Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 559

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 559 (NJ DDR 1955, S. 559); strafe des § 139 b StGB betragen kann. § 139 b StGB ist über § 7 JGG hinaus auch weiterhin für den Personenkreis anzuwenden, der vom § 7 JGG nicht erfaßt wird. § 7 Satz 2 JGG bestimmt, daß diejenigen Erziehungspflichtigen zur Verantwortung gezogen werden, die sich einer schweren Verletzung ihrer Pflicht zur Beaufsichtigung eines Jugendlichen schuldig machen. Die Entscheidung darüber, wann eine schwere Pflichtverletzung vorliegt, muß in jedem einzelnen Fall getroffen werden. Hierfür läßt sich kein Schema geben, sondern das ist aus den gesamten objektiven und subjektiven Momenten zu beurteilen. Allerdings ist für die Entscheidung die Kenntnis der rechtlichen Grundlagen und des Inhalts der Verantwortlichkeit des Erziehungspflichtigen erforderlich. Die Erziehungspflicht hat zwei Seiten. Sie besteht einerseits darin, die Kinder im Sinne unserer Gesellschaftsordnung zu erziehen, und andererseits darin, sie vor einer gegenteiligen, für unsere Ordnung schädlichen Beeinflussung zu bewahren. II Im Zusammenhang mit § 7 JGG ergeben sich zwei weitere rechtliche Fragen. Wie bereits erwähnt, erstreckt sich § 7 JGG nicht auf die Erziehungspflichtigen der Kinder bis zu 14 Jahren. Auf sie ist also, wenn die Kinder eine mit Strafe bedrohte Handlung begehen, weiterhin § 139 b StGB anzuwenden, falls nicht gleichzeitig der Tatbestand des § 170 d StGB erfüllt ist. § 139 b StGB bietet mit einer Höchststrafe von 6 Monaten Gefängnis eine geringere Erziehungsmöglichkeit gegenüber den Erziehungspflichtigen als § 7 JGG. Diese Regelung ist nicht sehr befriedigend. Unsere Gesellschaft hat ein Interesse daran, daß die Erziehungspflichtigen ihre Aufsichtspflicht in jeder Phase der Entwicklung der Kinder und Jugendlichen mit der gleichen Intensität ausüben. Sie ist daran interessiert, sich auch vor mit Strafe bedrohten Handlungen der strafunmündigen Kinder zu schützen und die Kinderkriminalität mit der gleichen Schärfe zu bekämpfen wie die Jugendkriminalität. Man kann wohl sagen, daß die Aufsichtspflicht gegenüber den Jugendlichen in dem Maße" erfolgreicher erfüllt werden kann, in dem sie bereits den Kindern gegenüber ernst genommen worden ist. Darum ist diese Zweiteilung in der Verantwortlichkeit Erziehungspflichtiger, je nachdem, ob ein Jugendlicher oder ein straf unmündiges Kind die mit Strafe bedrohte Handlung begangen hat, unglücklich und entspricht nicht unseren Anschauungen. De lege ferenda sollte deshalb an eine Ausdehnung des § 7 JGG auch auf die Fälle gedacht werden, in denen Kinder mit Strafe bedrohte Handlungen begehen. Es erhebt sich ferner die Frage, wie zu entscheiden ist, wenn ein Jugendlicher von einem Erziehungspflichtigen zur Begehung eines Verbrechens angestiftet wird. § 6 JGG besagt, daß ein Erwachsener, der einen Jugendlichen anstiftet, auch dann wie ein Anstifter bestraft wird, wenn der Jugendliche die Straftat nicht oder unabhängig von der Anstiftung ausführt. Mildernde Umstände sind in der Regel nicht zuzubilligen. Damit ist die Strafe gemäß § 48 StGB dem Gesetz zu entnehmen, das auch auf die Handlung Anwendung findet. Gleichzeitig verstößt aber der Erziehungspflichtige auch gegen § 7 JGG. Jedoch ist in diesem Falle § 6 JGG in Verbindung mit § 48 StGB das spezielle Gesetz, das die strafbare Handlung genügend charakterisiert, Hinsichtlich der Strafhöhe bestehen ebenfalls keine Bedenken, da das angedrohte Strafmaß in den weitaus meisten Fällen höher sein wird als im § 7 JGG. III Die seltene Anwendung des § 7 JGG durch die Gerichte hat verschiedene Ursachen. In erster Linie ist sie zweifellos darauf zurückzuführen, daß viele Staatsanwälte und Richter die Bedeutung, die diesem Paragraphen für die Bekämpfung der Jugendkriminalität zukommt, noch nicht erkannt haben. Andererseits aber und das soll nicht übersehen werden ist es nicht immer einfach zu entscheiden, ob im konkreten Fall wirklich eine schwere Verletzung der Aufsichtspflicht vorliegt. Schließlich kommen die Berichte des Referats Jugendhilfe-Heimerziehung z. T. sehr spät und lassen manchmal in der Qualität zu wünschen übrig. Das alles sind jedoch keine Gründe, die dazu berechtigen, die Prüfung gemäß § 7 JGG völlig zu unterlassen. Für ein befriedigendes Ergebnis der Prüfung, ob eine schwere Aufsichtspflichtverletzung vorliegt, ist allerdings eine gute Zusammenarbeit mit dem Referat Jugendhilfe-Heimerziehung unabdingbare Voraussetzung. Das bedeutet u. a., daß die Berichte über den Jugendlichen und dessen häusliche Verhältnisse bereits an das Ermittlungsorgan gegeben werden, damit sich dieses schon mit der Frage der Verantwortlichkeit eines Erziehungspflichtigen beschäftigen kann. Das ist aber meist nicht der Fall. So war es im Berliner Stadtbezirk Prenzlauer Berg bis vor kurzem üblich, die Berichte erst dem Gericht zuzusenden und das auch noch sehr kurzfristig. Dafür ein Beispiel: Das Ermittlungsverfahren gegen die 16jährige Schwesternschülerin Ingrid G., die sich mehrmals am Eigentum ihrer Kolleginnen vergriffen hatte, wurde am 20. Juli 1954 eingeleitet, die Anklage am 8. Oktober 1954 erhoben. Der Bericht des Referats Jugendhilfe-Heimerziehung trägt aber das gleiche Datum wie das Urteil, das am 17. Februar 1955 gesprochen wurde. Seit der Einleitung des Ermittlungsverfahrens- waren also bereits fast sieben Monate vergangen, und trotzdem wurde der Bericht erst am Tage der Hauptverhandlung angefertigt. Obwohl § 28 Abs. 2 JGG vorschreibt, daß die Jugendgerichtshilfe in dem gesamten Verfahren zur Mitarbeit herangezogen werden soll, ist in diesem und in vielen anderen Fällen davon kein Gebrauch gemacht worden. Wie aber wollen Staatsanwalt und Gericht prüfen, ob eine Aufsichtspflichtverletzung vorliegt, wenn sie sich noch nicht einmal über die häuslichen Verhältnisse informieren! Daß das Referat Jugendhilfe-Heimerziehung hierzu am ehesten in der Lage ist und auch den besten Überblick hat, läßt sich in vielen Berichten feststellen, in denen es oft heißt: „Der Jugendliche X. ist uns kein Unbekannter“ oder „Die Familie Y. ist unserer Dienststelle nicht erst seit heute bekannt“ bzw. „Die Frau Z. genießt in ihrem Wohngebiet aus diesem und jenem Grunde einen guten Ruf“ usw.; an solche Feststellungen schließt sich dann nicht selten eine durchaus brauchbare Schilderung des häuslichen Milieus an. Das Fehlen einer Stellungnahme zu § 7 JGG bedeutet also nicht unbedingt, daß im konkreten Fall keine schwere Aufsichtspflichtverletzung vorlag, sondern ist z. T. auf die Unkenntnis der genauen häuslichen Verhältnisse zurückzuführen. IV Es gibt drei Hauptfälle einer Verletzung der Aufsichtspflicht durch den Erziehungspflichtigen. 1. Die Aufsichtspflichtverletzung durch Eltern (der Einfachheit halber seien hier nur die Eltern genannt, die ohnehin die Mehrheit der Erziehungspfiichtigen ausmachen), denen die Entwicklung ihrer Kinder gleichgültig ist, die sich nicht um sie kümmern und auch nicht erzieherisch auf sie einwirken. Hierzu kann man auch die Eltern bzw. Elternteile rechnen, die anfangs wohl eine gewisse Erziehungsarbeit leisten, später aber vor ihren heranwachsenden Kindern kapitulieren und sich ihnen gegenüber nicht mehr durchsetzen. 2. Die Aufsichtspflichtverletzung durch Eltern, die die häuslichen Verhältnisse bereits so negativ gestalten, daß ihre Kinder schon dadurch auf die schiefe Bahn geraten, z. B. indem sie mit asozialen Elementen in Verbindung kommen, mit Berufsverbrechern, Säufern, Prostituierten usw., oder indem man ihnen Schundliteratur zum Lesen gibt u. a. m. 3. Die Aufsichtspflichtverletzüng durch Eltern, denen es infolge Arbeitsüberlastung schwerfällt, sich in ausreichendem Maße um die Kinder zu kümmern. Zu dieser Kategorie zählen z. B. viele alleinstehende Frauen, die berufstätig sind und sowohl die Hausarbeit als auch die Erziehung der Kinder allein zu bewältigen haben. Oft sind hier auch eine Reihe objektiver Schwierigkeiten, wie fehlende Unterbringungsmöglichkeit für die Kinder usw., vorhanden, so daß hier eine besonders verantwortungsbewußte Prüfung am Platz ist. Ferner fallen in diese Gruppe solche Eltern, die gesellschaftlich sehr aktiv sind und oft spät nach Hause kommen, so daß ihre Kinder sich viel selbst überlassen sind. 559;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 559 (NJ DDR 1955, S. 559) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 559 (NJ DDR 1955, S. 559)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

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