Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 341

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 341 (NJ DDR 1955, S. 341); Syndikats zu zahlen waren. Der II. Senat des ehemaligen Reichsgerichts bestimmte unter Anwendung des § 242 BGB den im Interesse des Monopolkapitals behördlich festgesetzten Mindestpreis für die beiden streitenden Vertragspartner als bindend, obwohl die Syndikatsrichtpreise gar nicht geändert worden waren. Dieser über den allgemeinen Richtpreisen liegende Mindestpreis sollte nach Ansicht des ehemaligen Reichsgerichts die gleiche Wirkung besitzen, als wären die Syndikatsrichtpreise infolge der kapitalistischen Marktpolitik allgemein erhöht worden. Der verklagte Käufer mußte diese vertraglich nicht berücksichtigte Erhöhung anerkennen. Charakteristisch hierbei ist, daß dieser Urteilsspruch zwar dem verkaufenden Händler unmittelbar zugute kam, in erster Linie aber dem Schutz der Kohlenbarone diente. Das wird dadurch deutlich, daß in dem Urteil ausdrücklich darauf hingewiesen wird, daß der Zeche der Mindestpreis gesichert werden muß14). Das Reichsgericht hatte die Aufgabe zu erfüllen, dem unmittelbaren Abnehmer der Zeche den Verkaufspreis zuzusprechen, der es ihm ermöglichte, seinen Verpflichtungen gegenüber den Kohlenbaronen ungestört nachzukommen. Der Grundsatz der Vertragstreue wurde hier mit Hilfe der Generalklauseln beiseite geschoben, weil es das Interesse des Monopolkapitals erforderte. Besonders offensichtlich wird die Durchbrechung der bürgerlichen Gesetzlichkeit mit Hilfe der Generalklauseln bei der imperialistischen Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage. Gerade diese Theorie, die von der bürgerlichen Rechtswissenschaft im Interesse des Monopolkapitals entwickelt wurde, ist von der Rechtsprechung des kapitalistischen Staates aufgegriffen und somit den Interessen des Monopolkapitals dienstbar gemacht worden. Es kann nicht Aufgabe des vorliegenden Artikels sein, die genannte imperialistische Lehre einer ausführlichen Kritik zu unterziehen. Interessant und aufschlußreich ist es aber, wenn man das bekannteste Beispiel der westdeutschen Rechtsprechung, das im RGR-Kommentar mit der genannten Theorie in Verbindung gebracht wird, einer kurzen Betrachtung unterzieht. In der Anm. 6 zu § 24215) nehmen die Kommentatoren den Leitsatz der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23. Oktober 195116) auf. Danach sollen die Gerichte bei einem Wegfall der Geschäftsgrundlage die Vertragspflichten rechtsgestaltend erheblich ändern dürfen, wenn dies geboten ist, um zu einer „gerechten“ Leistungsfestsetzung zu gelangen. Es handelt sich bei dieser Entscheidung um das sogenannte „Volkswagenurteil“. Zwei Volkswagensparer verlangten von der Volkswagen GmbH die Lieferung je eines Wagens gegen Zuzahlung des vom Gericht zu bestimmenden DM-Betrages. Die verklagte Volkswagen GmbH führte aus, daß wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage den beiden Klägern sowie den weiteren 336 000 Volkswagensparern keine Ansprüche mehr aus den Sparverträgen Zuständen. Dieses Revisionsverfahren führte zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. In.den Gründen kommt zum Ausdruck, daß die Geschäftsgrundlage der mit den beiden Klägern geschlossenen Verträge weggefallen sei. Eine Erfüllung zu den ursprünglichen Sparbedingungen sei ausgeschlossen. Der I. Senat des Bundesgerichtshofs hält für die endgültige Entscheidung der Streitsache die Prüfung der Frage für unerläßlich, inwieweit der Volkswagen GmbH Leistungen an die beiden Vertragspartner zugemutet werden können. Bei dieser Zumutbarkeit soll nach den Ausführungen des BGH die Gesamtheit der Volkswagensparer Berücksichtigung finden Das Urteil gipfelt schließlich in der Feststellung, daß die wirtschaftliche Grundlage des Volkswagenbetriebes in keinem Fall gefährdet werden dürfe. In diesem Satz liegt der Angelpunkt der gesamten Entscheidung. Über die Existenz der über 336 000 Volks- RGZ 101/46. 15) RGR-Kommentar, Rd. I, S. 451. 18) Juristenzeitung 1952/145 ff. wagensparer macht sich der Bundesgerichtshof keine Gedanken. Alle wirtschaftlichen Erwägungen drehen sich einzig und allein um die verklagte Volkswagen GmbH, einen Repräsentanten des Monopolkapitals. Ausschließlich deren Interessen zu wahren, war Aufgabe des höchsten westdeutschen Gerichts. Mit Hilfe des § 242 BGB und der imperialistischen Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage ist ihm das auch glänzend gelungen. Diese wenigen Beispiele mögen im Rahmen dieses Artikels genügen, um die Grundtendenz der monopolkapitalistischen Rechtsprechung aufzuzeigen, die im heutigen Westdeutschland ebenso wie im Deutschland des Reichsgerichts darauf gerichtet ist, die Interessen des Monopolkapitals unnachgiebig zu schützen. Der imperialistische Staat vertritt die Interessen der Bourgeoisie gegenüber der ausgebeuteten Mehrheit des Volkes und bedient sich dabei der härtesten Zwangsmittel. In diesem Verhältnis übt er den Schutz der Gesamtbourgeoisie aus. Im Konkurrenzkampf der einzelnen Kapitalisten untereinander dagegen greift der Staat mit seinen Rechtssprechungsorganen zugunsten der Monopolisten ein, um ihnen den Monopolprofit zu sichern. Während also im täglichen Existenzkampf der Kapitalisten untereinander die Klein- und Mittelbourgeoisie immer mehr der Herrschaft des Monopolkapitals unterliegt, bildet die Gesamtbourgeoisie in ihrer Stellung zur ausgebeuteten Arbeiterklasse einen einheitlichen Block, dessen Interessen von der Rechtsprechung des kapitalistischen Staates gewahrt werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Stellungnahme des RGR-Kommentars, der bei § 826 BGB unter dem Stichwort „gewerblicher Lohnkampf und Kampf um die Arbeitsbedingungen“17) auf eine umfangreiche Rechtsprechungspraxis zurückgreift. Bezeichnend für die Ansichten der Verfasser ist der Hinweis, daß durch die heutige Entwicklung in Westdeutschland die frühere Rechtsprechung gemeint ist die der kapitalistischen Gerichte in der Weimarer Republik wieder volle Bedeutung gewonnen hat18 19). Wenn auch die Bearbeiter des Kommentars unter dem formalen Schein der Demokratie den Kampf um Lohn und bessere Arbeitsbedingungen nicht als einen Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 826 BGB heraus-stellen können, so sorgen sie doch durch die Aufnahme einiger entsprechender Entscheidungen der kapitalistischen Gerichte in den Kommentar dafür, daß in jedem zur Entscheidung stehenden Fall die Existenzgrundlage der kapitalistischen Unternehmer ohne wesentliche wirtschaftliche Schädigung erhalten bleibt. Das ist der leitende Gesichtspunkt, der allen diesen Entscheidungen anhaftet18). So bezeichnen die Bearbeiter des Kommentars einen Streik von Arbeitern als unsittlich im Sinne des § 826 BGB. wenn durch die Arbeitsniederlegung die wirtschaftliche Vernichtung des Unternehmers herbeigeführt wird oder der ihm zugefügte Nachteil zu den erstrebten Zielen in keinem erträglichen Verhältnis steht20). Gerade mit Hilfe des zuletzt angeführten Merkmals werden es die Gerichte im Aufträge der herrschenden Klasse immer wieder versuchen, gegen die um bessere Arbeits- und Lebensbedingungen kämpfenden Arbeiter vorzugehen. Sie haben die Aufgabe zu erfüllen, die Interessen des Kapitals, den Bestand der kapitalistischen Betriebe, zu schützen. Die wirtschaftliche Lage der um ihr tägliches Dasein kämpfenden Arbeiter kommt für die Gerichte, also auch für die Verfasser des Kommentars, erst in zweiter Linie in Betracht. Es ist bekannt, wie die monopolkapitalistischen Verhältnisse in Deutschland die Staatsform des Faschismus hervorgebracht hatten. Die Gerichte als Organe dieses Staates wurden faschistische Gerichte, deren Rechtsprechung den monopolistischen Interessen diente. Auch das Reichsgericht wurde ein faschistisches Gericht. Trotzdem setzen sich die Bearbeiter des Kommentars 17) RGR-Kommentar, Bd. II, Anm. 5 zu § 826, S. 770 ff. 18) a. a O., S. 770. 19) vgl. RGZ 54'255, 57/418, 64/52. 66/379, 119/291, RGJW 1913/146, RAG 1/81. RAGHRR 1932 Nr. 1852 und 2181 u. a. zitiert im RGR-Kommentar § 826 Anm. 50, S. 771/772. 20) RGR-Kommentar, Bd. II, Anm. zu § 826, S. 771.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 341 (NJ DDR 1955, S. 341) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 341 (NJ DDR 1955, S. 341)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

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