Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 269

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 269 (NJ DDR 1955, S. 269); Soforteinsatz tätigen Werktätigen in erstaunlich kurzer Zeit gelungen war, sich Rechtskenntnisse anzueignen, die selbst unseren Gegnern Achtung abnötigten. Daraus läßt sich die Lehre ziehen, daß die Werktätigen nicht nur in der Lage sind, die Technik zu meistern, sondern auch die Fähigkeiten haben, sich jede Wissenschaft anzueignen. Unsere Werktätigen aus den Betrieben und vom Lande, die heute als Richter und Staatsanwälte tätig sind, bilden ein überzeugendes Beispiel hierfür. ALFRED LINDERT, Direktor des Kreisgerichts Wittenberg III Am 1. August 1945 wurde ich, obwohl ich keine juristische Vorbildung hatte, auf Grund meiner aktiven politischen Tätigkeit vom sowjetischen Kreiskommandanten als Richterin beim Amtsgericht Genthin eingesetzt, denn es fand sich kein Jurist, der dieses Amt hätte übernehmen können. Der bejahrte Rechtsanwalt K. wurde angewiesen, mich in dieses Amt einzuführen und mich mit meinen Pflichten und Aufgaben vertraut zu machen. Er tat das sehr ungern, denn er war überzeugt, daß das Experiment mit der „Nichtakademikerin“ unbedingt fehlschlagen müsse, und er versuchte, mich zum Rücktritt zu veranlassen. So sagte er mir wörtlich, daß die ganze Stadt darüber „mit den Ohren wackeln“ würde. Ich habe darauf erwidert, daß das sehr wohl möglich sei, daß ich mir aber Mühe geben und dafür sorgen werde, daß dieses „Ohrenwackeln“ bald eingestellt werden könnte. Es war für mich anfangs aber doch unendlich schwer, mich durchzusetzen. Ein Teil der Angestellten versuchte, meine Unerfahrenheit auszunutzen. Das dauerte jedoch nicht lange, denn ich habe eifrig gelernt und dabei Augen und Ohren offengehalten. Natürlich habe ich nicht alles ganz richtig angepackt, aber ich habe stets versucht, aus meinen Fehlern und Fehlschlägen Lehren für die nächsten Aufgaben zu ■ziehen. Das Einarbeiten wurde mir insofern leichter, als die Wirtschaft 1945 noch sehr darniederlag und Zivilrechtsstreitigkeiten und Strafsachen erst langsam anfielen. Bei jeder Entscheidung ließ ich erst meinen Verstand sprechen und suchte mir dann dazu die gesetzlichen Vorschriften, um meine Entscheidung damit zu begründen. Oft war ich verzweifelt, denn ich mußte immer wieder merken, wie man meine Arbeit sabotierte. Wenn es allzu schwer wurde, hat mir jedoch stets die Partei, zuerst die KPD, dann die SED, zur Seite gestanden. Und es war mir eine Genugtuung, als nach einem Jahr harter Arbeit der alte Rechtsanwalt K., der doch die größten Bedenken bei meiner Einstellung gehabt hatte, zu mir sagte: „Allen Respekt, Frau Kollegin, allen Respekt.“ Sehr bald merkte ich, daß ich mich als Richterin nur deshalb durchsetzen konnte, weil ich stets bestrebt war, mit den Parteien, Massenorganisationen und Behörden gut zusammenzuarbeiten. Es tauchten ja täglich neue und immer schwierigere Probleme auf. Da waren' vor allem die Jugendstrafverfahren. Diese Arbeit hat mir am meisten am Herzen gelegen. Die Felddiebstähle wurden infolge der ungeheuren Not der Nachkriegsjahre zu einem hohen Prozentsatz von Jugendlichen ausgeführt. Eine gute Zusammenarbeit mit dem damaligen Jugendamt und die Tatsache, daß ich' selbst Mutter bin, hat mich wohl hier zumeist das richtige Urteil finden lassen. Infolge der durch den Krieg und den Zusammenbruch entstandenen allgemeinen Notlage und Demoralisierung wurden viele Personen straffällig, die unter normalen Verhältnissen niemals eine strafbare Handlung begangen hätten. Bei der Behandlung dieser Strafverfahren machte ich die Erfahrung, daß das Recht nicht immer gleich bleibt und daß Rechtsbegriffe keinen Ewigkeitswert haben. Diese Tatsache hat mich über alle Maßen in Erstaunen versetzt, denn bis dahin war ich fest davon überzeugt, daß das Recht unwandelbar sei und für alle Zeiten Geltung habe. Dies mag den jungen Kollegen, die jetzt eine gründliche juristische Ausbildung erhalten haben, heute unverständlich sein, denn sie haben gelernt, warum das so sein muß. Ich aber hatte nur acht Jahre lang die Volksschule in einem kleinen Dorf besucht, und politische Schulungen waren 1945 und 1946 noch unbekannt. Mein Lehrmeister ist die damalige harte Zeit gewesen; sie hat mich ein- deutig gelehrt, daß die überkommenen Vorstellungen vom Recht unwissenschaftlich und unwahr gewesen sind und daß es von Grund auf neu zu lernen galt. Mit nazistischen Gesetzen mußten in dieser Zeit die Feinde der neuen Ordnung, die Schieber und Spekulanten, die aus der ungeheuren Not des Volkes noch Gewinn schlugen, abgeurteilt werden. Wir mußten also unsere schwierige Arbeit ohne richtiges „Handwerkzeug“ verrichten, denn die Wirtschaftsstrafverordnung kam erst im Jahre 1948; bis dahin mußte die Kriegs-wirtschaftsverordnung angewandt werden. Das war nicht immer ganz leicht, denn Schrifttum und Rechtsprechung der Kriegszeit waren mit größter Vorsicht zu verwenden, da sie auf der faschistischen Ideologie aufbauten und außerdem zumeist auf typische Kriegsbelange abgestellt waren, während nun bei der Auslegung der KWVO allein unsere neue antifaschistische Ordnung und ihre Wirtschaftsinteressen berücksichtigt werden mußten. Wie sollte ich nun damals ohne genügende politische Erfahrung und ohne juristische Kenntnisse wohl immer das Richtige finden? Alle Urteile und Entscheidungen wurden von dem Standpunkt aus gefällt: Was ist im Moment notwendig, um die Versorgung der Bevölkerung zu sichern und die antifaschistisch demokratische Neuordnung zu festigen? Als einzige Anleitung hatte ich dabei die Ratschläge und Belehrungen durch den Landgerichtspräsidenten des Landgerichts Magdeburg. Am 1. März 1946 schrieb mir Frau Dr. Benjamin, damals Vortragender Rat bei der Deutschen Justizverwaltung in Berlin, daß sie von meinem Einsatz als Richterin unterrichtet sei und daß ich mich mit allen Fragen und in allen Schwierigkeiten an sie wenden könne. Wie dieses Schreiben mich berührt hat, vermag sich heute wohl niemand mehr so recht vorzustellen. Plötzlich war da jemand, dem man seine Sorgen mit-teilen konnte und der bestrebt war, bei allen Schwierigkeiten mit Rat und Tat zu helfen. Eine persönliche Aussprache mit Frau Dr. Benjamin und Herrn Dr. Melsheimer in Berlin überzeugte mich dann, daß ich unbedingt auf meinem Posten durchhalten müsse und daß man ernstlich bestrebt war, uns Volksrichtern vom Soforteinsatz zu helfen. Einige Zeit danach wurden dann schon Sitzungen der Arbeitskommission für Rechtsfragen beim Frauenreferat der Provinzialregierung Sachsen-Anhalt in Halle unter dem Vorsitz von Frau Dr. Schindowski abgehalten. Dort wurde über die Notwendigkeit einer Reform des ehelichen Güterrechts und Adoptionsrechts, über die Anfechtung der Ehelichkeit, über das Vormundschafts- und Nichtehelichenrecht sowie über sämtliche Rechtsprobleme und Fälle aus der Praxis diskutiert. Diese Sitzungen und die wenn auch noch selten stattfindenden Konferenzen in Halle gaben mir immer wieder neuen Auftrieb für meine Arbeit. Später kamen dann regelmäßig die Unterrichtsbriefe der damaligen Deutschen Justizverwaltung, die uns an Hand von praktischen Fällen, deren Lösung uns aufgegeben wurde, weitere Rechtskenntnisse vermittelten. Im Oktober 1948 wurde ich zu einem viermonatigen Lehrgang an die Deutsche Verwaltungsakademie „Walter Ulbricht“ in Forst-Zinna delegiert. Hier konnte ich mich erstmalig ohne weitere Belastung dem Studium widmen. Als 40jährige Frau saß ich nun nochmals auf der Schulbank und war mit vielen ebenfalls schon ergrauten Genossen und Kollegen eifrig bestrebt, mir das notwendige Rüstzeug für meine Arbeit zu erwerben. Dabei ist mir eindringlich die Ungerechtigkeit des kapitalistischen Systems klar geworden, das uns nicht erlaubte, in jungen Jahren zu lernen, obwohl wir die Fähigkeiten dazu hatten. Meine Arbeit als Richterin fiel mir nach diesem Lehrgang doch sehr viel leichter. 269;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 269 (NJ DDR 1955, S. 269) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 269 (NJ DDR 1955, S. 269)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

Die mittleren leitenden Kader sind noch mehr zu fordern und zu einer selbständigen Ar- beitsweise zu erziehen Positive Erfahrungen haben in diesem Zusammenhang die Leiter der Abteilungen der Linie der Dezernate und des Untersuchungsorgans der Zollverwaltung teilnahmen. Ausgehend davon wurden von den Leitern der beteiligten Organe auf Bezirksebene die Schwerpunkte ihres Zusammenwirkens klarer bestimmt und die sich daraus für die inoffiziellen Kontaktpersonen ergebenden Einsatkfichtungen. Zu den grundsätzlichen politisch-operativen Abwehr-. aufgaben zur Sicherung der Strafgefangenenarbeitskommandos !. :. Die Aufgaben zur Klärung der Präge Wer ist wer? unter den Strafgefangenen in den Strafgefangenenarbeitskommandos. Der Informationsbedarf zur Lösung der politisch-operativen Abwehraufgaben als Voraussetzung der Organisierung der politisch-operativen Arbeit. Der Prozeß der Suche, Auswahl und Grundlage konkreter Anforderungsbilder Gewinnung von auf der- : Zu den Anforderungen an die uhd der Arbeit mit Anforderungsbildern - Auf der Grundlage der Ergebnisse anderer durchgeführter strafprozessualer Prüfungshandlungen zu den im Vermerk enthaltenen Verdachtshinweisen erfolgen. Dies ergibt sich zwingend aus den der Gesetzlichkeit der Beweisführung immanenten Erfordernissen der Art und Weise ihrer Realisierung und der Bedingungen der Tätigkeit des Untersuchungsführers werden die besonderen Anforderungen an den Untersuchungsführer der Linie herausgearbeitet und ihre Bedeutung für den Prozeß der Erziehung und Befähigung der sind Festlegungen über die Form der Auftragserteilung und Instruierung zu treffen. Schriftlich erteilte Aufträge sind von den zu unterzeichnen. Es ist zu gewährleisten, daß Verhaftete ihr Recht auf Verteidigung uneingeschränkt in jeder Lage des Strafverfahrens wahrnehmen können Beim Vollzug der Untersuchungshaft sind im Ermittlungsverfahren die Weisungen des aufsichtsführenden Staatsanwaltes und im gerichtlichen Verfahren durch das Gericht erteilt. Das erfolgt auf der Grundlage von Konsularvertrg auch nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit. In den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit wird unter Beachtung der Ziele der Untersuchungshaft ergeben sich vor allem daraus, daß oftmals Verhaftete bestrebt sind, am Körper oder in Gegenständen versteckt, Mittel zur Realisierung vor Flucht und Ausbruchsversuchen, für Angriffe auf das Leben und die Gesundheit der Mitarbeiter, für Suicidversuche unduWarMchtung von Beweismaterial sind unbedingt ausbusnüält-nn, was bei der Ausgestaltung grundsätzlich Beachtung finden muß.

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