Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 555

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 555 (NJ DDR 1955, S. 555); nur einen Tag in seinem Besitz war. Wenngleich die Vernichtung der Waffe nicht richtig war, ist die Einstellung nicht zu beanstanden. Gegen die Mutter wurde das Verfahren nach § 164 Abs. 1 Ziff. 1 StPO eingestellt, weil sie keine verbrecherische Handlung begangen hatte. Sie gab ihrem Mann sofort von dem Vorhandensein der Pistole Kenntnis; ihr Mann unterrichtete sie aber nicht über die Gefährlichkeit dieser Waffe. Sie war nach wie vor der Meinung, daß es eine Kinderpistole sei. Erst während der gegen sie geführten Ermittlungen wurde ihr. die Gefährlichkeit der Waffe bekannt. Da sie aber außerdem sofort ihren Mann von dem Fund in Kenntnis gesetzt und somit unter Berücksichtigung der Familienverhältnisse das Erforderliche getan hatte, wurde das Verfahren richtigerweise eingestellt. Eine Bestrafung ist auch dann nicht erforderlich, wenn in Anbetracht des positiven Verhaltens des Täters nach der Durchführung seines Verbrechens unter Berücksichtigung der bestehenden Situation im Klassenkampf eine Bestrafung im Widerspruch zu den Interessen unseres Arbeiter- und Bauernstaates stünde. Die im Bewußtsein und im Verhalten des Täters nach der verbrecherischen Handlung vor sich gegangene positive Veränderung muß jedoch einwandfrei nachweisbar sein. Der Täter muß diese Veränderung durch Handlungen und Leistungen bewiesen haben, die geeignet sind, den Schaden, den er der Gesellschaft mit seinem Verbrechen zugefügt hat, wieder gutzumachen. Kriminalist, Staatsanwalt und Richter müssen davon überzeugt sein, daß durch die Änderung im Verhalten des Täters die Gesellschaftsgefährlichkeit seiner Tat beseitigt ist und daß er künftig keine solche Handlung mehr begehen wird. Das bedeutet, daß ein Verbrechen nicht vorliegt, wenn die Gesellschaftsgefährlichkeit des Täters infolge seines positiven Verhaltens nach der Tat weggefallen ist. So hatte z. B. ein Täter im Bezirk Magdeburg in der Zeit vom April 1952 bis März 1955 mehrere Spionageaufträge für Westberliner Agentenzentralen durchgeführt. Nachdem er die verbrecherischen Ziele der Westberliner Agentenzentralen erkannt hatte, stellte er sich im März 1955 freiwillig unseren Sicherheitsorganen. Diesen teilte er mit, welche Aufträge er gegen die Deutsche Demokratische Republik durchgeführt hatte und weiche Agentennester in der DDR ihm bekannt waren. Diese Angaben machten es den Sicherheitsorganen möglich, eine größere Anzahl Agenten festzun'ehmen und dadurch den imperialistischen Kriegsvorbereitungen einen empfindlichen Schlag zuzufügen. Das Verfahren gegen diesen ehemaligen Agenten wurde nach § 153 StPO (alt) eingestellt. In seiner Einstellungsbegründung führte der Staatsanwalt des Bezirks Magdeburg aus: „Unter Berücksichtigung dieser Umstände hat der Beschuldigte die Gesellschaftsgefährlichkeit seiner Tat weitestgehend beseitigt“. Richtigerweise hätte jedoch dieses Verfahren nach § 164 Abs. 1 Ziff. 1 StPO eingestellt werden müssen, da der Täter durch seine freiwillige Meldung bei den Sicherheitsorganen und durch seine Mitarbeit bei der Aushebung von Agentennestern seine früher begangenen Verbrechen wiedergutgemacht hatte. Das Untersuchungsorgan und der Staatsanwalt hatten die Überzeugung gewonnen, daß der Täter in Zukunft keine Spionagetätigkeit gegen die Deutsche Demokratische Republik mehr durchführen wird. Die Gesellschaftsgefährlichkeit des Täters ist damit restlos weggefallen. In ihrem Artikel „Zur Strafpolitik“ sagt Benjamin: „Wenn wir zu der Überzeugung kommen, daß wegen restlos entfallender oder wegen geringfügiger Folgen kein Verbrechen festzustellen ist, dann muß im Ermittlungsverfahren Einstellung nach § 164 Abs. 1 Ziff. 1 StPO erfolgen und im gerichtlichen Verfahren freigesprochen werden.“ Daraus muß man die notwendige Schlußfolgerung ziehen, daß auch die Untersuchungsorgane im Ermittlungsverfahren bereits die Möglichkeit einer Einstellung nach § 158 Abs. 1 Ziff. 1 StPO sorgfältig zu prüfen haben. Deshalb ist es richtig, wenn die Abt. U das Verfahren gegen mehrere Bauarbeiter nach § 158 Abs. 1 Ziff. 1 StPO eingestellt hat, die in stark angetrunkenem Zustande ein Spind zerschlugen, das Eigentum der Bauunion war, den Schaden aber wieder ersetzten, bevor eine Anzeige gegen sie er- stattet wurde. Wenn hier auch der Tatbestand der Sachbeschädigung erfüllt wurde, so ist der Schaden doch so geringfügig, daß die Einstellung ohne weiteres schon durch die Abt. K hätte erfolgen können. Der Staatsanwalt hat die Einstellungen durch die Volkspolizei zu überprüfen und den Mitarbeitern des VPKA Anleitung und Hinweise für ihre Arbeit zu geben. Allerdings muß jedes Verfahren, das durch die Volkspolizei eingestellt wurde, bei einer Kontrolle dem Staatsanwalt vorgelegt werden, damit solche Fehler, wie sie bei dem VPKA Grevesmühlen aufgetreten sind, vermieden werden. Aus dem Ermittlungsverfahren des VPKA gegen den Großbauern Z. geht hervor, daß dieser Großbauer der LPG zwei Ferkel gestohlen und von einem Arbeiter der LPG 25 Säcke gekauft hatte. Ferner hatte er längere Zeit mit Genehmigung des LPG-Vor-sitzenden den der LPG gehörenden Traktor benutzt. Da er diesen Traktor kaufen wollte, füllte er bei dessen Rückgabe in den Ölbehälter Sand und Wasser ein und setzte dadurch den Traktor außer Betrieb. Danach befragt, weshalb er dieses Verbrechen begangen habe, gab er an, daß die Mitglieder der LPG den Traktor nicht verkauft hätten, wenn er fahrbereit gewesen wäre. Z. hatte ferner mehrmals versucht, KVP-Angehörige zur Republikflucht zu überreden. Obwohl diese Dinge bekannt waren, gelang es dem Großbauern, republikflüchtig zu werden. Nach der Republikflucht wurde das Verfahren nach § 158 Abs. 1 Ziff. 1 StPO durch die Volkspolizei eingestellt. Diese Einstellung war falsch, denn es lagen einwandfrei mehrere von dem Großbauern Z. ausgeführte Verbrechen vor. Das Verfahren konnte nur vom Staatsanwalt nach § 164 Abs. 1 Ziff. 2 StPO vorläufig eingestellt werden. Gleichzeitig war die Einleitung von Fahndungsmaßnahmen notwendig. Bei einer ordnungsgemäßen Kontrolle des VPKA durch den Kreisstaatsanwalt wäre dieses Verfahren niemals nach § 158 Abs. 1 Ziff. 1 StPO eingestellt worden. Wir mußten feststellen, daß teilweise auch bei den Untersuchungsorganen noch zwei extreme Ansichten in der Anwendung des materiellen Verbrechensbegriffs vorhanden sind: zum einen die Tendenz, möglichst nicht selbst zu entscheiden und die Einstellung dem Staatsanwalt zu überlassen, zum anderen die Tendenz, möglichst viel selbst einzustellen. Beide Methoden zeugen davon, daß diese Kriminalisten noch nicht die politische und ökonomische Situation ausreichend kennen und daß aber auch die Staatsanwälte in diesen Fällen die Untersuchungsorgane nicht genügend anleiten. So hatte z. B. das VPKA Rostock ein Ermittlungsverfahren, das auf Grund eines Fahrraddiebstahls eingeleitet worden war, nach § 158 Abs. 1 Ziff. 1 StPO mit der Begründung eingestellt, eines der beiden gestohlenen Fahrräder sei wiederaufgefunden worden, es handele sich nur um unbefugten Gebrauch. In Wirklichkeit war das sichergestellte Fahrrad bereits im Besitz eines Dritten, der es von den unbekannt gebliebenen Tätern gekauft hatte. Hier wurde offensichtlich die Notwendigkeit der sorgfältigen Bearbeitung aller Fahrraddiebstähle wie sie die Bedeutung des Fahrrades für unsere Werktätigen verlangt völlig unterschätzt. Als Gegensatz dazu ein Fall aus dem Kreis Zschopau: Ein Rentner entwendete in einer Konsumverkaufsstelle ein Päckchen Puddingpulver im Werte von 0,35 DM. Das Verfahren wurde nicht vom Untersuchungsorgan eingestellt, sondern abgeschlossen und an den Staatsanwalt abgegeben. Dieser stellte das Verfahren auch nicht ein, sondern erhob Anklage. Das Kreisgericht er-öffnete sogar das Verfahren, und erst in der Hauptverhandlung stellte man dann fest, daß dieses Verfahren eingestellt werden mußte. Auch bei den Staatsanwälten und Richtern ist demnach nicht überall die notwendige Klarheit in dieser Frage vorhanden. Die Überprüfung der Einstellungen durch das Gericht in fast allen Kreisen des Bezirks Karl-Marx-Stadt zeigte ganz deutlich, daß ein großer Teil dieser Einstellungen bereits durch das Untersuchungsorgan oder durch den Staatsanwalt hätte erfolgen müssen. In einzelnen Fällen wäre nicht einmal die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens erforderlich gewesen. Auch die Richter haben in diesen Fällen unkritisch die Anklage entgegengenommen und unberechtigt das Verfahren eröffnet. Allerdings konnte festge- 555;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

Auf der Grundlage der Verordnung können gegen Personen, die vorsätzlich oder fahrlässig Berichterstattungen veranlassen oder durchführon und nicht für eine solche Tätigkeit befugt waren, Ordnungsstrafen von, bis, ausgesprochen werden. In diesem Zusammenhang ist immer davon auszugehen, daß ein Handeln, sei in mündlicher oder schriftlicher Form, welches den Boden des Eingabengesetzes nicht verläßt, im Regelfall keine schädigenden Auswirkungen für die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der oder gegen verbündete Staaten gerichtete Angriffe zu propagieren; dem demonstrativen Ablehnen von gesellschaftlichen Normen und Positionen sowie Maßnahmen des sozialistischen Staates und seiner Organe und der Bekundung einer Solidarisierung mit gesellschaftsschädlichen Verhaltensweisen oder antisozialistischen Aktivitäten bereits vom Gegner zu subversiven Zwecken mißbrauchter Ougendlicher. Die im Rahmen dieser Vorgehensweise angewandten Mittel und Methoden sowie die vom politischen System und der kapitalistischen Produktionsund Lebensweise ausgehenden spontan-anarchischen Wirkungen. Im Zusammenhang mit der Beantwortung der Frage nach den sozialen Ursachen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen; das rechtzeitige Erkennen und Unwirksammachen der inneren Bedingungen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen, insbesondere die rechtzeitige Feststellung subjektiv verur-V sachter Fehler, Mängel, Mißstände und Unzulänglichkeiten, die feindlich-negative Einstellungen und Handlungen die statistische Gesamtheit aller feindlich-negativen Einstellungen und Handlungen dar, die in der gesamten Gesellschaft die Bedeutung einer gesellschaftlich relevanten Erscheinung haben. Als Einzelphänomen bezeichnen feindlich-negative Einstellungen und Handlungen Ausgewählte spezifische Aufgaben Staatssicherheit auf sozialen Ebene der Vorbeugung feindlich-nega und Handlungen der allgemein tiver Cinsteilun-. Das Staatssicherheit trägt auf beiden Hauptebenen der Vorbeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen in Rahnen der politisch-operativen Tätigkeit Staatssicherheit Theoretische und praktische Grundlagen der weiteren Vervollkommnung der Vorbeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen und der ihnen zugrunde liegenden Ursachen und ßedin- qunqen. Im Abschnitt der vorliegenden Arbeit wurde das Grundanliegen der Vorbeugung im Zusammenhang von sozialistischer Gesellschaftsentwicklung und Vorbeugung dargestellt.

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