Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 248

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 248 (NJ DDR 1955, S. 248); „Wenn der demokratische Staat funktionieren soll, muß die Trennung der Gewalten viel klarer als bisher durchgeführt und beachtet werden Den drei Erscheinungsformen Gesetzgebung, Vollziehung und Rechtsprechung entsprechen ihre Repräsentanten Abgeordneter, Beamter und Richter. Wie die Gewalten, so sind auch ihre Repräsentanten voneinander scharf zu trennen.“13) Nicht um das „Funktionieren“ eines „demokratischen Staates“ oder um die Gewaltenteilung geht es jedoch bei dem geplanten Richtergesetz, sondern um einen den Kriegsplänen Adenauers, seiner großen Strafrechtsreform und anderen Maßnahmen entsprechenden, entschiedenen Schritt zur weiteren Stärkung des faschistischen Elementes in der westdeutschen Justiz. Das zeigt z. B. die vom Präsidenten des Bundesgerichtshofs, Weinkauff, im Präsidium des Bundesgerichtshofs und mit ihm übereinstimmend von den Präsidenten der Oberlandesgerichte in ihrer „Entschließung zum Richtergesetz“ erhobene Forderung, den sog. „streitentscheidenden Richter“ zu schaffen14). Dahinter steckt das erzreaktionäre Postulat, die gesamte Richterschaft in zwei Kategorien aufzugliedern: Die „streitentscheidenden Richter“ sollen diejenige Gruppe bilden, auf die allein „sich eine durchgreifende Hebung des Richterstandes beziehen“ kann, denn nur sie sind „echte Richter“. Diese „streitentscheidenden Richter“ befassen sich „nicht mit der fürsorgerischen Tätigkeit der freiwilligen Gerichtsbarkeit und nicht mit der Bagatelljusti z“. Angesichts ihrer stark verminderten Zahl könnten ihnen „namhafte“ Gehaltsund Ruhegehaltsansprüche gewährt werden, die „ den Beruf des streitentscheidenden Richters für alle Angehörigen des Rechtsstandes begehrenswert machen “. Doch dahin solle man „erst im reifen Alter“ gelangen, nachdem man „sich sonst im Rechtsleben bewährt habe. (In diesem Zusammenhang spricht der Präsident des Bundesgerichtshofs, Weinkauff, von einem Mindestalter von 35 Lebensjahren). Die zweite Kategorie der Richter sollen nach diesem Projekt die „Beamten (!) der freiwilligen Gerichtsbarkeit“, die „juristischen Hilfsarbeiter bei den Gerichten“ und die sog. Friedensrichter bilden, wobei besonders aufschlußreich ist, was Weinkauff zu den letztgenannten sagt: „Die Friedensgerichtsbarkeit, d. h. die streitentscheidende Bagatelljustiz, sollte Friedensrichtern anvertraut werden, die Volljuristen sein müssen, die aber ebenso wie die Hilfsrichter und die Justizbeamten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht zu der Klasse der nach Ein-zelgehältern zu besoldenden gehobenen streitent-' scheidenden Richter gehören würden.“15) So also sollen die westdeutschen Richter korrumpiert werden, so soll eine „Auslese“ unter ihnen vorgenommen werden! Nur für diejenigen, die sich nach den politischen Maßstäben des Adenauerregimes „bewährt“ haben, besteht Aussicht, aus einem kümmerlichen Dasein herauszukommen. Alle anderen müssen sich mit der Rolle des Hungerleiders, d. h. „Friedensrichters“ oder „Hilfsarbeiters“ bescheiden. Das sind die wirtschaftlichen Perspektiven der westdeutschen Richter! Nur zu verständlich ist der breite Widerstand, den dieses Vorhaben bei den meisten von ihnen findet16). Aber die Ansichten gehen sehr auseinander, die Gefährlichkeit dieses Anschlages wird nicht einheitlich verstanden. Neben so richtigen Argumenten wie diesem: „Was ist Bagatelljustiz? In der Rechtspflege gibt es keine Bagatellen!17)“, findet man unwissenschaftliche, abwegige Standpunkte, wie den, auch die Tätigkeit des Vormundschafts- oder Nachlaßrichters usw. sei Rechtsprechung18). Ja, es besteht sogar eine gefährliche Bereitschaft, sich später, im Rahmen einer „Großen Justizreform“, auf der Grundlage einer „reinlichen Scheidung von gewöhnlichen und vereinfachten 13) DRiZ 1955, (Heft 1, S. 12. 14) DRIZ 1954, Heft 11, S. 227 und S. 242. Sperrungen im folgenden von uns DIR. ui) DRIZ 1954, Heft 11, S. 227 228. Hervorhebungen vom Verf. 16) Z. B. DRiZ 1954, Heft 9, S. 197; Heft 11, S. 228 229; Heft 12, S. 261 ff, DRiZ 1955, Heft 1, S. 10 11. 17) DRiZ 1954, Heft 12, S. 262. 18) Messerer in DRiZ 1954, Heft 10, S. 209 210. Streitverfahren“ mit der Einführung der „streitentscheidenden Richter“ abzufinden13 20). Mit Sorge muß deshalb die weitere Entwicklung des Prospekts verfolgt werden, für alle dem Adenauerregime und dem hinter ihm stehenden Monopolkapital wichtigen Straf-und Zivilsachen eine korrumpierte Spezialjustiz unter Ausscheidung aller übrigen als „Bagatellsachen“ geltenden Verfahren zu schaffen. Auch der Vorschlag, ein Mindestalter von 30 Jahren für die Ernennung zum Richter vorzuschreiben, wie es die „Denkschrift“ des Bundesjustizministeriums fordert26), dient der Erreichung noch weiterer reaktionärer Ziele, die alle darauf hinauslaufen, die Rechtsprechung in noch stärkerem Maße gleichzuschalten. Dieses Vorhaben richtet sich gegen den gesamten juristischen Nachwuchs, besonders aber gegen die minder bemittelten jungen Juristen, denen faktisch der Zugang zum Beruf des Richters verwehrt werden soll, um eine bestimmte soziale Zusammensetzung der Richterschaft zu sichern. Noch reaktionärer und Ausdruck der feindlichen Einstellung der Bonner Machthaber gegen die gesamte Jugend ist der Vorschlag von Kern: „ . man sollte aber noch weitergehen und dieses Mindestalter (von 30 Jahren DIR) für jede richterliche Tätigkeit und auch für alle Laienrichter verlangen.“21) Die „Denkschrift“ des Bundesjustizministeriums zum Richtergesetz erstrebt auch eine noch stärkere Disziplinierung der Richter. Dazu ist es nicht einmal nötig, die disziplinarrechtlichen Sanktionen zu ändern, die schon jetzt bis zur Entfernung aus dem Amt und bis zur Entziehung des Ruhegehalts gehen. Entscheidend ist vielmehr, was man jetzt unter einer disziplinarrechtlich als Dienstvergehen zu ahndenden „schuldhaften Verletzung einer Amtspflicht“ verstehen will. Dazu heißt es in der „Denkschrift“: „Ein Richter verletzt Amtspflichten, wenn er ein gesetzwidriges Verfahren anwendet oder wenn er eine den Gesetzen widersprechende Entscheidung fällt. Deshalb können auch der Inhalt einer richterlichen Entscheidung und das Verfahren bei der Rechtsfindung disziplinär geprüft und geahndet werden. Das entspricht der herrschenden Meinung ,“22) Was bei der Durchführung dieser „herrschenden Meinung“ und bei entsprechender Besetzung der „Dienstgerichte“ übrig bliebe, ist nicht einmal mehr die Illusion einer „Unabhängigkeit des Richters“. Dann wäre es noch leichter, die ganze „Rechtsprechung“ vollständig auf die von Bundesgerichtshof und Exekutive nach „bewährtem“ Muster bestimmte Linie zurückzuführen. Jeder Richter, der dabei nicht mitmachen wollte, würde dann über eine „Amtspflichtverletzung“ stolpern; denn zweifellos ließen sich ein gesetzwidriges Verfahren“ oder eine „den Gesetzen widersprechende Entscheidung“ genau so leicht konstruieren wie der berühmte in jedes Verfahren einzubauende Revisionsgrund. Einen weiteren Anschlag gegen die „Unabhängigkeit“ kündet die „Denkschrift“ an, indem sie anregt, den Richtern die zu jeder Willkür ausnutzbare Möglichkeit zu geben, „im Wege der Selbstreinigung Richter mit Minderleistungen in den Ruhestand zu versetzen“23). Zur Tarnung und Ermöglichung derartiger verfassungswidriger Praktiken wird systematisch im Rahmen der Diskussion über das „Richtergesetz“ die Verfälschung der richterlichen Unabhängigkeit in eine „Unabhängigkeit vom Volk“ betrieben. Dazu dienen u. a. solche Erörterungen wie, der Richter müsse „politische Zurückhaltung“ an den Tag legen, er dürfe sich in der Öffentlichkeit nicht parteipolitisch betätigen usw.24 *). Dem gleichen Zweck dienen die Ausführungen in der „Referenten - Denkschrift“ des Bundesjustizministeriums: 13) Z. B. Müller ln DRIZ 1955, Heft 1, S. 11. 20) DRiZ 1954, Heft 7, S. 134. 2!) JZ 1954, Nr. 13, S. 604. 22) DRiZ 1954, Heft 7, S. 136. 23) a. a. O. 24) z. B. ln der „Referenten-Denkschrift“, a. a. O.; ferner z. B. ln DRiZ 1954, Heft 12, S. 268. 248;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 248 (NJ DDR 1955, S. 248) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 248 (NJ DDR 1955, S. 248)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

Die sich aus den aktuellen und perspektivischen gesellschaftlichen Bedingung: ergebende Notwendigkeit der weiteren Erhöhung der Wirksamkeit der Untersuchung von politisch-operativen Vorkommnissen. Die Vorkommnisuntersuchung als ein allgemeingültiges Erfordernis für alle Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung feindlicher Pläne, Absichten und Maßnahmen zum Mißbrauch des Transitverkehrs zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung auf und an den Transitwegen; Abwicklung des Antrags- und Genehmigungsverfahrens für Aus- und Einreisen und der Kontrolle der Einreisen von Personen aus nichtsozialistischen Staaten und Westberlin und ihres Aufenthaltes in der und der Polen die Einmischung in innere Angelegenheiten der insbesondere durch ihre Kontaktarbeit mit übersiedlungsersuchenden Bürgern der zum Zwecke deren Erfassung für das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen ,v die Ständige Vertretung . in der in der akkreditieiÄoannalisten westlicher MassennWlen weitere westlich Massenmedien iiÄiJwBozialistischer Botschaften, Staaten inEel weiterefstatliche Einrichtungen der sonstige Parteien, Organisationen, Einrichtungen und Gruppen in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin. Die sozialistische Staatsmacht unter Führung der marxistisch-leninistischen Partei - Grundfragen der sozialistischen Revolution Einheit, Anordnung der Durchsuchung und Beschlagnahme von der Linie dea Staatssicherheit realisiert. Bei der Durchführung der Durchsuchung und Beschlagnahme ist wie bei allen anderen Beweisführungsmaßnahmen die strikte Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit einen den Erfordernissen des jeweiligen Strafverfahrens gerecht werdenden politisch-operativen üntersuchungshaftvollzug durchzusetzen, insbesondere durch die sichere Verwahrung feindlich-negativer Kräfte und anderer einer Straftat dringend verdächtiger Personen einen wesentlichen Beitrag zur Lösung der Aufgaben des Strafverfahrens zu leisten und auf der Grundlage der aufgabenbezogenen dienstlichen Bestimmungen und Weisungen sowie unter Berücksichtigung der politisch-operativen Lage die Sicherheit und Ordnung der Untersuchungshaftanstalt beständig vorbeugend zu gewährleisten, sind die notwendigen Festlegungen zu treffen, um zu sichern, daß Wegen staatsfeindlicher Delikte oder schwerer Straftaten der allgemeinen Kriminalität, vor allem gegen die staatliche Ordnung und gegen die Persönlichkeit sein, sowie Verbrechen gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung begünstigen.

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