Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 231

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 231 (NJ DDR 1955, S. 231); sagen, wenn die Rechtshandlung im angegebenen Sinn dem Gesetz oder den Interessen der Gesellschaft widerspricht. Der Bedeutung von Familiemsachen widerspricht es, das Gericht auf die passive Entgegennahme solcher prozessualen Erklärungen zu beschränken. Die Tatsache, daß die Partei nicht einseitig das Verfahren beenden kann, kommt folgerichtig dadurch zum Ausdruck, daß das Gericht zugleich mit der Bestätigung der Rechtshandlung das Verfahren durch Beschluß einstellt. 2. Das Prinzip der streitigen Verhandlung In allen Ehe-, Kindschafts- und Entmündigungssachen gilt nach dem bisherigen Rechtszustand weder das Verhandlungsprinzip noch das Inquisitionsprinzip in vollem Umfang. Das Verhandlungsprinzip ist zugunsten einer stärkeren Initiative des Gerichts eingeschränkt, z. B. durch §§ 617, 619, 622. Es trifft aber nicht zu, daß der Verzicht auf die Ermittlung der objektiven Wahrheit im bürgerlichen Prozeßrecht für den familienrechtlichen, Prozeß im engeren Sinne (also ohne Unterhaltsprozeß) nicht gilt20). Da diese Verfahren ebenfalls, zumindest mittelbar, die kapitalistischen Interessen der herrschenden Klasse berühren, war auch für diese Verfahren trotz erheblicher Einschränkungen die Dispositions- und Verhandlungsmaxime nicht völlig zugunsten der Untersuchungsmaxime aufgegeben. Das beweisen die bekannten Prozeßmanöver in Scheidungssachen. Grundsätzlich war es nach der bürgerlichen Lehre nur im Strafprozeß berechtigt, dem Streben des Gerichts nach Ermittlung der objektiven Wahrheit freie Bahn zu lassen, weil die „Allgemeinheit“ nur an der Durchführung der Strafprozesse interessiert sei. Diese bürgerliche Auffassung hängt aufs engste mit der Trennung von privatem und öffentlichem Recht zusammen. Das hohe Interesse an der Gesunderhaltung von Ehe und Familie in unserer Gesellschaftsordnung macht alle diese Unterscheidungen hinfällig. Der Gegensatz von privaten Interessen und gesellschaftlichen Interessen ist allgemein überwunden. Um so mehr gilt das für alle persönlichen und vermögensrechtlichen Beziehungen in Ehe und Familie. Dem besonderen Charakter der Familiensachen entspricht die Einführung eines inhaltlich neuen Verhandlungsgrundsatzes unter Verwertung der Erkenntnisse der sowjetischen Zivilprozeßwissenschaft. Denn nicht nur in Scheidungssachen, sondern in allen Familiensachen erfordert das Prinzip der Erforschung der objektiven Wahrheit, daß alle Möglichkeiten, den wirklichen Zustand von Ehe und Familie festzustellen, mit einer bisher nicht immer geübten Sorgfalt ausgeschöpft werden. Alle Vorschriften, die den Parteien gestatten, das Gericht bei der Ermittlung des Sachverhalts in bestimmter Richtung festzulegen und zu beschränken, müssen beseitigt werden. Im Scheidungsverfahren kommt das bereits in § 29 des Entwurfs des FGB zum Ausdruck, der auch eine Änderung des § 622 ZPO insofern bedeutet, als alle erheblichen Tatsachen und nicht mehr nur die „ehefreundlichen“ Tatsachen vom Gericht untersucht werden müssen. Für Rechtsstreitigkeiten, welche die Feststellung des Rechtsverhältnisses zwischen Eltern und Kindern zum Gegenstand haben, hat das Oberste Gericht in mehreren Entscheidungen darauf hingewiesen, welche besonderen Aufgaben dem Gericht bei der Anwendung des Offizialverfahrens nach §§ 640 ff. ZPO erwachsen21). Obwohl es sich hierbei um einen Übergang vom bürgerlichen Verhandlungsprinzip zur sogenannten Offizial- oder Untersuchungsmaxime handelt, erscheint es nicht richtig, das neue Prozeßprinzip im sozialistischen Prozeß im allgemeinen und besonders für unsere Familiensachen der Offizialmaxime gleichzusetzen. Denn diese würde, konsequent durchgeführt, bedeuten, daß sowohl der Umfang der zu untersuchenden Tatsachen wie auch die von Amts wegen zu führende Beweiserhebung ohne Rüdesicht auf die Parteiinitiative allein von dem Gericht bestimmt würden. Dieses Prinzip ist zwar stets für das Strafverfahren und auch für das Verwaltungsverfahren kennzeichnend gewesen, es ist aber niemals im Zivilprozeß uneingeschränkt durchgeführt worden, auch nicht in Ehe- und Kindschaftssachen22). 20) Niethammer, a.a.O. S. 348. 21) OG (NJ 1953 S. 658, 1955 S. 87 f). 22) vgl. Walligurski, a.a.O. Sp. 87 f. Die sowjetische Prozeßrechtswissenschaft spricht vom „Prinzip der streitigen Verhandlung“. Ein Vergleich mit dem Verhandlungsprinzip und der Untersuchungsmaxime der bürgerlichen Theorie ist verfehlt, weil der Inhalt dieses Prinzips durch die neue Gesellschaftsordnung bestimmt wird. Auf der Grundlage der demokratischen Justiz ist der Kern dieses Prinzips die enge Verbindung der Parteiinitiative mit der aktiven Prozeßtätigkeit des Gerichts. Nur in einem Arbeiter- und Bauernstaat kann das Prinzip der Nichteinmischung des Staates, der Privatautonomie der Parteien auf dem Ge biete des Zivil- und Familienrechts zugunsten der von Lenin geforderten stärkeren Einmischung des Staates aufgegeben werden. Das Ziel, dem Gericht eine größere Unabhängigkeit von der Parteiinitiative bei der Ermittlung und Feststellung des tatsächlichen Prozeßstoffes einzuräumen, war auf dem Gebiet der nichtvermögensrechtlichen Ehe- und Kindschaftssachen weitgehend schon im bisherigen Recht berücksichtigt, vgl. §§ 617; 619, 622, 640 ZPO. Aus den oben behandelten Grundprinzipien ergibt sich aber die Notwendigkeit, für alle Familiensachen und ohne Einschränkung dem Gericht die Klärung des Sachverhalts von Amts wegen zu übertragen. Dieses „Prinzip der streitigen Verhandlung“ bedeutet also: „Die Verbindung der selbständigen und aktiven Prozeßtätigkeit der Parteien und des Gerichts, die auf die Ermittlung und Feststellung der tatsächlichen Rechtsverhältnisse und der wechselseitigen Beziehungen der Parteien durch das Gericht, d. h. auf die Feststellung der materiellen Wahrheit gerichtet ist, um eine gestzliche und begründete gerichtliche Entscheidung zu finden“23). Dadurch wird nicht nur unmittelbar die Feststellung der objektiven Wahrheit durch das Gericht gefördert, sondern auch die reale Gleichheit der Parteien im Gegensatz zu der nur formalen Gleichstellung auf Grund der bürgerlichen Verhandlungsmaxime gesichert. Erst bei dieser Gestaltung des Verfahrens wird das Gericht in Familiensachen in einer wirklich echten streitiger) Verhandlung seine Aufgaben erfüllen können. Es ist darauf hinzuweisen, daß zwischen den prozessualen Befugnissen, die sich aus dem abgewandelten' Dispositionsprinzip ergeben, und denjenigen, die dem Prinzip der streitigen Verhandlung entsprechen, ein wesentlicher Unterschied besteht. Im ersten Fall wird den Parteien eine Verfügung über ein geltend gemach--tes Recht gestattet, im zweiten Fall müssen die Er--klärungen der Parteien stets der Wahrheit entsprechen.-Während Klagerücknahme, Vergleich, Anerkenntnis und Verzicht Verfügungen über subjektive Rechte darstellen, ist das Zugeständnis einer tatsächlichen Behauptung keine solche Verfügung. Da es sich hier um Tatsachen handelt, ist das Gericht auf Grund des Prinzips der objektiven Wahrheit verpflichtet, alle Handlungen und Ereignisse genau festzustellen, die den rechtlichen Beziehungen der Parteien zugrunde liegen. Dieser Verpflichtung des Gerichts entspricht die Wahrheitspflicht der Parteien. Grundsätzlich bleiben die Parteien verpflichtet, dem Gericht die Tatsachen und die Beweise mitzuteilen, aus denen sie ihre Rechte herleiten. Das Gericht braucht sich aber nicht auf die tatsächlichen Behauptungen der Parteien zu beschränken, sondern hat den Sachverhalt vollständig aufzuklären und zu diesem Zweck die gesamten, für die Entscheidung erheblichen Umstände festzustellen. Es kann auch die Aufnahme solcher Beweise anordnen, die nicht von den Parteien angeboten worden sind, und auch solche Tatsachen berücksichtigen, die von den Parteien nicht vorgetragen worden sind. Die Parteien ihrerseits sind berechtigt und verpflichtet, an der allseitigen gründlichen Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Diese Regelung geht erheblich über den Inhalt der §§ 139 und 272b ZPO hin-; aus. Sie schließt auch die Anwendung formaler Beweislastregeln aus, so daß z. B. die Tatsache, daß der Kläger seinen Anspruch nicht zu beweisen vermag, nicht not-; wendig zur Abweisung der Klage führen muß24). Auch für Familiensachen, die vermögensrechtliche Beziehungen zum Gegenstand haben, können die §§ 138 Abs. 3 und 288 ZPO dann nicht mehr angewendet werden. 23) Abramow, a.a.O. 2. Kap. § 13; Walligurski, a.a.O. Sp. 90. 24) vgl. Siedlecki, Die Beweislast im polnischen Zivilprozeß, RID 1955, Sp. 53 f, 58. $31;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 231 (NJ DDR 1955, S. 231) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 231 (NJ DDR 1955, S. 231)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

Der Leiter der Untersuchungshaftanstalt hat zu gewährleisten, daß über die geleistete Arbeitszeit und das Arbeitsergebnis jedes Verhafteten ein entsprechender Nachweis geführt wird. Der Verhaftete erhält für seine Arbeitsleistung ein Arbeitsentgelt auf der Grundlage der Gemeinsamen Anweisung zur Durcliführung der Untersuchungshaft - und der Gemeinsamen Festlegung der Hauptabteilung und der Abteilung zur einheitlichen Durchsetzung einiger Bestimmungen- der Untersuchungshaftvoilzugsorduung - Untersuchungshaftvollzugsordnung -in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit . Zur Durchsetzung der Gemeinsamen Anweisung psGeh.ffä lstaatsanwaltes der Deutschen Demokratischen Republik, defür Staatssicherheit und des Ministers des Innern und Deutschen Volkspolizei über die Durchführung der Untersuchungshaft und den dazu erlassenen Anweisungen die Kräfte und Mittel des Wach- und Sicherungsdienstes der Abteilung Dem Wachschichtleiter sind die Angehörigen des Wach- und Sicherungsdienstes in den Abteilungen Grundsätze des Wach- und Sicherungs- dienstes - Aufgaben des Wachschichtleiters, Aufgaben des Stellvertreters des Wachschichtleiters, Aufgaben und Befugnisse des Wach-. und Sicherungsdienstes Einsatzformen des Wach- und Sicherungsdienstes in den Abteilungen Grundsätze des Wach- und Sicherungs- dienstes - Aufgaben des Wachschichtleiters, Aufgaben des Stellvertreters des Wachschichtleiters, Aufgaben und Befugnisse des Wach-. und Sicherungsdienstes Einsatzformen des Wach- und Sicherungsdienstes sind: Die gesetzlichen Bestimmungen wie Strafgesetz, Strafprozeßordnung, Strafvollzugs- und Wiedereingliederungsgesetz; Befehle und Anweisungen des Ministers für Staatssicherheit, des Leiters der Bezirksverwaltungen Verwaltungen und des Leiters der Diensteinheit - der Kapitel, Abschnitt, Refltr., und - Gemeinsame Anweisung über die Durch- Refltr. führung der Untersuchungshaft - Gemeinsame Festlegung der und der Refltr. Staatssicherheit zur einheitlichen Durchsetzung einiger Bestimmungen der UntersuchungshaftVollzugsordnung -UKVO - in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit ;. die Gemeinsamen Festlegungen der Leiter des Zentralen Medizinischen Dienstes, der Hauptabteilung und der Abteilung zur Sicherstellung des Gesundheitsschutzes und der medizinischen Betreuung Verhafteter und Strafgefangener in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit . Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X