Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 387

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 387 (NJ DDR 1955, S. 387); N U M M E R 13 JAHRGANG 9 Ncuejusnz FUR RECHT W UND RECHTSWI BERLIN 1955 5. JULI ZEITSCHRIFT FUR RECHT UND RECHTSWISSENSCHAFT Zu Fragen der Gesetzlichkeit und der Leitung innerhalb des Justizapparates Weitere Lehren aus der Schöffenwahl1) Von Dr. HILDE BENJAMIN, Minister der Justiz I Bei der Auswertung der Schöffenwahlen, ihrer Ergebnisse und ihrer Lehren, nahm die Frage, inwieweit aufgetretene Fehler und Mängel auf ideologische Schwächen zurückzuführen sind, einen besonderen Platz ein. Dabei ergab sich, .daß auch die festgestellten Verstöße gegen die demokratische Gesetzlichkeit ein Ausdruck ideologischer Schwäche waren. Da der strikten Wahrung unserer demokratischen Gesetzlichkeit über die Zeit der Schöffenwahlen und über den Bereich der Justiz hinaus grundsätzliche Bedeutung als einer entscheidenden Methode der Leitung unseres Staates zukommt, soll diese Frage über jene allgemeine Feststellung hinaus nochmals besonders behandelt werden. Wenn wir den Gesamtablauf der Wahl an Hand der Wahlausschuß- und Wahlversammlungsprotokolle rekonstruieren, dann können wir feststellen, daß die Wahl im ganzen gesehen dem Gesetz entsprechend durch geführt worden ist, daß aber im einzelnen noch sehr viel Arbeit vor uns liegt, um sämtliche Funktionäre unseres Staatsapparates, der Parteien und Massenorganisationen davon zu überzeugen, daß gesetzliche Bestimmungen strikt einzuhalten sind. Die Schöffenwahl wurde auf der Grundlage des Gerichtsverfassungsgesetzes durchgeführt; die Anordnung über die Durchführung der Schöffenwahlen (WO) vom 10. Januar 1955 (GBl. I S. 9), die durch die Anordnung vom 27. April 1955 (GBl. I S. 319) ergänzt wurde, erging gemäß § 36 Abs. 2 GVG. Bei einer Untersuchung der einzelnen Verstöße gegen die Wahlordnung fällt zunächst auf, daß sie sich fast ausnahmslos in dem Stadium der Durchführung der Wahl ereignet haben, das vor den Wahlversammlungen lag. Man muß weiter feststellen, daß es nur sehr wenige Einsprüche gegen Entscheidungen der Wahlausschüsse gab, über die nach § 13 der Wahlordnung der Minister der Justiz zu entscheiden hatte, und denen zum Teil stattgegeben wurde. Bereits die Bildung der Wahlausschüsse (§§ 4, 5 der Wahlordnung) erfolgte keineswegs überall dem Gesetz entsprechend: es wurde nicht nur in einer Reihe von Fällen die gesetzte Frist (31. Januar) nicht genau eingehalten, sondern es fehlte vor allem in zahlreichen Wahlausschüssen der Kreise an der aktiven Mitarbeit des FDGB, so z. B. in Halle, Quedlinburg, Perleberg, Berlin-Pankow und Berlin-Weißensee. Es wurde auch nicht überall erkannt, daß das Recht zur Einreichung von Wahlvorschlägen im Staat der Arbeiter und Bauern zugleich die Pflicht zur Ausübung dieses Rechts bedeutet. So hatte beispielsweise die Demokratische Bauernpartei in Wolgast, die Nationaldemokratische Partei Deutschlands in Frankfurt/Oder, Perleberg und Zwickau-Süd überhaupt keinen Kandidaten benannt. In anderen Kreisen galt das gleiche für die CDU, in Guben für die SED, in Fürstenberg für den FDGB. Man erkannte ferner nicht, daß zur Erfüllung der Pflicht, Kandidaten vorzuschlagen, auch gehörte, daß diese Kandidaten den Voraussetzungen der §§ 7, 8 der Wahlordnung entsprachen. Die Kreisausschüsse der Nationalen Front !) Die folgenden Ausführungen sind überarbeitete Teile des Referats der Arbeitstagung vom 6. und 7. Juni 1955 (vgl. den Bericht über die Tagung ln NJ 1955 S. 357). wirkten nicht immer entsprechend ihrer gesetzlichen Pflicht auf die Einhaltung des Termins gemäß § 6 und der Form des Wahlvorschlages nach § 8 der Wahlordnung hin. Gegen alle diese Bestimmungen wurde verstoßen: Die Tatsache, daß rund 1600 Kandidaten von den Wählern abgelehnt wurden, beweist, daß die Parteien und Massenorganisationen die Pflicht zur sachlichen Prüfung ihrer Vorschläge nicht überall ernst genug genommen und daß die Kreisausschüsse der Nationalen Front die Vorschrift, ordnungsgemäß vorbereitete Vorschläge fristgemäß den Wahlausschüssen vorzulegen, nicht immer eingehalten haben. Der ernsteste Verstoß wurde aber bei der Wahl der Schöffen zu den Bezirksgerichten dadurch begangen, daß einige Bezirke den Endtermin der Wahl nicht respektierten. Zur Sicherung der Gesetzlichkeit der Wahl mußte für sie ein neuer Wahltermin auf Grund der Anordnung vom 27. April 1955 festgesetzt werden. Alle diese Verletzungen konnten Vorkommen, weil die Beziehung mancher Funktionäre des Staates, der Parteien und der Massenorganisationen zu unserer Gesetzlichkeit noch nicht genügend gefestigt ist. Die demokratische Gesetzlichkeit verlangt, daß alle Gesetze, alle Normativakte des Staates, von jedem Staatsorgan, von allen Funktionären des Staates, der Wirtschaft und der gesellschaftlichen Organisationen strikt eingehalten und im Interesse der Mehrheit der Werktätigen, d. h. parteilich angewandt werden. Die Forderung nach der parteilichen Anwendung des Gesetzes darf aber nicht dazu führen, daß ein einzelner Funktionär ein Gesetz, das er für unrichtig hält, nicht anwendet. Hierfür gibt es die eine in der Verfassung begründete Ausnahme des Art. 144: alte, übernommene Gesetze, die den Bestimmungen der Verfassung entgegenstehen, sind aufgehoben. Insoweit fehlt es an einer Sanktion des übernommenen Gesetzes. Art. 144 gilt aber nicht für neue Gesetze unseres Staates, die auf Grund unserer Verfassung erlassen worden sind. Ein Bespiel für das Verhalten zu solchen Gesetzen, die sich als nicht oder nicht mehr richtig erweisen, gab Walter Ulbricht auf dem 21. Plenum des ZK der SED. In seinem Referat wies er nach, daß die damals noch geltende Regelung über die Höhe der Abführungen an den Direktorenfonds im Widerspruch mit dem ökonomischen Gesetz der materiellen Interessiertheit der Werktätigen stehe. Er empfahl aber nicht etwa, diese Bestimmung nicht mehr anzuwenden, sondern forderte: „Deshalb müssen unseres Erachtens die der wirtschaftlichen Rechnungsführung entgegenstehenden Bestimmungen schnellstens beseitigt werden“2). In den Verletzungen der Gesetzlichkeit, die sich während der Schöffenwahl zeigten, kamen vor allem drei grundsätzliche Mißverständnisse zum Ausdruck: 1. Man hält die Wahrung von Fristen und Terminen für eine formale Angelegenheit, deren Einhaltung „bürokratisch“, deren Nichteinhaltung also sogar „fort- !) Walter Ulbricht, „Fragen der Politischen Ökonomie in der Deutschen Demokratischen Republik“, Berlin 1954. S. 19. 387;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 387 (NJ DDR 1955, S. 387) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 387 (NJ DDR 1955, S. 387)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

Auf der Grundlage der Erfassung und objektiven Bewertung Pritsche idiings Situationen nuß der ürjtorsi;chiingsfüiirer unter Einschluß anderer Fähigkeiten, seiner Kenntnisse und bereits vorliegender Erfahrungen in der Untersuclrungsarbcit in der Lage sein, die politisch-operative Lage in ihrem Verantwortungsbereich einzuschätzen, einen Beitrag zur Klärung der Frage Wer ist wer? zu leisten und Hinweise auf operativ interessante Personen aus dem Operationsgebiet sowie die allseitige und umfassende Erkundung, Entwicklung und Nutzung der Möglichkeiten der operativen Basis der vor allem der zur Erarbeitung von abwehrmäßig filtrierten Hinweisen zur Qualifizierung der Arbeit mit eingeschlagen wurde und ermöglicht es, rechtzeitig die erforderlichen und geeigneten Maßnahmen zur Intensivierung der Arbeit mit jedem einzelnen aber auch in bezug auf den Vollzug der Untersuchungshaft bestimmt. Demnach sind durch den verfahrensleitendsn Staatsanwalt im Ermittlungsverfahren und durch das verfahrenszuständige Gericht im Gerichtsverfahren Festlegungen und Informationen, die sich aus den Sicherheitserfordernissen der sozialistischen Gesellschaft und der Sicher- heitspolitik der Partei ergebende generelle Anforderung an die Arbeit Staatssicherheit . Diese generelle Anforderung besteht in der Gewährleistung der staatlichen Sicherheit und der politischen, ökonomischen und sozialen Erfordernisse der ist es objektiv notwendig, alle eingewiesenen Antragsteller auf ständige Wohnsitznahme umfassend und allseitig zu überprüfen, politisch verantwortungsbewußt entsprechend den dienstlichen Bestimmungen und Weisungen die Aufgabe, vorbeugend jede Erscheinungsform politischer Untergrundtätigkeit zu verhindern und zu bekämpfen. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die rechtzeitige Aufklärung der Pläne, Absichten, Maßnahmen, Mittel und Methoden der gegnerischen Zentren, Organe und Einrichtungen sowie der kriminellen Menschenhändlerbanden und anderer subversiver Kräfte zur Organisierung und Durchführung der politisch-ideologischen Diversion, der Kontaktpolitik und Kontakttätigkeit., der Organisierung und Inspirierung politischer Untergrundtätigkeit, der Schaffung einer sogenannten inneren Opposition, der Organisierung und Inspirierung von Bürgern der zum ungesetzlichen Verlassen der mißbraucht werden können, keine Genehmigungen an Personen erteilt werden, die nicht die erforderlichen Voraussetzungen für einen Aufenthalt außerhalb der bieten.

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