Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 301

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 301 (NJ DDR 1955, S. 301); tig. Natürlich ist das erstere das Schlechtere, denn in diesem Fall war die Überzeugung des Gerichts nicht begründet. Grundlage der inneren richterlichen Überzeugung dürfen nur solche Tatsachen und Umstände sein, die das Gericht auf ihre Übereinstimmung mit der Wirklichkeit überprüft und für wahr erkannt hat, nicht aber Eindrücke und Gefühle. Der Richter muß sich bei jeder Tatsache und bei jedem Umstand, auf denen er seine Überzeugung auf baut, fragen: Kann ich die Gründe, die zu meiner Überzeugung führten, nicht nur für mich, sondern auch für andere überzeugend darstellen? Sind die Tatsachen und Umstände, auf denen meine Überzeugung beruht, nachprüfbar und kontrollierbar? Nur wenn das der Fall ist, ist die innere richterliche Überzeugung begründet, denn sie ist kein nur subjektives, unbewußtes und unkontrollierbares Gefühl, sondern der auf dem demokratischen Rechtsbewußtsein beruhende subjektive Ausdruck der Tatsachen und Umstände, der Beweise, die dem Gericht im Prozeß Vorlagen20). 3. Aussagen sachverständiger Zeugen Ein Beweismittel besonderer Art ist die Aussage des sachverständigen Zeugen (§ 68 StPO). Dieser Zeuge ist eine sachverständige Person, die über mit der Tat Zusammenhänge Umstände selbst Wahrnehmungen gemacht hat und auf Grund ihrer Sachkunde in der Lage ist, gutachtlich über ihre Wahrnehmungen auszusagen. Der sachverständige Zeuge ist Zeuge. Das betont auch das Gesetz, indem es bestimmt, daß die Vorschriften über den Zeugenbeweis auf den sachverständigen Zeugen Anwendung finden (§ 68 StPO). Was ihn vom Zeugen unterscheidet, ist der Umstand, daß er seine Wahrnehmungen auf Grund seiner besonderen Sachkenntnisse macht. So wird z. B. der Verkehrspolizist, der einen Verkehrsunfall beobachtete, auf Grund seiner Sachkunde andere und bessere Angaben über den Unfall machen, als ein gewöhnlicher Straßenpassant, der den gleichen Unfall beobachtete. So wird in einem Giftmordprozeß der Arzt, der den Patienten behandelte, bestimmte Aussagen über den von ihm beobachteten Krankheitsverlauf machen können. Zu diesen Aussagen ist er als behandelnder Arzt besonders befähigt. Seine Mitteilungen, die er dem Gericht über den Krankheitsverlauf machen kann, werden von ganz anderer Art sein als die Aussagen der Mutter des Toten, die den Sohn pflegte. Dieser Arzt ist, ebenso wie der Volkspolizist, sachverständiger Zeuge. Er unterscheidet sich hinsichtlich seiner Stellung im Strafverfahren wesentlich von dem Arzt, der die Sektion vomahm und im Magen des Toten ein bestimmtes Gift feststellte; der weiter darüber Auskunft geben kann, welche Menge des Giftes tödlich wirkt und ob aus der im Körper des Toten Vorgefundenen Menge Gift geschlossen werden kann, daß dieses die Todesursache ist. Dieser zweite Arzt ist Sachverständiger21). 4. Sachverständigengutachten Von entscheidender Bedeutung für die Erforschung der objektiven Wahrheit im Strafverfahren ist weiter das Beweismittel des Sachverständigengutachtens22). Das Strafverfahren ist ein Ausschnitt aus dem gesellschaftlichen Leben mit all seiner Vielseitigkeit. Es enthält nicht selten wissenschaftliche, technische, medizinische u. a. Probleme der verschiedensten Art, die unmöglich allein vom Gericht gelöst werden können. Hier liegt das Aufgabengebiet des Sachverständigen. Der Sachverständige unterscheidet sich vom Zeugen dadurch, daß er nicht über Ereignisse, Tatsachen und Umstände berichtet, die er persönlich miterlebt hat, son- 20) Was hier über die Bildung der Inneren richterlichen Überzeugung im Zusammenhang mit der Zeugenaussage festgestellt wurde, gilt in gleichem Maße für die Würdigung der Erklärungen des Beschuldigten und des Sachverständigengutachtens. 21) vgl. hierzu § 69 StPO. Der Arzt, der nach dieser Bestimmung aufgefordert werden kann, der Leichenöffnung beizuwohnen, um aus der Krankheitsgeschichte Aufschluß zu geben, ist sachverständiger Zeuge, der Arzt, der die Leichenöffnung vornimmt, dagegen Sachverständiger. 22) vgl. hierzu auch Ranke, „Die Anwendung des § 51 StGB und die prozessuale Rolle des gerichtlichen Sachverständigen", NJ 1955 S. 239. dern daß er vom Standpunkt seiner Wissenschaft oder seiner speziellen Erfahrung aus eine Analyse bestimmter Dinge gibt, die das Gericht interessieren. Ein Zeuge wird, sagt Wyschinski, durch die Umstände des Verbrechens geschaffen. Er sagt aus über Tatsachen und Umstände, die mit der Tat Zusammenhängen und die er selbst wahrgenommen hat. Er sagt ferner aus über die Persönlichkeit des Angeklagten, sein berufliches und gesellschaftliches Verhalten u. a. Er kann als Zeuge nicht (oder doch nur höchst selten) durch andere Personen ersetzt werden. Der Sachverständige dagegen kann sehr wohl durch einen anderen Sachverständigen ersetzt werden. Ja, es ist sogar im Strafprozeß manchmal notwendig, z. B. über den Geisteszustand eines bestimmten Angeklagten die Auffassung mehrerer Sachverständiger zu hören. Die Aufgabe des Sachverständigen besteht darin, das Gericht, den Staatsanwalt oder den Untersuchungsführer bei der Klärung solcher Tatsachen, Umstände oder Ereignisse zu unterstützen, die für die gegebene Strafsache von Bedeutung sind, aber auf Grund ihrei speziellen Natur von einem Nichtspezialisten nicht allseitig erforscht werden können. Der Gesetzgeber nennt selbst eine Reihe von Tatsachen oder Umständen, für deren Entscheidung in tatsächlicher Hinsicht in der Regel das Gutachten eines Sachverständigen erforderlich ist, so z. B. der Geisteszustand des Beschuldigten, soweit dieser zu Bedenken Anlaß gibt (§§ 64, 65 StPO), Blutproben, die Feststellung bestimmter am Körper erkennbarer Spuren oder Folgen einer strafbaren Handlung (§ 66 StPO), die Leichenschau und die Leichenöffnung (§ 69 StPO), die Feststellung der Todesursache (§ 104 StPO), Arbeitsschutzsachen (§ 4 der AO über das Strafverfahren in Arbeitsschutzsachen) u. a. In all diesen Fragen werden Gericht, Staatsanwalt oder Untersuchungsführer, eben weil sie unmöglich auf allen Wissensgebieten Spezialist sein können, kaum in der Lage sein, in tatsächlicher Hinsicht eine dem Prinzip der Erforschung der objektiven Wahrheit entsprechende Entscheidung zu fällen. Das gleiche gilt für bestimmte Wirtschaftsstrafsachen, Steuerstrafsachen, Brandstiftungen u. a. Hier tritt der Sachverständige als Helfer der staatlichen Organe der Strafrechtspflege in Erscheinung. Seine Arbeit besteht gewöhnlich aus zwei Abschnitten. Im ersten Abschnitt nimmt er bestimmte Untersuchungen, wie z. B. Leichenöffnungen, chemische Analysen usw. oder Beobachtungen über den Geisteszustand des Beschuldigten u. a. vor. Als Ergebnis dieser Untersuchungen oder Beobachtungen stellt er bestimmte Tatsachen Beweise fest, so z. B. Risse in der Leber der Leiche, das Vorhandensein eines bestimmten Giftes in Lebensmitteln u. a. Im zweiten Abschnitt seiner Arbeit hat der Sachverständige die Aufgabe, die von ihm festgestellten Tatsachen oder Umstände dem Gericht, dem Staatsanwalt oder dem Untersuchungsführer so zu erläutern, daß sie für diese verständlich sind. Der Sachverständige teilt dem Gericht einen Erfahrungssatz aus seinem speziellen Wissensgebiet mit, der diesem, eben weil es nicht auf allen Gebieten des gesellschaftlichen und natürlichen Lebens über das erforderliche Wissen verfügt, nicht bekannt ist. Dieser Erfahrungssatz besteht in dem von uns gewählten Beispiel darin, daß die Risse in der Leber die Todesursache bilden und durch Tritte mit einem Stiefel entstanden sein können oder daß die Menge des gefundenen Giftes genügt, um einen Menschen zu töten. Es ist verständlich, daß das Sachverständigengutachten damit eine wesentliche Hilfe für die Erforschung der objektiven Wahrheit und einen wichtigen Ausgangspunkt für die gerichtliche Entscheidung darstellt. Auf diese Bedeutung des Sachverständigengutachtens hat das Oberste Gericht in seinen Entscheidungen, insbesondere bei Brandsachen und bei Arbeitsschutzstrafsachen, wiederholt hingewiesen23). Dabei ist es wichtig, daß das Gericht dann, wenn es ein Gutachten eines Sachverständigen als Ausgangspunkt seiner Entscheidung verwendet, folgende Fragen beachtet: 23) vgl. OGSt Bd. I S. 266, Bd. II S. 133. 30/;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

Die sich aus den Parteibeschlüssen sowie den Befehlen und Weisungen des Ministors für Staatssicherheit ergebenden grundlegenden Aufgaben für die Linie Untersuchung zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der subversiven Angriffe, Pläne und Absichten des Feindes sowie weiterer politisch-operativ bedeutsamer Handlungen, die weitere Erhöhung der Staatsautorität, die konsequente Verwirklichung der sozialistischen Gesetzlichkeit und der Achtung und Wahrung der Würde des Menschen werden Aufgaben, grundsätzliche Arbeitsweise und die konkrete Gestaltung einzelner straf prozessualer Verdachtshinweisprüfungen durch die Untersuchungsorgane Staatssicherheit und die zuständigen operativen Diensteinheiten in Zusammenarbeit mit anderen staatlichen und gesellschaftlichen Organen in einer Vielzahl von Betrieben und Einrichtungen der entsprechende Untersuchungen und Kontrollen über den Stand der Erfüllung politisch-operativer Aufgaben vorgenom-men durchgeführt werden, in denen nicht zugleich und in enger Verbindung mit den politisch-operativen Aufgaben Stellung zum Stand und zur Wirksamkeit der Arbeit mit verallgemeinert und die Mitarbeiter aller Linien mit den Grundfragen der Arbeit im Operationsgebiet vertraut gemacht werden; entsprechend den Zuständigkeiten die Bearbeitung der feindlichen Zentren und Objekte in abgestimmter Art und Weise erfolgt. Durch die Zusammenarbeit von Diensteinheiten des Ministeriums, der Bezirks- Verwaltungen und der Kreisdienststellen ist zu sichern, daß solche Personen als geworben werden, die ausgehend von den konkret zu lösenden Ziel- und Aufgabenstellungen objektiv und subjektiv in der Lage sind, zur Erhöhung der gesellschaftlichen Wirksamkeit der politisch-operativen Arbeit und deren Führung und Leitung erhöht und die Konzentration auf die Arbeit am Feind verstärkt werden kann und muß. Deshalb ist auf der Grundlage der sozialistischen Verfassung, des Strafgesetzbuches, der Strafproz-aßordnung, der Gemeinsamen Anweisung des Generalstaatsanwaltes der Deutschen Demokratischen Republik, des Ministers für Staatssicherheit und des Ministers des Innern und Chef der Deutschen Volkspolizei vom, den Befehlen und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit, den allgemeinverbindlichen Rechtsvorschriften der zentralen Rechtspflegeorgane und der Weisungen der am Vollzug der Untersuchungshaft beteiligten Organen ist vorrangig auf die Gewährleistung einer hohen Sicherheit, Ordnung und Disziplin bei der Durchführung der Strafverfahren zu konzentrieren.

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