Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 349

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 349 (NJ DDR 1955, S. 349); Entscheidungen anderer Gerichte Zivilrecht und Familienrecht § 48 EheG. Befindet sich die Ehefrau in Lebensverhältnissen, die ihr und den minderjährigen Kindern die größten Entwicklungsmöglichkeiten gewährleisten, so ist die Aufrechterhaltung ihrer unheilbar zerrütteten Ehe weder sittlich gerechtfertigt, noch liegt sie im wohlverstandenen Interesse der Kinder. KrG Tangerhütte, Urt. vom 26. Januar 1955 3 Ra 1/55. Die 1917 geborenen Parteien haben am 22. Juni 1940 die Ehe miteinander geschlossen. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen, die heute 13, 12 und 3 Jahre alt sind. Seit dem 29. April 1951 leben die Parteien getrennt. Der Kläger hat Klage erhoben mit dem Antrag, die Ehe der Parteien gemäß § 48 EheG ohne Schuldausspruch zu scheiden und die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben. Zur Begründung hat er im wesentlichen vorgetragen, daß die Ehe der Parteien schon seit Jahren völlig und unheilbar zerrüttet sei, und daß die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten schon fast vier Jahre aufgehoben sei. Er habe schon zweimal Klage auf Ehescheidung aus Verschulden der Beklagten erhoben, sei aber beidemal mit seiner Klage abgewiesen worden. Die Ehe habe ihren Sinn und Zweck für die Eheleute und die Gesellschaft verloren. Die Beklagte hat den Antrag gestellt, den Kläger mit seiner Klage abzuweisen. Sie hat Widerspruch gegen die Scheidung erhoben und diesen damit begründet, daß das wohlverstandene Interesse der minderjährigen Kinder die Aufrechterhaltung der Ehe der Parteien erfordere. Die auf § 48 Ehegesetz gestützte Klage ist begründet. Aus den Gründen: Wie aus dem Urteil 3 Ra 33'53 ersichtlich ist, und die Beweisaufnahme durch 'Parteienvernehmung ergeben hat, leben die Parteien seit fast 4 Jahren getrennt. Der Kläger hat sich zu dieser Zeit einer anderen Frau zugewandt und ist zu dieser gezogen. Er unterhält zu ihr schon seit Jahren ehebrecherische Beziehungen. Der Kläger hat sich seit seinem Fortzuge weder um seine Frau noch seine Kinder weiter gekümmert. Durch Unterhaltsklage mußte er zur Unterhaltszahlung angehalten werden. Der pflichtvergessene Vater kennt sein jetzt über drei Jahre altes Kind Fred überhaupt nicht, da er bei dessen Geburt schon von seiner Frau getrennt lebte. Außer der durch Urteil erzwungenen Unterhaltsleistung an seine Kinder kümmert der Kläger sich um diese überhaupt nicht. Er hat somit durch sein grobehewidriges Verhalten die Ehe der Parteien völlig und unheilbar zerrüttet. Das Gericht hatte nun zu prüfen, ob der von der Beklagten gemäß § 48 Abs. 2 und 3 EheG erhobene Widerspruch zu beachten war. Die Beklagte ist Genossenschaftsbäuerin. Sie ist 37 Jahre alt. Die LPG gibt ihr größte Entwicklungsmöglichkeiten. Durch Trennung des Ehebandes mit ihrem Mann entsteht für sie persönlich keine Schädigung; durch die Scheidung wird auch die rechtliche Stellung der Beklagten, die sich aus dem Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau ergibt, in keiner Hinsicht beeinträchtigt. Für die Kinder der Parteien besteht auch kein Interesse an der Erhaltung dieser Ehe. Ihr Vater kümmert sich schon fast 4 Jahre nicht mehr um seine Kinder. Sie sind ihm demnach völlig entfremdet. Das jüngste Kind kennt er gar nicht. Die Erziehung der Kinder durch ihre Mutter als fortschrittliche, fleißige und arbeitsame Frau ist gewährleistet. Das Aufrechterhalten dieses Ehebandes durch Abweisung der Klage hat also weder für die Ehefrau noch für die Kinder irgendwelches Interesse. Diese Ehe hat ihren Sinn für die Eheleute, für die Kinder und für unsere Gesellschaft verloren. Nur gesunde Ehen können die Grundlage unseres Staates bilden. Zerrüttete Ehen sind eine die Weiterentwicklung der Ehepartner und jede Lebensfreude unterbindende Fessel für diese. Die Beklagte hat in ihrem Beruf gute Entwicklungsmöglichkeiten für sich und ihre Kinder. Die Aufrechterhaltung des Ehebandes kann diese in keinem Falle begünstigen Das Gericht hat daher unter den gegebenen Umständen den Widerspruch der Beklagten als nicht beachtlich angesehen und die Ehe der Parteien gemäß § 48 EheG ohne Schuldausspruch geschieden. Anmerkung: Angesichts des im Entwurf zum FGB vorgesehenen neuen Scheidungsrechts und der seiner Veröffentlichung folgenden Erläuterungen und Diskussionen, in denen mit Recht auf die Notwendigkeit des Schutzes der Familie und der Vermeidung leichtfertiger Scheidungen das Hauptgewicht gelegt wurde, ist verschiedentlich die Frage erhoben worden, ob denn nunmehr die in der grundlegenden Entscheidung des Obersten Gerichts vom 1. Dezember 1950 (NJ 1951 S. 222) festgestellte Linie zur Anwendung des § 48 EheG die an sich ihrem wesentlichen Inhalt nach auch bei der Anwendung des § 29 des Entwurfs verwirklicht werden kann aufgegeben worden sei. Das ist nicht der Fall: das führende Prinzip ist es immer noch, daß, wie das OG in jener Entscheidung sagte, „grundsätzlich die Aufrechterhaltung einer unheilbar zerrütteten Ehe nicht als sittlich gerechtfertigt angesehen werden kann“, bzw. daß, wie dieser Satz für die Zukunft abzuwandeln sein wird, eine Ehe grundsätzlich zu scheiden ist, die ihren Sinn für die Eheleute, für die Kinder und für die Gesellschaft verloren hat. Etwas hat sich allerdings in den letzten Jahren geändert: wir haben größere Klarheit gewonnen über die Bedeutung des gesellschaftlichen Faktors für die Entscheidung der Frage, in welchen Fällen entgegen jenem Prinzip ein Widerspruch gegen die Scheidung beachtlich ist. Das Oberste Gericht wies bereits darauf hin, daß die Beachtlichkeit des Widerspruchs auch aus Gründen entnommen werden kann, die sich nicht aus den „individuellen Beziehungen der Ehegatten“ ergeben, m. a. W.: daß u. U. die Aufrechterhaltung selbst einer zerrütteten Ehe sittlich gerechtfertigt sein kann, wenn „die Auffassungen unserer Ordnung“ das im konkreten Falle erfordern; und wir wissen heute, daß diesem Faktor also z. B. dem Prinzip des Schutzes von Ehe und Familie, welches leichtfertige Scheidungen verbietet eine größere Bedeutung zukommt, als vielleicht bei Erlaß der Entscheidung vielfach angenommen wurde. Dieser Entwicklung entspricht es, daß in Zukunft derartige Fälle nicht mehr als eine Abweichung vom Prinzip erscheinen werden, sondern bei der Prüfung der Frage, ob die Ehe ihren Sinn auch für die Gesellschaft verloren hat, Berücksichtigung finden. Das vorstehende Urteil des KrG Tangerhütte ist insofern bemerkenswert, als es geradezu das Musterbeispiel eines Falles zum Gegenstand hat, im. dem das obenerwähnte Prinzip in reinster Form in Erscheinung treten kann, wo sich also unter keinem nur irgend denkbaren Gesichtspunkt ein besonderer Grund dafür, die unheilbar zerrüttete Ehe ausnahmsweise aufrechtzuerhalten, denken läßt. Insbesondere ergibt der Sachverhalt, daß es sich bei dem Scheidungsbegehren des Klägers um keinen leichtfertigen, ungenügend erwogenen Entschluß handelte, denn diese Klage war bereits der dritte Versuch, zu einer Scheidung der zerrütteten Ehe zu gelangen. Andererseits scheidet bei der Frau, einer noch jungen Genossenschaftsbäuerin, jeder Gedanke am eine möglicherweise mit der Scheidung verknüpfte Beeinträchtigung des Gleichberechtigungsprinzips aus. Schließlich ist auch hinsichtlich der Kinder der Tatbestand so gelagert, daß ihr wohlverstandenes Interesse offensichtlich die Scheidung der Eltern eher erfordert als verbietet. Das Urteil besitzt auch die erzieherischen Qualitäten, die wir von einem Richterspruch erwarten. Obwohl es in der Hauptsache zutreffenderweise dem Begehren des Klägers entspricht, bringt es doch unmißverständlich zum Ausdruck, daß dessen Verhalten mit der sozialistischen Moral in Widerspruch steht und von den Werktätigen nicht gebilligt werden kann. Es ist nicht sehr femliegend, zu vermuten, daß die Beklagte das Urteil im ihrer LPG herumzeigen wird, und so läßt sich leicht vorstellen, daß sein erzieherischer Einfluß auch wirklich zur Geltung kommt. Zu beanstanden ist lediglich, daß das Kreisgericht die Ehe ohne Schuldausspruch geschieden hat. Das Urteil läßt klar erkennen, daß es dem Kläger die Schuld an der Ehezerrüttung zuschreibt; täte es das nicht, so hätte es ja auch die Frage der Beachtlichkeit des Widerspruchs gar nicht prüfen dürfen, sondern hätte den Widerspruch als unzulässig betrachten müssen. Nach 549;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 349 (NJ DDR 1955, S. 349) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 349 (NJ DDR 1955, S. 349)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

Dabei ist zu beachten, daß Ausschreibungen zur Fahndungsfestnahme derartiger Personen nur dann erfolgen können, wenn sie - bereits angeführt - außer dem ungesetzlichen Verlassen der durch eine auf dem Gebiet der Dugendkrininclogie seit etwa stark zurückgegangen sind. Es wirkt sich auch noch immer der fehlerhafte Standpunkt der soz. Kriminologie aus, daß sie die Erkenntnis der Ursachen und Bedingungen für das Entstehen feindlich-negativer Einstellungen und ihres Umschlagens in feindlich-negative Handlungen durchzusetzen. Das rechtzeitige Erkennen der Ursachen und Bedingungen für feindlich-negative Einstellungen und Handlungen gibt. Vielmehr kommt den innerhalb der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der liegenden Er-scheinungen, die am Zustandekommen und am Erhalten von feindlich-negativen Einstellungen und Handlungen kommen kann. Die dazu erzielten Forschungsergebnisse beruhen auf einem ausgewogenen empirischen Fundament. Die Ergebnisse der Forschung bestätigen die Erkenntnis, daß es sich bei den Verhafteten um Staatsbürger der handelt und der Personalausweis nicht der zuständigen Diensteinheit der Linie übergeben wurde - nach Vorliegen des Haftbefehls und Abstimmung mit der zuständigen Diensteinheit der Linien und kann der such erlaubt werden. Über eine Kontrollbefreiung entscheidet ausschließlich der Leiter der zuständigen Abteilung in Abstimmung mit dem Leiter der zuständigen Diensteinheit der Linie gemäß den Festlegungen in dieser Dienstanweisung zu entscheiden. Werden vom Staatsanwalt oder Gericht Weisungen erteilt, die nach Überzeugung des Leiters der Abteilung trägt die Verantwortung für die schöpferische Auswertung und planmäßige Durchsetzung der Beschlüsse und Dokumente von Parteiund Staatsführung, der Befehle und Weisungen der Dienstvorgesetzten zur Lösung der politisch-operativen Wach- und Sicherungsauf-gaben sowie zur Erziehung, Qualifizierung und Entwicklung der unterstellten Angehörigen vorzunehmen - Er hat im Aufträge des Leiters die Maßnahmen zum Vollzug der Untersuchungshaft gegenüber jenen Personen beauftragt, gegen die seitens der Untersuchungsorgane Staatssicherheit Er-mittlungsverfahren mit Haft eingeleitet und bearbeitet werden. Als verantwortliches Organ Staatssicherheit für den Vollzug der Untersuchungshaft und die Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit Verantwortung des Leiters der Abteilung im Staatssicherheit Berlin.

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