbar, daß eine derartige Willkürbestimmung gegen den Verfassungsgrundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 3 GG) verstößt. Die Vorschriften über die Zulassung zur Anwaltschaft rechtfertigen somit vollauf die Feststellung, ihre Einführung wäre das „Ende der freien Advokatur“. Wenn der Münchener Rechtsanwalt Heins versucht, hierüber mit der Bemerkung hinwegzutrösten, dem Bewerber stünde „gegen eine Abweisung der Rechtsweg offen“16), so ist das lediglich ein frommer Selbstbetrug; denn das ehrengerichtliche Verfahren, besonders in den Fällen, in denen wie hier (§ 23 des Entwurfs) in erster Instanz der Ehrengerichtshof zuständig ist, bietet politisch unliebsamen Bürgern keinerlei Rechtsschutz und Rechtsgarantien. Die stereotype Formel der Bonner Machthaber, ihr justizförmiges Verfahren sei gleichbedeutend mit Rechtsschutz und rechtsstaatlichen Garantien, erweist sich auch in diesem Fall als eine Zwecklüge. Beinahe noch wichtiger als die Regelung der Zulassung zur Anwaltschaft sind die ehrengerichtlichen Strafen, mit denen ein ständiger politischer Druck auf die Rechtsanwälte ausgeübt werden soll. Das gilt vor allem für die Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft, die schwerste ehrengerichtliche Strafe17). Die Voraussetzungen für eine ehrengerichtliche Bestrafung einschließlich der Ausschließung aus der Anwaltschaft sind nach § 115 des Entwurfs erfüllt, wenn 13) Bundestagsdrucksache Nr. 1014 der 2. Wahlperiode, S. 145. 14) Friedländer in JZ 1955, Heft 1, S. 13; Hervorhebung von uns. D. Verf. ! 15) Friedländer a. a. O. 10) Heins in NJZ 1955, Heft 8, S. 282. 11) Die übrigen Strafen sind Warnung, Verweis und Geldbuße bis zu 10 000 DM; § 116 des Entwurfs. ein Rechtsanwalt „die ihm obliegenden Pflichten schuldhaft verletzt“. Das klingt recht harmlos, genau wie § 55 des Entwurfs, der über die „allgemeine Berufspflicht“ sagt: „Der Rechtsanwalt hat seinen Beruf gewissenhaft auszuüben. Er hat sich innerhalb und außerhalb des Berufes der Achtung und des Vertrauens, welche die Stellung des Rechtsanwalts erfordert, würdig zu erweisen.“ Würden diese Vorschriften entsprechend den Prin- . zipien und Bestimmungen des Grundgesetzes ausgelegt und angewendet, so wäre nichts dagegen einzuwenden. Doch es gibt alarmierende Zeichen dafür, wie das Adenauerregime sie handhaben, was es alles zur anwaltlichen Berufspflicht deklarieren will. Daß beabsichtigt ist, unter Mißachtung des Grundgesetzes auch hier die politische Gesinnung zum Kriterium zu machen, darauf deutet der Eid hin, den jeder Rechtsanwalt dahingehend leisten muß, „ die verfassungsmäßige Ordnung zu wahren und die Pflichten eines Rechtsanwalts gewissenhaft zu erfüllen ,“17a) Es ist bekannt und besonders durch die westdeutsche Justizpraxis vielfach erwiesen, daß die Bonner Machthaber entgegen dem Gesetz ihre Regierung und deren volksfeindliche Politik mit der „verfassungsmäßigen Ordnung“ identifizieren. Wenn das bisher geschah, um aufrechte Patrioten und Demokraten unschuldig in das Gefängnis zu werfen, so sollen jetzt offensichtlich auf Grund ähnlicher Praktiken die demokratischen Kräfte der Anwaltschaft mit ehrengerichtlichen Strafen und besonders mit der Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft terrorisiert werden. Darauf deutet auch die spezielle Regelung hin, die für diejenigen ehrengerichtlichen Verfahren vorgesehen ist, in denen es um die Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft geht18). Während sonst für alle ehrengerichtlichen Verfahren in erster Instanz das Ehrengericht bei der Rechtsanwaltskammer zuständig ist, gehören Ausschließungsverfahren in erster Instanz vor den Ehrengerichtshof bei dem Oberlandesgericht. Das Ehrengericht ist ein Organ der anwaltlichen Selbstverwaltung. Es entscheidet in der Besetzung mit drei anwaltlichen Mitgliedern, von denen zwei vom Vorstand der Rechtsanwaltskammer und eines von der Versammlung der Rechtsanwaltskammer gewählt werden (§§ 105 107 des Entwurfs). Der Ehrengerichtshof bei dem Oberlandesgericht sieht gänzlich anders aus. Er entscheidet in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und einem Beisitzer aus der Zahl der Richter des Oberlandesgerichts und mit drei anwaltlichen Mitgliedern. Welche Menschen in den Ehrengerichtshof kommen, bestimmt jedoch die Justizverwaltung, die die Mitglieder des Ehrengerichtshofs berjift bzw. ernennt, auch soweit es sich um die Beisitzer handelt, die Rechtsanwälte sind. Dabei ist unschwer zu erraten, daß man auch hier die erzreaktionäre Personalpolitik fortsetzen will, die seit geraumer Zeit dazu geführt hat, daß die Richterstellen ganz überwiegend mit Faschisten und Parteigängern Adenauers besetzt sind19). Eine sorgfältige „Auslese“ der anwaltlichen Beisitzer wird offensichtlich mit der Bestimmung bezweckt, daß nur Rechtsanwälte in Betracht kommen, die den Anwaltsberuf „seit mindestens fünf Jahren ohne Unterbrechung“ ausüben, die also in ihrer Gesinnung und politischen Einstellung bekannt sind. Außerdem kann ein anwaltlicher Beisitzer seines Amtes z. B. dann enthoben werden, wenn gegen ihn durch die Staatsanwaltschaft ein ehrengerichtliches Verfahren eingeleitet wird20). Für die Einschätzung des ganzen ehrengerichtlichen Verfahrens, das unter entsprechender Anwendung der 17a) § 38 des Entwurfs. Sperrung von uns. D. Verf. 18) Die gleiche Regelung gilt auch in den Fällen, in denen ein Bewerber sich im ehrengerichtlichen Verfahren gegen die Versagung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wendet (§§ 21 Abs. 2, 23 Abs. 2 des Entwurfs). 19) Erinnert sei nur an die Erklärung des Bundestagsabgeordneten Dr. Reisman, 90 der westdeutschen Richter hätten schon in der Nazizeit „Recht gesprochen“ (Bundestagsprotokolle, Sitzung vom 23. März 1950, S. 1798). 20) vgl. zu diesem Abschnitt §§ 175 178 des Entwurfs. 564;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 564 (NJ DDR 1955, S. 564) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 564 (NJ DDR 1955, S. 564)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

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