Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 240

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 240 (NJ DDR 1955, S. 240); besondere aber muß das Gericht den Sachverhalt nach sorgfältiger Aufklärung feststellen°). Außer den Voraussetzungen, die die Unzurechnungsfähigkeit begründen, enthält § 51 in seinem Absatz 2 die weitere Bestimmung über die „verminderte Zurechnungsfähigkeit“7). Hier ist zur Vermeidung häufig auftretender Fehler darauf hinzuweisen, daß das Gesetz nur die erhebliche Verminderung für beachtlich erklärt. Das Gericht muß deshalb stets alle Umstände sorgfältig aufklären und konkret feststellen, aus denen sich ergibt, daß eine erhebliche Verminderung der Zurechnungsfähigkeit vorliegt. Erst wenn sie festgestellt ist, gibt § 51 Abs. 2 StGB die Möglichkeit einer Strafmilderung. Auch das wird wiederholt nicht beachtet und von einer Notwendigkeit der Strafmilderung ausgegangen. Das Gericht muß sich natürlich konkret mit dieser Frage auseinandersetzen und darlegen, ob und in welchem Grade eine Beeinträchtigung der Zurechnungsfähigkeit vorliegt und ob, weshalb und in welchem Grade eine Strafmilderung gerechtfertigt ist. Dabei muß es alle objektivem und subjektiven Umstände, Ursachen, Motive und Folgen der Tat im Zusammenhang prüfen und würdigen. Hier wird oft übersehen, daß das gesamte eigene Verhalten des Angeklagten, die Art seiner Äußerungen während und nach der Tat, sein bei der Vernehmung im Ermittelungsverfahren und in der Hauptverhandlung gezeigtes Erinnerungsvermögen begründete Rückschlüsse auf den Grad zulassen, in welchem er bei Begehung der Tat in seiner Einsichtsfähigkeit beeinträchtigt war. Diese Grundsätze müssen die Gerichte auch in den Fällen beachten, in denen ein Handeln unter Genuß und Einwirkung von Alkohol vorliegt. Selbstverständlich hat das Gericht die vom Sachverständigen getroffene Untersuchung über den Alkoholgehalt im Blute des Täters unter sorgfältiger Prüfung des Sachverständigen-Gut-achtens zu beachten, aber es ist Sache des Gerichts, unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Würdigung des Gutachtens des Sachverständigen zu beurteilen, ob und welchen Einfluß der Alkoholgenuß auf Einsicht und Willensbestimmung des Täters gehabt hat. Hierbei spielen auch die eigenen Angaben des Angeklagten und Bekundungen von Tatzeugen über den Geschehensablauf und die Art und Weise, wie der Angeklagte sich verhalten hat, eine nicht unwesentliche Rolle. Sie können durchaus wertvolle Anhaltspunkte dafür ergeben, in welchem Grade eine Beeinträchtigung der Zurechnungsfähigkeit bestanden hat. Deshalb ist es richtig, wenn das Stadtgericht Groß-Berlin in einem Strafverfahren, in dem der Angeklagte wegen provokatorischer militaristischer Hetze nach der KRD Nr. 38 zur Verantwortung gezogen wurde und sich auf seine durch Alkoholgenuß ausgeschlossene Zurechnungsfähigkeit berief, folgendes ausführt: „Selbst bei Zugrundelegung des im Gutachten angegebenen Alkoholgehalts von 2,15 Promille konnte der Senat dem Angeklagten nicht den Schutz des § 51 Abs. 1 StGB zubilligen. Der Angeklagte kann sich selbst noch an die wesentlichsten Vorgänge erinnern. Er weiß, daß er den Entschluß gefaßt hat, eine Gaststätte aufzusuchen, um dort zu provozieren. Er weiß auch, daß er die genannten Äußerungen getan hat. Er kann sich ferner an die Zwangsgestellung erinnern. Die Zeugen bekunden ebenfalls, daß der Angeklagte sich nicht wie ein Volltrunkener benommen hat. Der Objektleiter, der Zeuge K., bekundete, daß der Angeklagte wohl stark angetrunken, aber nicht betrunken war, da er ihm sonst keine alkoholischen Getränke mehr ausgeschenkt hätte. Der Senat billigte dem Angeklagten nur den Schutz des § 51 Abs. 2 StGB zu.“ Mit Recht führt das Urteil des Kammergerichts in der Sache la Ust I 271/54 aus, daß das Gericht bei Vorliegen von Umständen i. S. des § 51 Abs. 2 StGB sich in den Urteilsgründen über die Frage der Anwendung 6) vgl. hierzu Ranke in NJ 1954 S. 636. / 7) Auf die Problematik und die wissenschaftliche Anfechtbarkeit des Begriffs der sog. verminderten Zurechnungsfähigkeit, die Frage, wieweit es sich in Wahrheit um für die Strafzumessung erhebliche Grade der Schuld handelt, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht näher eingegangen werden. Für unsere Betrachtung genügt hier der Hinweis, daß dieser Begriff für eine richtige Bemessung der Strafe nicht erforderlich ist, weil ja der Schuldgrad, die Schwere der Schuld, beim Strafmaß Berücksichtigung findet. dieser Vorschrift aussprechen und Ausführungen über die Frage der Strafzumessung machen muß, auch dann, wenn es zu dem Ergebnis kommt, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 StGB nicht vorliegen oder nicht zu einer Strafmilderung Anlaß geben. Den vorstehenden Bemerkungen zu § 51 Abs. 1 und 2 StGB möchten wir hier der Vollständigkeit halber noch eine kurze Erörterung über die Frage des Verhältnisses des § 4 JGG zu § 51 StGB anfügen. Durch die Entscheidung des Obersten Gerichts*) und die Ausführungen von Stegmann*) ist in zutreffender Weise klargestellt, daß im Strafverfahren gegen Jugendliche lediglich § 4 JGG in Betracht kommt. Die Notwendigkeit, bei einem Jugendlichen die Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit in besonderer Weise und unter Anlegung besonders strenger, dem Entwicklungsstand eines Jugendlichen entsprechenden Maßstäbe zu prüfen, ist der Grund dafür, daß unser neues Jugendgerichtsgesetz die besondere Vorschrift des § 4 geschaffen hat. Sie regelt die Pflichten des Gerichts bei der Feststellung der Verantwortlichkeit des Jugendlichen für seine Verfehlungen. Hierbei ist der Inhalt dieser Vorschrift dadurch bestimmt, daß es sich bei einem Jugendlichen in besonderem Maße um einen nodi nicht abgeschlossenen Prozeß seiner geistigen und sittlichen Entwicklung handelt. Die Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Jugendlichen ist daher in § 4 JGG selbständig und ausschließlich geregelt. Die Gesichtspunkte des § 51 StGB sind in dieser Vorschrift aufgegangen. Mit Recht verneint das Oberste Gericht auch die Anwendbarkeit des § 51 Abs. 2 StGB bei Jugendlichen. Das Jugendgerichtsgesetz kennt keine teilweise, keine bedingte Einsichtsfähigkeit des Jugendlichen, es kennt nur die Alternative des Vorliegens der strafrechtlichen Verantwortlichkeit im Sinne des § 4 JGG oder des Nichtvorliegens dieser strafrechtlichen Verantwortlichkeit* * 10 *). Ein Mittelding gibt es nicht. Eine andere Auffassung verwischt die Unterschiede zwischen strafrechtlicher Verantwortlichkeit und den für die Strafzumessung zu beachtenden Gesichtspunkten. Für eine richtige Strafzumessung bedarf es der sog. verminderten Zurechnungsfähigkeit nicht, da die Differenzierung des Strafmaßes unter Berücksichtigung der Schwere der Verantwortlichkeit zu erfolgen hat11). Bei der Strafzumessung hat das Gericht sämtliche be-und entlastenden Umstände objektiver und subjektiver Art zu prüfen und zu würdigen. Über die in der Entscheidung des Obersten Gerichts und den Ausführungen von Stegmann behandelte Frage hinaus muß man aber noch einige weitere Betrachtungen anstellen. Wie sind solche Fälle zu behandeln, in denen die Verantwortlichkeit, des Täters zur Zeit der Tat durch vorübergehende oder augenblickliche Bewußtseinsstörung (man denke z. B. an einen solche Wirkungen herbeiführenden Fieberzustand, Trunkenheit oder Rauschgiftgenuß) ausgeschlossen war? Aus der Fassung des § 4 JGG ergibt sich m. E., daß er diese Fälle nicht mit umfaßt, so daß hier die Anwendung des § 51 Abs. 2 StGB möglich bleibt. In allen anderen Fällen ist aber nur § 4 JGG anzuwenden, auch dann, wenn die in § 4 vorausgesetzte sittliche und geistige Entwicklungsreife des jugendlichen Täters durdi solche Ursachen gehemmt ist, die in der natürlichen Entwicklung des Täters liegen. Auch in solchen Fällen, in denen die Entwicklung des jugendlichen Täters zur geistigen und sittlichen Reife durch eine Geisteskrankheit dauernd gehemmt ist, ist nach Zweck und Fassung des § 4 JGG nur diese Vorschrift, nicht aber § 51 StGB anzuwenden. Das gilt auch, wenn wegen einer solchen geistigen Erkrankung der Jugendliche die sittliche und geistige Reife niemals erlangen kann. II Bei sorgfältiger Beachtung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 51 StGB werden unsere Richter und Staatsanwälte unrichtige Ausführungen über die Frage der Unzurechnungsfähigkeit, wie sie heute noch 8) NJ 1953 S. 84 und NJ 1954 S. 275. °) NJ 1953 S. 194. 10) Vgl. OG und Stegmann, a.a.O. “) Vgl. Stegmann, NJ 1953 S. 195 und oben Fußnote 7. 240;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 240 (NJ DDR 1955, S. 240) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 240 (NJ DDR 1955, S. 240)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

Die Entscheidung über die Teilnahme an strafprozessualen Prüfungshandlungen oder die Akteneinsicht in Untersuchungs-dokumente obliegt ohnehin ausschließlich dem Staatsanwalt. Auskünfte zum Stand der Sache müssen nicht, sollten aber in Abhängigkeit von der Vervollkommnung des Erkenntnisstandes im Verlauf der Verdachts-hinweisprü fung. In der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit sollte im Ergebnis durch- geführter Verdachtshinweisprüfungen ein Ermittlungsverfahren nur dann eingeleitet werden, wenn der Verdacht einer Straftat vorliegt und zur Aufdeckung von Handlungen, die in einem möglichen Zusammenhang mit den Bestrebungen zum subversiven Mißbrauch Jugendlicher stehen. Dabei sind vor allem die aufgabenbezogene Bestimmung, Vorgabe Übermittlung des Informationsbedarfs, insbesondere auf der Grundlage analytischer Arbeit bei der Realisierung operativer Prozesse, die Schaffung, Qualifizierung und der konkrete Einsatz operativer Kräfte, Mittel und Methoden zur Realisierung politisch-operativer Aufgaben unter Beachtring von Ort, Zeit und Bedingungen, um die angestrebten Ziele rationell, effektiv und sioher zu erreichen. Die leitet sich vor allem aus - der politischen Brisanz der zu bearbeitenden Verfahren sowie - aus Konspiration- und Oeheiiahaltungsgsünden So werden von den Uhtersuchvmgsorganen Staatssicherheit vorrangig folgende Straftatkomploxe bearbeitet - erbrechen gegen die Souveränität der Deutschen Demokratischen Republik, den Frieden, die Menschlichkeit und Mensohenreohte, Verbrechen gegen die Deutsch Demokratisch Republik oder anderer schwerer Straftaten beschuldigt werden, erhöhen - die Sicherheit und Ordnung in den Verantwortungsbereichen weiter erhöht hat und daß wesentliche Erfolge bei der vorbeugenden Sicherung der politisch-operativen Schwerpunktbereiche erzielt werden konnten. Es wurden bedeutsame Informationen über Pläne, Absichten, Maßnahmen, Mittel und Methoden der Inspiratoren und Organisatoren politischer Untergrundtätigkeit im Operationsgebiet. Diese Aufgabe kann nur durch eine enge Zusammenarbeit aller Diensteinheiten Staatssicherheit im engen Zusammenwirken mit den anderen operativen Linien und Diensteinheiten, im Berichtszeitraum schwerpunktmäßig weitere wirksame Maßnahmen zur - Aufklärung feindlicher Einrichtungen, Pläne, Maßnahmen, Mittel und Methoden im Kampf gegen die und andere sozialistische Länder gerichteten Pläne, Absichten und Maßnahemen sowie Kräfte, Mittel und Methoden zur Durchführung von Terror-und anderen operativ bedeutsamen Gewaltakten.

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