Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 253

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 253 (NJ DDR 1955, S. 253); März dieses Jahres 18 Jahre alt, würde er zu „Freiheitsentziehung“ und nicht zu „Zuchthaus“ verurteilt, müßte er die Strafe in einem Jugendhaus verbüßen; dort aber sei er eine Gefahr für seine Umgebung. Gegen dieses Urteil ist von beiden Angeklagten Berufung eingelegt worden. Außerdem hat hinsichtlich des Angeklagten B. der Rat des Kreises R.-D Abteilung Volksbildung, Referat „Jugendhilfe und Heimerziehung“, gemäß § 48 JGG Berufung eingelegt. Die Berufungen hatten Erfolg. Aus den Gründen; Das BG hat beiden Angeklagten einen gemeinschaftlichen Verteidiger bestimmt, obwohl § 79 StPO vorschreibt, daß dies nur zulässig ist, wenn es nicht den Interessen der Beschuldigten widerspricht. Die Gefahr einer Interessenkollision ist immer gegeben, wenn ein Verteidiger einen Erwachsenen und einen Jugendlichen wegen einer gemeinschaftlich begangenen strafbaren Handlung verteidigt, da er im Interesse des von ihm verteidigten Erwachsenen daran gehindert ist, auf dessen Verantwortlichkeit für die Tat des Jugendlichen mit dem nötigen Nachdruck hinzuweisen, andererseits aber auch im Interesse des verteidigten Jugendlichen derartigen Behauptungen, wenn sie von anderer Seite etwa vom Vertreter des Referats „Jugendhilfe und Heimerziehung“ auf gestellt werden nicht entschieden entgegentreten kann. Dies hätte das BG bereits bei dem Erlaß des Beiordnungsbeschlusses vom 15. Januar 1955, spätestens aber im Verlauf der Hauptverhandlung, erkennen müssen. Die Bestellung des gemeinschaftlichen Verteidigers für beide Angeklagten ist eine Verletzung des Rechtes auf Verteidigung. Schon aus diesem Grunde ist die Aufhebung des angefochtenen Urteils gemäß § 291 Ziff. 5 StPO in vollem Umfang geboten. Das BG hat aber den von ihm festgestellten Sachverhalt auch rechtlich unrichtig beurteilt. Zunächst rechtfertigen die Entwendung von 5,5 kg Margarine, 30 Brötchen und einer Tüte Puderzucker aus der Konsumbäckerei Z. und der versuchte Einbruch in die HO-Gaststätte in B. jede Tat für sich allein betrachtet nicht die Anwendung des VESchG. Das BG hat bei der Beurteilung dieser Handlungen nicht die in der Richtlinie Nr. 3 des Plenums des Obersten Gerichts festgelegten Grundsätze beachtet. Hätte es dies getan, dann hätte es erkannt, daß bei dem eingetretenen Schaden von etwa 30 DM nicht von einem scheren Angriff auf gesellschaftliches Eigentum gesprochen werden kann. Auch der versuchte Einbruch kann, da nicht festgestellt werden kann, welche Werte sich die Angeklagten aneignen wollten, nicht als ein nach dem VESchG zu beurteilender Angriff auf gesellschaftliches Eigentum angesehen werden. Die Anwendung des VESchG ergibt sich vielmehr aus folgendem: Das BG hat zutreffend den Einbruch in die Konsumverkaufsstelle als Verbrechen gegen § 1 Abs. I VESchG und da die Angeklagten unter Anwendung von Gewalt und in Gruppe gehandelt haben als Verbrechen gegen § 2 Abs. 2 Buchstabe b und c beurteilt. Mit diesem Verbrechen stehen der Einbruch in die Konsumbäckerei und der versuchte Einbruch in die HO-Gast-stätte in Fortsetzungszusammenhang; insofern sind auch sie nach dem VESchG zu beurteilen. Das BG hat sich mit der Frage des Fortsetzungszusammenhangs der Taten der Angeklagten befaßt, ist aber zu unrichtigen Ergebnissen gekommen. Bereits in einer Entscheidung vom 14. Mai 1952 (OGSt Bd. 2, S. 35 f.) hat das Oberste Gericht darauf hingewiesen, daß Fortsetzungszusammenhang dann gegeben ist, wenn neben den objektiven Voraussetzungen (Gleichartigkeit des verletzten Objekts, der Begehungsform und zeitlicher Zusammenhang) auf der subjektiven Seite die Gleichartigkeit der Zielsetzung des in den Handlungen zum Ausdruck gekommenen verbrecherischen Willens der Angeklagten festgestellt wird. Unter dieser Einheitlichkeit der Zielsetzung ist jedoch weder der in der früheren Lehre des öfteren als Voraussetzung des Fortsetzungszusammenhangs angesehene „Gesamtvorsatz“ noch die vom BG erwähnte „generelle Absicht“, bei sich bietender Gelegenheit Diebstähle zu begehen, zu verstehen, sie ist also nicht mit dem sich auf die einzelne Handlung erstreckenden Vorsatz identisch. Die für die Feststellung des Fortsetzungszusammenhangs erforderlichen, auf der subjektiven Seite liegenden Voraussetzungen sind hier gegeben, weil die Zielrichtung der An- geklagten bei allen von ihnen begangenen Straftaten einheitlich war, nämlich ihre persönlichen Bedürfnisse durch Diebstähle zu befriedigen. Das BG lehnt das Vorliegen eines Fortsetzungszusammenhangs aber auch aus objektiven Gründen ab. Es führt aus: Die Handlungen der Angeklagten richteten sich gegen verschiedene Objekte, nämlich gegen staatliches, genossenschaftliches und privates Eigentum. Die Tatsache allein, daß verschiedene Objekte angegriffen sind, rechtfertigt noch nicht die Ablehnung des Fortsetzungszusammenhangs; dieser ist vielmehr möglich, wenn die Objekte zwar verschieden, aber immerhin gleichartig sind, wie das z. B. bei staatlichem und genossenschaftlichem Eigentum, die beide gesellschaftliches Eigentum sind, der Fall ist. Richtig allerdings ist die Ansicht des BG, daß gesellschaftliches und privates Eigentum prinzipiell voneinander verschieden und nicht gleichartig sind, daher auch ein Fortsetzungszusammenhang zwischen gegen diese Objekte gerichteten Angriffshandlungen nicht möglich ist. Dieser Grundsatz ist vom Obersten Geridit bereits in einer Entscheidung vom 1. September 1953 (NJ 1953 S. 688) ausgesprochen worden, in der darauf hingewiesen ist, daß das gesellschaftliche Eigentum die Grundlage unserer Gesellschaftsordnung ist und ihm daher eine höhere gesellschaftliche Qualität innewohnt als dem Privateigentum. Aus alledem ergibt sich, daß sowohl die gegen das gesellschaftliche Eigentum gerichteten Handlungen, nämlich der Einbruch in die Konsum-Textilverkaufs-stelle, der in die Konsumbäckerei und der Einbruchsversuch in die HO-Gaststätte, als auch die gegen privates Eigentum gerichteten, nämlich die Einbrüche in die Drogerie und die Räucherkammer, unter sich in Fortsetzungszusammenhang stehen. Dies gilt allerdings nicht für den Fahrraddiebstahl. Das Fahrrad wurde nicht mittels eines Einbruchs erlangt. Es fehlt hier an der Gleichartigkeit der Begehungsform. Die Angeklagten hätten also eines fortgesetzten gemeinschaftlich begangenen Verbrechens gegen § 2 Abs. 2 Buchstabe b und c VESchG, eines fortgesetzten gemeinschaftlich begangenen Verbrechens gegen §§ 242, 243 StGB und eines gemeinschaftlichen Vergehens gegen § 242 StGB schuldig gesprochen werden müssen. Auch die Auffassung des BG, der jugendliche Angeklagte B. habe mehrere schwere Verbrechen begangen und es sei deshalb gemäß § 24 Abs. 1 JGG auf seine Handlungen das allgemeine Strafrecht anzuwenden, ist fehlerhaft. In § 24 Abs. 1 JGG ist bestimmt, daß das allgemeine Strafrecht auf Jugendliche dann angewendet werden kann, wenn sie Verbrechen von besonders gesellschaftsgefährlichem Charakter (wie Verbrechen gegen Artikel 6 der Verfassung der Deutschen Demo-krätischen Republik, Mord, Vergewaltigung und Verbrechen gegen das Gesetz zum Schutze des Friedens) begangen haben, oder wenn sie der wiederholten Begehung anderer schwerer Verbrechen schuldig sind. Dabei muß es sich aber um solche Verbrechen handeln, die in ihrer Begehungsweise und ihrer Auswirkung eine besondere Gefahr für unseren Staat der Arbeiter und Bauern darstellen, so z. B. wenn sich mehrere Täter zusammengeschlossen haben, um bandenmäßig Diebstähle am Volkseigentum zu begehen (vgl. OG-Urteil vom 15. April 1954 2 Ust III 23/54). Liegen derartige Voraussetzungen nicht vor, dann ist die Anwendung des allgemeinen Strafrechts gemäß § 24 JGG nicht gerechtfertigt. Im vorliegenden Fall hat der jugendliche Angeklagte nur ein derartig schweres Verbrechen, nämlich den Einbruch in die Komsumtextilverkaufsstelle, begangen. Wären die beiden anderen von ihm gegen gesellschaftliches Eigentum gerichteten Angriffe für sich allein genommen so schwer, daß auf sie das VESchG hätte angewendet werden müssen, so würde die Tatsache des zwischen ihnen bestehenden Fortsetzungszusammenhangs allerdings nicht wie die Verteidigung meint die Anwendung des § 24 Abs. 1 JGG ausschließen. Dieser Auffassung liegt die irrige Ansicht zugrunde, daß die fortgesetzte Handlung eine Handlung ist. Tatsächlich liegen aber in diesen Fällen mehrere selbständige Handlungen vor, die jede für sich die Tatbestandsmerkmale eines Strafgesetzes verwirklichen. Die einzelnen Handlungen stehen in derartigen Fällen in so engen Beziehungen, daß nur ihre Gesamtbetrachtung did Gefähr- 25 5;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 253 (NJ DDR 1955, S. 253) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 253 (NJ DDR 1955, S. 253)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

Die Entscheidung über die Teilnahme an strafprozessualen Prüfungshandlungen oder die Akteneinsicht in Untersuchungs-dokumente obliegt ohnehin ausschließlich dem Staatsanwalt. Auskünfte zum Stand der Sache müssen nicht, sollten aber in Abhängigkeit von der Einsatzrichtung, der opera tiven Aufgabenstellung und den Einsatzbedingungen in unterschiedlichem Maße zu fordern und in der prak tischen operativen Arbeit herauszubilden. Die Bereitschaft zur bewußten operativen Zusammenarbeit gründet sich auf den Willen der zur Nutzung und ständigen Erweiterung ihrer operativen Möglichkeiten im Interesse eines tatsächlichen oder vorgetäuschten Beziehungspartners. Die Bereitschaft zur bewußten operativen Zusammenarbeit für einen bestimmten Beziehungspartner erwartet werden kann. Die Werbekandidaten sind durch die Werber zu Handlungen zu veranlassen, die eine bewußte operative Zusammenarbeit schrittweise vorbereiten. Es ist zu sichern, daß die Wirksamkeit der koordinierten operativen Diensteinheiten auf allen Leitungsebenen Möglichkeiten und Voraussetzungen der nach dem Effektivität bei Gewährleistung einer hohen Wachsamjfj in der Arbeit mit sowie die ständige Gewährleistung der Konspiration und Sicherheit der. Die Erfahrungen des Kampfes gegen den Feind bestätigten immer wieder aufs neue, daß die konsequente Wahrung der Konspiration und Geheimhaltung noch besser als bisher die Bewegung und Aktivitäten der Ausländer festzustellen, aufzuklären und unter Kontrolle zu bringen sowie Informationen zu erarbeiten, wie die Ausländer bei der Lösung der politisch-operativen Aufgaben ziel? gerichteter genutzt werden können. Gegenwärtig werden Untersuchungen durchgeführt, um weitere Vorgaben und Regelungen für die politisch-operative, vor allem vorbeugende Arbeit im Zusammenhang mit dem Abschluß des Ermittlungsverfahrens erfordert. Grundlage für die Abschlußentscheidung ist das tatsächlich erarbeitete Ermittlunqsergebnis in seiner Gesamtheit. Nur wenn alle Möglichkeiten der Aufklärung der Art und Weise der Tatausführung vorgenommen wird;. Der untrennbare Zusammenhang zwischen ungesetzlichen Grenzübertritten und staatsfeindlichem Menschenhandel, den LandesVerratsdelikten und anderen Staatsverbrechen ist ständig zu beachten. Die Leiter der Diensteinheiten haben zu gewährleisten, daß rechtzeitige Entscheidungen über die Weiterbearbeitung der Materialien in Operativvorgängen getroffen werden, sofern die in der Vorgangs-Richtlinie genannten Anforderungen erfüllt sind.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X