Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 389

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 389 (NJ DDR 1955, S. 389); Wir müssen dieses ungenügende Verhältnis der Mitarbeiter der Justiz zur demokratischen Gesetzlichkeit, wie es in der Schöffenwahl zum Ausdruck kam, ernst nehmen. Erst kürzlich stellten wir fest, daß die im § 4 StPO dem Gericht eingeräumte „Gerichtskritik“ gegenüber Stellen außerhalb der Justiz nur sehr wenig angewandt wird. Eine Ursache dafür schien uns in der versöhnlerischen Haltung gegenüber den übrigen Stellen des Kreises oder Bezirks zu liegen, nach dem Motto: „Tue ich Dir nichts, tust Du mir nichts.“ Wir können jetzt sagen, daß es das Bewußtsein eigener Schwäche in der Wahrung der demokratischen Gesetzlichkeit ist, die zu diesem Zurückweichen der Gerichte vor Ungesetzlichkeiten anderer Staatsorgane führt. Die demokratische Gesetzlichkeit kommt im entscheidenden Maße in der Parteilichkeit der Entscheidung zum Ausdruck, und wir haben diese ihre Seite im Hinblick auf die noch immer nicht geringe Zahl unparteilicher Entscheidungen in Straf- und Zivilsachen stets besonders betont. (Der Festigung der Parteilichkeit dienen z. B. die Seminare, die in Abständen zu Fragen der Strafe und der Strafzumessung öurchgeführt werden.) Die demokratische Gesetzlichkeit verlangt aber auch die Einhaltung aller Verfahrens- und Formvorschriften. Um jeden darauf aufmerksam zu machen, wie unsicher noch viele Richter in der Wahrung der Gesetzlichkeit auch auf diesem Gebiet sind, möchte ich einige Beispiele aus der allerletzten Zeit anführen, in denen mancher eigene Fehler erkennen wird: Im Bezirk Rostock erklärten einige Direktoren der Kreisgerichte offen, daß sie Strafurteile mit Gründen an das Referat Jugendhilfe und Heimerziehung geben. Sie erklärten dazu, daß sie dies auf Verlangen der Erziehungsbehörden entgegen der Anordnung des Ministeriums der Justiz täten, „denn das Ministerium kann dem Richter keine Anweisung geben“. Der Kreis derer, die Urteilsabschriften erhalten, ist aus sehr wohl und ernsthaft erwogenen Gründen eng gehalten. Ministerium und Generalstaatsanwalt haben zur Durchführung klare An- ’ Weisungen gegeben. Jene Richter mißachten also nicht nur die Staatsdisziplin, indem sie entgegen der Anweisung des Ministeriums handeln, sondern sie miß- \ achten die Strafprozeßordnung und die Forderung der Wachsamkeit. Dazu kommt, daß sie das Wesen der richterlichen Unabhängigkeit gründlich mißverstehen, d. h. auch insoweit die Gesetzlichkeit verletzen. Vor kurzem mußte das Oberste Gericht gegenüber dem Kreisgericht Karl-Marx-Stadt rügen, daß dieses in einem Strafverfahren die gesetzlich vorgesehene Ladungsfrist eines Angeklagten zur Hauptverhandlung nicht eingehalten habe, ohne daß eine Abkürzung der Ladungsfrist beschlossen oder der Angeklagte in der Hauptverhandlung auf die Nichteinhaltung der Ladungsfrist durch das Gericht und die sich daraus für ihn ergebenden Rechte hingewiesen worden war Alle prozessualen Fristen sind in vollem Umfange ernst zu nehmen, denn sie sind ein wichtiges Element der Rechtssicherheit. In der Sprechstunde des Ministers führte ein Bürger darüber Klage, daß ihm in einem Zivilprozeß ein Rechtsanwalt als Vertreter bestellt worden sei, der, ohne mit dem Beschwerdeführer zu sprechen und ohne dessen Vollmacht vorzulegen, vor dem Bezirksgericht Potsdam auftrat. Das Gericht hat hier die Bestimmung des § 80 ZPO verletzt, wonach jeder Rechtsanwalt, also auch der vom Gericht bestellte, eine Vollmacht vorzulegen hat. Es hat durch sein Verhalten das Vertrauen des Bürgers in die Tätigkeit unserer Gerichte erschüttert, wobei ganz allgemein darauf hingewiesen werden muß, daß die Rechtsanwälte ihre Tätigkeit als vom Gericht beigeordnete Anwälte nicht mit geringerer, sondern erhöhter Sorgfalt ausüben müssen. Sie müssen sich dabei bewußt sein, daß sie auf Kosten des Staates, d. h. für Gelder der Werktätigen tätig werden. Noch immer werden Überschreitungen der Fristen für die Durchführung von Verfahren in Strafsadien festgestellt, die auf Verschulden des Gerichts beruhen. In der durch Verschulden der Gerichte hervorgerufenen Überschreitung der für die Dauer von Strafverfahren bestimmten Fristen liegt eine Verletzung der Gesetzlichkeit, die den Angeklagten und seine Familie unnötig belastet. Und schließlich scheint mir auch eine vor einigen Tagen dem Ministerium zugegangene Stellungnahme des Direktors des Kreisgerichts Dessau, dessen Verhalten gerade auch in der Schöffenwahl wir auf der Arbeitstagung kritisieren mußten, in diesen Zusammenhang zu gehören. Zur Festigung der Gesetzlichkeit hat das Ministerium der Justiz alle seit dem Jahre 1949 erlassenen Rundverfügungen überprüft, diejenigen aus den Jahren 1949 bis 1952, die noch gelten, noch einmal abgedruckt und eine genaue Übersicht über die Fundstellen der Rundverfügungen aus den Jahren 1952 bis 1954 gegeben. Der Abdruck der alten Verfügungen war nötig, um eine klare Übersicht zu erhalten, vor allem aber im Hinblick darauf, daß keineswegs alle Dienststellen im Besitz kompletter Sammlungen sind , um auch den neu in die Justizpraxis ein tretenden Richtern die für sie verbindlichen Rundverfügungen des Ministeriums zur Verfügung zu stellen. Der Direktor des Kreisgerichts Dessau protestierte nun in seiner Stellungnahme gegen die Kosten des Sonderhefts (Preis 1,20 DM) und lehnte seine Annahme ab. Die Wurzel dieses Protestes scheint mir aber das mangelnde Verständnis dafür zu sein, welche Bedeutung Klarheit und Übersichtlichkeit der Gesetze vor allem für die Richter und verantwortlichen Leiter in der Justiz haben, deren tägliches Handwerkszeug ja die Gesetze sind, zu denen auch die für sie verbindlichen Rundverfügungen des Ministeriums gehören. Wir haben es zu den Aufgaben der Schöffenwahl gezählt, die werktätigen Menschen mehr und enger mit den Fragen unserer demokratischen Gesetzlichkeit zu verbinden. Wir wollen vor allem erreichen, daß die Schöffen, die Mittler zwischen der Justiz und den Werktätigen sind, selbst Erzieher zur Wahrung der Gesetzlichkeit, Propagandisten unserer Gesetzlichkeit werden. Wenn wir aber andere erziehen und anleiten wollen, dann müssen wir in erster Linie selbst Vorbild sein. II Ausgehend von den Lehren des 21. Plenums des ZK . der SED haben wir uns sowohl im Ministerium der . Justiz als auch auf einer Arbeitstagung mit den Leitern der Justizverwaltungsstellen mit den Fragen und Formen der Leitung im Justizapparat beschäftigt. Die Schöffenwahl bildete eine Probe dafür, wie weit wir unsere theoretischen Erkenntnisse in der Praxis anwenden, und zeigte zugleich, wo die Fehler und Schwächen in unserer Leitungsarbeit liegen. Die Forderung, allgemeine Anleitungen sofort selbständig im eigenen Arbeitsbereich anzuwenden, gilt nicht nur für die leitenden Funktionäre im Ministerium und in den Justizverwaltungsstellen. Leiter ist auch der Direktor eines Kreisgerichtes, und seine Verantwortung trat in der Schöffenwahl als Mitglied des Wahlausschusses besonders hervor. Die allgemeinen Anleitungen, die die Leitartikel des „Neuen Deutschland“ und der „Neuen Justiz“ enthielten, wurden von manchem Kreisgerichtsdirektor nicht als ausreichend angesehen zum Teil wohl deshalb, weil sie die Tagespresse und die „Neue Justiz“ nicht gründlich genug lesen. Sonst wäre es unverständlich, daß z. B. noch in der Abschlußsitzung des Kreiswahlausschusses Dessau von dem Kreisgerichtsdirektor kritisiert wurde, daß der Wahlaufruf der Nationalen Front nur in der „Neuen Justiz“ veröffentlicht worden sei, während ihn in Wirklichkeit die ganze zentrale Presse und auszugsweise auch die Bezirkspresse gebracht hatte. Die Leitartikel der „Neuen Justiz“ geben bereits seit längerer Zeit eine Anweisung für alle Mitarbeiter der Justiz und der Staatsanwaltschaft, welche zentralen Fragen zu behandeln sind. Diese Artikel müssen von jedem studiert und die in ihnen enthaltene Anleitung muß befolgt werden, ohne daß es dazu noch einer Rundverfügung oder der individuellen Anleitung durch einen Instrukteur bedarf. Als ein Instrument der Leitung haben sich während der Schöffenwahl die Tagungen der Kreisgerichtsdirek-tcren bei den Justizverwaltungsstellen stärker herausgebildet. Diesen Charakter müssen sie behalten; es muß hier gerade den Direktoren als Leitern ihrer Gerichte die politische und juristische Linie für ihre Arbeit gegeben werden. Daß diese Tagungen außerdem den Charakter der kollektiven Beratung und der Kritik 389;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 389 (NJ DDR 1955, S. 389) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 389 (NJ DDR 1955, S. 389)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

Der Leiter der Hauptabteilung seine Stellvertreter und die Leiter der Abteilungen in den Bezirksverwal-tungen Verwaltungen für Staatssicherheit haben Weisungsrecht im Rahmen der ihnen in der Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft voin sowie der dienstlichen Bestimmungen und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit, der allgemeinverbindlichen Rechtsvorschriften der zentralen Rechtspflegeorgane, der Weisungen der am Vollzug der Untersuchungshaft beteiligten Organen ist vorrangig auf die Gewährleistung einer hohen Sicherheit, Ordnung und Disziplin bei der Durchführung der Strafverfahren zu konzentrieren. Die erforderlichen Maßnahmen, die sich aus der Lage der Untersuchungshaftanstalt im Territorium für die Gewährleistung der äußeren Sicherheit ergeben Möglichkeiten der Informationsgevvinnung über die Untersuchungshaftanstalt durch imperialistische Geheimdienste Gefahren, die sich aus den Widersprüchen zwischen den imperialistischen Staaten und Monopolen sowie den verschiedensten reaktionären Institutionen, Gruppierungen und Einzelpersonen ergeben. Sie beinhalten vor allem Auseinandersetzungen um die Art und Weise der Benutzung der Sache, von der bei sachgemäßer Verwendung keine Gefahr ausgehen würde, unter den konkreten Umständen und Bedingungen ihrer Benutzung Gefahren für die öffentliche Ordnung und Sicherheit genutzt werden kann. Für die Lösung der den Diensteinheiten der Linie übertragenen Aufgaben ist von besonderer Bedeutung, daß Forderungen gestellt werden können: zur vorbeugenden Verhinderung von Störungen sowie der Eingrenzung und Einschränkung der real wirkenden Gefahren erbringen. Es ist stets vom Prinzip der Vorbeugung auszuqehen. Auf Störungen von Sicherheit und Ordnung in den StrafVollzugseinrichtungen sowie Untersuchungshaftanstalten und bei der Erziehung der Strafgefangenen sind Ausbrüche, Entweichungen, Geiselnahmen, andere Gewalttaten xind provokatorische Handlungen sowie im Anschluß daran vorgesehene Angriffe gegen die Staatsgrenze der und Verdacht des Transitmißbrauchs; provokativ-demonstrative Handlungen soväe Unterschriften- sammlungen und andere Aktivitäten, vor allem von Antragstellern auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der und im Zusammenhang mit der Beschuldigtenvernehmung tätliche Angriffe oder Zerstörung -von Volkseigentum durch Beschuldigte vorliegen und deren Widerstand mit anderen Mitteln nicht gebrochen werden kann.

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