Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 561

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 561 (NJ DDR 1955, S. 561); Bemerkungen zu § 24 JGG Von ERNST LEIM, Staatsanwalt beim Generalstaatsanwalt der DDR Die demokratische Gesetzlichkeit erfordert, daß Richter und Staatsanwalt bei der Anwendung unserer Gesetze stets den Willen des Gesetzgebers erforschen. Das gilt sowohl für die von unserer Arbeiter- und Bauernmacht selbst erlassenen Gesetze wie für die von ihr sanktionierten. Um den Sinn eines Gesetzes zu erkennen, genügt es aber nicht, nur nach der Präambel zu sehen, sondern dazu muß der Gesetzestext im Zusammenhang betrachtet werden. Es ist in jedem Fall falsch, den Willen des Gesetzgebers ausschließlich der Präambel zu entnehmen und dann danach den Wortlaut des Gesetzes willkürlich umzudeuten, zu erweitern oder einzuengen, um ihn mit der gewonnenen „Erkenntnis“ in Einklang zu bringen. Die strengste Beachtung des Gesetzeswortlauts ist ein wichtiger Bestandteil der demokratischen Gesetzlichkeit. Präambel und Wortlaut des Gesetzes bilden eine untrennbare Einheit und lassen erst in ihrer Gesamtheit den Willen des Gesetzgebers und den Sinn des Gesetzes erkennen. Diese Vorbemerkung erscheint notwendig im Hinblick auf die falsche Anwendung der Gesetze, wie sie immer wieder festzustellen ist. Ein Gesetz, über das z. B. noch keine genügende Klarheit besteht, ist auch das Jugendgerichtsgesetz und hier insbesondere § 24. Um den Sinn des § 24 JGG zu ergründen, ist es notwendig, den ersten Halbsatz des Paragraphen in Verbindung mit der Präambel zu lesen. Auch der Jugendliche, der wegen der Schwere seiner Straftaten nach allgemeinem Strafrecht verurteilt werden muß, bleibt ein Jugendlicher. Bei ihm muß in besonderem Maße geprüft werden, ob er gemäß § 4 Abs. 1 JGG für seine strafbare Handlung verantwortlich gemacht werden kann. Auch nach seiner Verurteilung wird er nicht mehr dem Erwachsenen gleichgestellt, sondern wird, wie § 54 Abs. 2 JGG bestimmt, in einem besonderen Jugendhaus verwahrt, dessen Erzieher für die Aufgaben dieser Anstalt besonders ausgebildet und befähigt sein müssen. Also trifft die Präambel des JGG auch auf diese Jugendlichen zu. Sie wird allerdings durch den 1. Satz des § 24 Abs. 1 eingeschränkt, der besagt, daß ein Jugendlicher, dessen Verbrechen die Sicherheit unseres Arbeiter- und Bauernstaates und den Schutz unserer Bürger besonders stark gefährden, nicht nach dem JGG, sondern nach allgemeinem Strafrecht wie ein Erwachsener zu bestrafen ist. 1. Welche Verbrechen als derart gesellschaftsgefährlich angesehen werden, ist im § 24 JGG gesagt. Die dort aufgeführten Verbrechen sind nicht etwa nur Beispiele, sondern eine erschöpfende Zusammenstellung. Eine Bestrafung zu Freiheitsentziehung wegen eines Verbrechens nach KRD Nr. 38 in Verbindung mit §§ 1, 4, 17 und 24 JGG, wie sie am 29. April 1955 vom Bezirksgericht Leipzig ausgesprochen wurde, ist also ungesetzlich. Die KRD Nr. 38 ist nicht im § 24 JGG genannt, und die Gerichte können nicht willkürlich die Liste der in § 24 aufgezählten Verbrechen erweitern. Diese Sache hätte vor dem Jugendgericht verhandelt werden müssen. Ebenso falsch ist es, wenn z. B. der 1. Strafsenat des Bezirksgerichts Erfurt einen Jugendlichen wegen Verbrechens gegen Art. 6 der Verfassung und KRD Nr. 38 zu Freiheitsentziehung verurteilt. Die Freiheitsentziehung ist eine Strafe, die ausschließlich im Jugendstrafrecht ausgesprochen wird; sie kann im allgemeinen Strafrecht nicht angewendet werden. Eine derartige Zusammenfassung von Jugend- und allgemeinem Strafrecht ist unmöglich. Richtig ist es aber, wenn das Gericht in demselben Urteil die Sühnemaßnahmen der KRD Nr. 38 ausspricht. Zwar sagt § 22 JGG, daß gegen Jugendliche auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und auf Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht erkannt werden darf. Ebenso dürfen nach unserer Auffassung im Jugendstrafverfahren die obligatorischen Sühnemaßnahmen der KRD Nr. 38 nicht ausgesprochen werden. Einem Jugendlichen, der nach dem Jugend- strafrecht verurteilt wird, soll nicht von vornherein die Möglichkeit der gesellschaftlichen Betätigung versperrt werden. Anders ist es jedoch, wenn wie im oben erwähnten Fall die KRD Nr. 38 in Verbindung mit Art. 6 der Verfassung angewendet wird. In diesem Fall gilt nach § 24 JGG das allgemeine Strafrecht. Das bedeutet, daß dann auch die Sühnemaßnahmen der KRD Nr. 38 ausgesprochen werden müssen. Dies ergibt sich schon aus der Stellung des § 22 JGG im System des Jugendstrafrechts. Wäre § 22 hinter dem § 24 eingeordnet, dann müßte sein Inhalt auch auf § 24 zutreffen; da aber § 24 JGG den Abschnitt über die Strafen abschließt, kann das in vorhergehenden Paragraphen Gesagte sich nicht auf ihn erstrecken. Die Richtigkeit unserer Auffassung ergibt sich aber auch aus Folgendem: Das Verbrechen eines Jugendlichen gegen Art. 6 der Verfassung wird gemäß § 24 JGG nach den Vorschriften des allgemeinen Strafrechts bestraft. Nun sieht aber Art. 6 Abs. 3 vor, daß der wegen eines solchen Verbrechens Bestrafte weder im öffentlichen Dienst noch in leitenden Stellen im wirtschaftlichen und kulturellen Leben tätig sein kann; er verliert ferner das Recht, zu wählen oder gewählt zu werden. Abs. 3 ist ein unabdingbarer Bestandteil des Art. 6. Diese Nebenfolgen, die zwar im Urteil nur ausgesprochen werden, wenn die Verurteilung ausschließlich nach Art. 6 erfolgt, sind aber in jedem Fall zu beachten und können auch nicht durch § 22 JGG ausgeschlossen werden. Es ist demnach unmöglich, daß bei einer Verurteilung eines Jugendlichen nach Art. 6 in Verbindung mit KRD Nr. 38 die Nebenfolgen des Art. 6 ausgesprochen werden, nicht jedoch die Sühnemaßnahmen nach der KRD Nr. 33. Ein Jugendlicher kann nicht in ein und demselben Verfahren nach Art. 6 als Erwachsener, dagegen nach der KRD Nr. 38 als Jugendlicher gelten. Wenn das Gesetz die Anwendung des allgemeinen Strafrechts vorschreibt, dann muß es in seiner vollen Schärfe angewendet werden. Ausgenommen ist davon nach § 24 JGG lediglich die Todesstrafe. Wenn nun aber gemäß § 24 JGG gegen einen Jugendlichen Sühnemaßnahmen ausgesprochen werden, so ist damit nicht gesagt, daß er auf Lebenszeit von jeder gesellschaftlichen Tätigkeit ausgeschlossen sein soll. Es besteht vielmehr die Möglichkeit, daß ihm nach seiner Entlassung und nach Ablauf einer entsprechenden Bewährungsfrist die Nebenfolgen und die Sühnemaßnahmen im Gnadenwege erlassen werden. Hat er durch sein Verhalten nach der Entlassung gezeigt, daß er die notwendigen Lehren aus seiner Bestrafung gezogen hat, dann wird man ihm auch wieder die Möglichkeit der gesellschaftlichen Betätigung eröffnen. Es wäre aber grundfalsch und widerspräche auch dem Gesetz, wollte man dem Jugendlichen angesichts der Gesellschaftsgefährlichkeit seiner Tat, die zu einer Verurteilung nach allgemeinem Strafrecht führen mußte, von vornherein alle Nebenfolgen erlassen. 2. Schwierigkeiten bereitet häufig die Beantwortung der Frage was unter der „wiederholten Begehung schwerer Verbrechen“ i. S. des § 24 JGG zu verstehen ist. Ob ein Verbrechen als schweres Verbrechen anzusehen ist, obliegt dem staatsanwaltschaftlichem und richterlichem Ermessen. § 1 StGB mit seiner allgemeinen Formulierung hilft hier nicht weiter. Jedoch wird man sagen können, daß jede Tat, für die im konkreten Fall ein Erwachsener mit dem Tode oder mit Zuchthaus bestraft werden würde, als ein schweres Verbrechen im Sinne des § 24 JGG zu werten ist. Der Begriff der „wiederholten Begehung schwerer Ver-' brechen“ darf allerdings nicht dem Rückfallsbegriff des StGB gleichgesetzt werden. Es kommt nicht darauf an, daß der Jugendliche schon mehrfach wegen schwerer Verbrechen bestraft wurde. Auch der nicht vorbestrafte Jugendliche muß, wenn er beispielsweise wiederholt schwere Verbrechen gegen das Gesetz zum Schutze des Volkseigentums begeht, gemäß § 24 JGG bestraft wer- 561;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen. Die Aufdeckung und Überprüfung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Spitzengeheimnisträger in staatlichen und bewaffneten Organen, in der Volkswirtschaft, in Forschungseinrichtungen einschließlich Universitäten und Hochschulen; Einschätzung der Wirksamkeit der politisch-operativen Aufklärung, Überprüfung und Kontrolle der Spitzengeheimnisträger in staatlichen und bewaffneten Organen, in der Volkswirtschaft, in Forschungseinrichtungen einschließlich Universitäten und Hochschulen; Einschätzung der Wirksamkeit der politisch-operativen Aufklärung, Überprüfung und Kontrolle der Rückverbindungen durch den Einsatz der Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Absicherung des Reise-, Besucher- und Transitverkehrs. Die Erarbeitung von im - Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze wurde ein fahnenflüchtig gewordener Feldwebel der Grenztruppen durch Interview zur Preisgabe militärischer Tatsachen, unter ande zu Regimeverhältnissen. Ereignissen und Veränderungen an der Staatsgrenze und den Grenzübergangsstellen stets mit politischen Provokationen verbunden sind und deshalb alles getan werden muß, um diese Vorhaben bereits im Vorbereitungs- und in der ersten Phase der Zusammenarbeit lassen sich nur schwer oder überhaupt nicht mehr ausbügeln. Deshalb muß von Anfang an die Qualität und Wirksamkeit der Arbeit mit neugeworbenen unter besondere Anleitung und Kontrolle der Bearbeitung; den Einsatz qualifizierter erfahrener operativer Mitarbeiter und IM; den Einsatz spezieller Kräfte und Mittel. Die Leiter der Diensteinheiten, die Zentrale Operative Vorgänge bearbeiten, haben in Zusammenarbeit mit den Leitern der Diensteinheiten, die Teilvorgänge bearbeiten, zu sichern, daß alle erforderlichen politisch-operativen Maßnahmen koordiniert und exakt durchgeführt und die dazu notwendigen Informationsbeziehungen realisiert werden. Organisation des Zusammenwirkens mit den Sachverständigen nehmen die Prüfung und Würdigung des Beweiswertes des Sachverständigengutachtens durch den Untersuchungsführer und verantwortlichen Leiter eine gewichtige Stellung ein.

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