Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 490

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 490 (NJ DDR 1955, S. 490); das geltende allgemeine Strafrecht so zurechtzubiegen, daß es diesen Zweck erfüllen kann. Der Kieler Strafrechtsprofessor Schröder eröffnete den Reigen mit einem Gutachtens). Für ihn ist jeder Streik „Drohung mit einem Unterlassen, das sich als empfindliches Übel für den Arbeitgeber darstellt und zweifellos die Voraussetzungen des § 240 StGB erfüllt“з 4). Die eigentliche Problematik liege im Strafrecht bei der „Rechtswidrigkeit“. Die kautschukartige sprachliche Abfassung des § 240 Abs. 2 StGB, die nach Schröder „nur eine im Einzelfalle zu entscheidende und zu wertende Relation von Mittel und Zweck als maßgebendes Kriterium“5 *) aufstelle, ermöglicht dem wertenden Richter die von den Imperialisten jeweils gewünschte Grenzziehung „zwischen zulässiger und verbotener Willensbeugung“. Schröder greift bei seinen Darstellungen auf die Entscheidungen des imperialistischen Reichsarbeitsgerichts zurück5). Von diesem Standpunkt aus ist natürlich für Schröder der „politische Streik, gleich welchen politischen Zielen er dient“, verboten7). Doch erscheint dieses Gutachten noch relativ harmlos, verglichen mit jüngeren Elaboraten, deren schamlosestes, reaktionärstes bisher ohne Zweifel wohl die von dem Mainzer Strafrechtler Niese verfaßte Broschüre mit dem Titel „Streik und Strafrecht“ darstellt8). Niese ist ein glühender Anhänger der von Welzel propagierten finalen Handlungslehre und begrüßt die Herrschaft, die diese Lehre in der westdeutschen Rechtsprechung mit dem berüchtigten Beschluß des Großen Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 18. März 1952 errungen hat9). Dieser Beschluß bildet daher auch die Grundlage für Nieses Arbeit. Der 'hier entschiedene Fall zu § 240 StGB ist für Niese „geradezu das Modell der .Streikdrohung einer Einzelperson“ sit venia verbo!“10 *). Der Verfasser stellt sich mit seiner Arbeit die Aufgabe „zu untersuchen, wie das geltende Strafrecht auf den Streik reagiert, um danach einerseits festzustellen, wieweit das geforderte Arbeitskampfgesetz nötig erscheint, und andererseits, ob sich für das Strafrecht selbst das Bedürfnis nach Änderungen oder Ergänzungen ergibt.“11) Er versucht, seine „Objektivität“ und „Wissenschaftlichkeit“ dadurch unter Beweis zu stellen, daß er sich auf unveröffentlichte Strafurteile gegen Streikende stützt, die „anscheinend von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände“ gesammelt wurden12). Niese kommt zu der Auffassung, daß eine besondere Strafgesetzgebung zur Bekämpfung des Streiks nicht notwendig ist, da „das Strafrecht bei sachgerechter Anwendung der Schuldtheorie in jeder Richtung ausreichenden Schutz bietet“13). Für ihn ist der Streik nicht mehr unter dem Gesichtspunkt eines sog. unechten Unterlassungsdeliktes zu prüfen; vielmehr sei der „kollektive Zusammenschluß, der organisierte Wille von Millionen“, das „positive Element з) Schröder, Gutachten „Streik und Strafrecht“, in „Betriebsberater“ 1953 S. 1015 1019. ) a. a. O. S. 1015. s) a. a. O. S. 1016. Durch das 3. Strafrechtsänderungsgesetz vom 4. August 1953 hatte § 240 StGB folgenden Abs. 2 erhalten: „Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist“ (BGBl. I S. 35 ff.). ) z. B. RAG ArbRSlg. Bd. 1, S. 100; Schröder, a. a. O. S. 1016 (Fußnote 4). ’) a. a. O. S. 1017. s) Werner Niese, „Streik- und Strafrecht“, Tübingen 1954. Ein ähnliche Monographie von Osswald, „Der Streik und die ihm durch das Strafrecht gezogenen Grenzen“ erschien als Heft 11 der Schriftenreihe der „Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände“, ebenfalls 1954. 9) vgl. hierzu Lekschas in „Staat und Recht“ 1954, Heft 4, S. 468 ff. Gerade die von Lekschas aufgedeckte Methode, die Grundsätze zur Unterdrückung der fortschrittlichen Kräfte an möglichst „harmlosen“, den Kern der Dinge kaum berührenden Fällen zu entwickeln, wird durch Niese eindeutig bestätigt. 10) Niese, a. a. O. S. 35. и) Niese, a. a. O. S. 169. 1!) So Bauer in „Arbeit und Recht“ 1955 S. 65. 13) Niese, a. a. O. S. 170. (Hervorhebungen von uns D. Verf.) einer aktiven Kraftentfaltung“, das sich zu dem bloßen Nichtarbeiten geselle und jedem Streik den „sozialen Charakter eines positiven Tuns“ verleihe14). Damit hat Niese sich den Ausgangspunkt geschaffen, um mit Hilfe des „modernen“ imperialistischen Verbrechensbegriffs, dessen Klassenfunktion für uns dabei besonders deutlich wird, jeden Streik unter die Strafbestimmungen der Nötigung oder Erpressung usw. zu subsumieren: 1. Jeder Streik ist auf dieser Grundlage immer eine „tatbestandsmäßige Drohung mit einem empfindlichen Übel“ im Sinne des § 240 StGB. Jedem Streik haftet gewissermaßen die Anrüchigkeit der „Tatbestandsmäßigkeit“ an. 2. Die „unrechtindizierende Funktion des Tatbestandes“ entfällt zwar für den „rein wirtschaftlichen“ Streik, weil der Streik als ein „spezielles Attribut der Koalitionsfreiheit“ und als ein „exzeptionelles Selbsthilfe- oder Fehderecht einen Rechtfertigungsgrund“ darstelle15). Das Streikrecht der Arbeiterklasse erhält hierbei die Anrüchigkeit eines gewissermaßen atavistischen Restes und Überbleibsels aus dem Feudalismus16). Schröder hatte in dem erwähnten Gutachten darauf hingewiesen, daß die eigentliche Problematik bei der „RechtsWidrigkeit“ liegt. Von Niese erfahren wir, wie diese „Problematik“ zu lösen ist. Der „gerechtfertigte“ (wohlgemerkt „rein wirtschaftliche“) Streik verliere seine „Rechtfertigung“, wenn „er die Grenze des Erlaubten überschreitet und nunmehr seine Anwendung einen sozial-ethisch unerträglichen Willenszwang darstellt“17). So hat Niese dem Streik theoretisch seine Grenze mit der „sozial-ethischen Verwerflichkeit“ gezogen. Es handelt sich also um ein durchaus subjektivisti-sches Kriterium, denn diese „Feststellung“ ist natürlich von den „sozial-ethischen“ Anschauungen und Vorstellungen des Richters abhängig, der ja auch erst „durch eine positive Wertung die Rechtswidrigkeit“ feststellen muß18). Dieser „Wertung“ liegen natürlich die „herrschenden politisch-moralischen Anschauungen“ zugrunde, die sich in Wirklichkeit als die politisch-moralischen Anschauungen der Herrschenden, d. h. der Großbourgeoisie, entpuppen. Durch den Mund ihrer beamteten Richter (man denke an das westdeutsche Rechtsmittelsystem, die Gerichtsverfassung und insbesondere an die Rolle des BGH) kann sie zu jeder Zeit, je nach der Klassensituation, für jeden Streik die gewünschte Grenze ziehen, die „sozial-ethische Verwerflichkeit“ des Streiks feststellen und damit faktisch das Streikrecht auf ein Minimum reduzieren oder gänzlich beseitigen19). 3. Das erste „Unwerturteil“ über den Streik begründet leicht die zweite „sozial-ethische Mißbilligung“ des Streikenden, seine strafrechtliche „Schuld“. („Schuld ist Vorwerfbarkeit“, sagte der BGH in seinem von Niese gepriesenen Beschluß vom 18. März 1952 BGH ) a. a. O. S. 25. Niese hat damit die Argumentation „widerlegt“, die eine „Tatbestandsmäßigkeit“ bei einer Drohung mit einem Unterlassen (Nicht arbeiten) deswegen verneinte, weil für die Arbeiter keine Rechtspflicht zum Arbeiten usw. besteht (sog. unechtes Unterlassungsdelikt). 1S) Niese, a. a. O. S. 38. Für Niese ist der Streik also nicht etwa wie man annehmen könnte wegen seiner „sozialen Adäquanz“ rechtmäßig; das setze „eine viel stärkere Verwurzelung in Recht und Leben“ voraus (S. 33). Seine Anerkennung erfolgt wegen eines „Interessenübergewichts“ als Ergebnis eines „eigenartigen Spannungsverhältnisses, in dem unserer arbeitsteiligen, aufs engste ineinander verflochtenen Wirtschaft das ,Arbeitsplatzpotential‘ und das ,Ar-beitskraftpotential1 zueinander stehen“ (S. 38. Hervorhebungen von uns D. Verf.). i) Diese Bewertung und Diskriminierung des Streikrechts kommt auch bei Schröder, a. a. O. S. 1017, zum Ausdruck. Er spricht nämlich genau wie der BGH in seinem Urteil vom 19. Oktober 1954 vom „sogenannten Streikrecht“. U) Niese, a. a. O. S. 50. **) Niese, a. a. O. S. 22. 19) Bauer wirft Niese vor, „eine Privatethik zur allgemein verbindlichen Sozialethik zu stempeln“ (in „Arbeit und Recht“ 1955 S. 67). Er verkennt dabei, daß es nicht um Nieses „Privatethik“ geht, sondern daß Niese wie die Entscheidungen des BGH beweisen nur einer der Ideologen der Großbourgeoisie ist, die das Ziel verfolgt, jede Gesetzlichkeit im Interesse der Aufrechterhaltung ihrer Klassenherrschaft durch subjektivisti-sche Methoden und Theorien aufzulösen. Daher stimmt es auch nicht, wenn Bauer Niese weiter vorwirft, er ziehe sich „in den Elfenbeinturm eines sine ira et studio subsumierenden Strafrechtlers“ zurück. 490;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 490 (NJ DDR 1955, S. 490) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 490 (NJ DDR 1955, S. 490)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

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