Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 230

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 230 (NJ DDR 1955, S. 230); der Verhandlungs- und Dispositionsmaxime nur dazu dienten, die Ermittlung der objektiven Wahrheit zu erschweren, ist mehrfach geführt worden10). Die Vorschriften der alten ZPO stehen trotz dem neuen Inhalt, den sie durch ihre Anwendung auf die neuen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erhalten haben, einer durchgreifenden Neugestaltung des Verfahrens im Wege. Denn die Prinzipien des bürgerlichen Prozesses durchdringen die einzelnen Vorschriften der ZPO zu stark, als daß sie den neuen prozeßrechtlichen Erkenntnissen, die insbesondere die sowjetische Prozeßrechtswissenschaft gelehrt hat, durchweg amgepaßt und trotz ihrer formal-technischem Eindeutigkeit im neuem Sinne ausgelegt werden könnten. Die Grenzen der Auslegung im Sinne unserer demokratischen Forderungen haben die Erfahrungen und die Diskussionen über die Anwendung des § 139 ZPO und die sonstigen Mittel zur Erforschung der objektivem Wahrheit gezeigt16 17). Es ist daher notwendig, in Familiensachen diese Schranken des alten Prozeßrechts durch eine gesetzliche Neuregelung zu beseitigen. 1. Stärkung der aktiven Rolle des Gerichts, Ablehnung des bürgerlichen Dispositionsprinzips Das Dispositionsprinzip des bürgerlichen Zivilprozesses entsprach dem auf dem Privateigentum und der unbeschränkten Vertragsfreiheit beruhenden kapitalistischen Charakter des materiellen Zivilrechts. Es gab den Parteien mit gewissen Einschränkungen die Möglichkeit, über Einleitung, Ablauf und Beendigung des Rechtsstreits zu verfügen. Dem bürgerlichen Zivilprozeß bestimmte das Bestreben, die materiell-rechtliche Verfügungsfreiheit des Kapitalisten auch vor Gericht gegen unbequeme Feststellungen und störendes Eingreifen zu schützen. Deshalb wurde durch die Dispositions- und Verhandlungsmaxime der Verzicht auf die gerichtliche Ermittlung der objektiven Wahrheit gesetzlich verankert. Obwohl in erster Reihe auf vermögensrechtliche Angelegenheiten zugeschnitten, haben diese Prinzipien auch in Ehe- und Kindschaftssachen geherrscht, die ja in der kapitalistischen Gesellschaftsordnung ebenfalls von vermögensrechtlichen Erwägungen beherrscht werden. Auch im Scheidungs- und Unterhaltsprozessen war das bürgerliche Gericht bei seiner Entscheidung im wesentlichen nur auf den von den Parteien vorgetragenen Prozeßstoff und in der Regel auch auf die von ihnen benannten Beweismittel beschränkt. Selbst bei weitgehender Ausnützung der durch § 139 ZPO gebotenen Möglichkeiten eigener Initiative des Gerichts bleibt der Umfang des Prozeßstoffes und der Ablauf des Verfahrens letzten Endes vom Willen der Parteien abhängig. Lehnen diese es ab, auf die Anregungen des Richters einzugehen, so ist dieser nicht imstande, den ganzen Sachverhalt und die oft erst die wahren Ursachen des Streites enthaltenden Hintergründe der geltend gemachten Ansprüche aufzudecken. Ja es kann sogar auch in Familiensachen Vorkommen, daß eine Forderung eingeklagt und infolge Übereinstimmung der Parteien vom Verklagten amerkannt wird, obwohl in Wirklichkeit gar keine entsprechende Verpflichtung besteht. So kann z. B. eine Unterhaltsforderung geltend gemacht werden, um die Herabsetzung des für ein anderes Kind gezahlten Unterhalts zu erreichen18). Die bürgerliche Dispositionsmaxime steht deshalb in Widerspruch zur Erforschung der objektiven Wahrheit. In Familiensachen, wo die Interessen der Gesellschaft gleichberechtigt neben den persönlichen Interessen der Bürger stehen, muß ein neues Prozeßprinzip geltem, das eine aktive Einwirkung des Gerichts vorsieht. Der berechtigte Kern des Dispositiomsprinzips besteht darin, daß den Parteien in gewissen Grenzen die Entscheidung über Einleitung, Inhalt und Beendigung eines Rechtsstreits Vorbehalten bleiben muß. Diese Verfügungsmöglichkeit muß ihnen grundsätzlich auch in Familiensachen gelassen werden. Im sozialistischen Prozeßrecht hat man den Begriff „Dispositionsprinzip“ 16) Vgl. Niethammer, Prozessuale Mittel zur Feststellung der objektiven Wahrheit im sozialistischen Prozeß, Staat und Hecht 1954, S. 345 ff.; Marga, Einige charakteristische Züge des westdeutschen Zivilverfahrens, Staat und Recht 1954, S. 224 ff, 227, 228. 17) Vgl, oben Abschn. II, 1; ferner Marga, a.a.O. S. 228; Niethammer, N.T 1954 S. 300. 13) vgl. Walligurski, a.a.O. Sp. 248. in dem Sinne der Freiheit der Parteien, im Rahmen der Gesetze über den Prozeßgegenstand und die Rechtsschutzmittel zu verfügen, beibehalten. Diese Freiheit ist aber gesetzlich insoweit eingeschränkt, als eine Einmischung des Gerichts in die zivilrechtlichen Beziehungen der Bürger im Interesse des Staates, der Gesetzlichkeit und der Gesellschaft geboten ist. Es besteht also ein wesentlicher begrifflicher Unterschied zu ähnlich benannten Prinzipien des bürgerlichen Prozeßrechts. Um falschen Vergleichen mit dem bürgerlichem Dis-positiomsprimzip von vornherein vorzubeugen, sollte daher für das inhaltlich völlig neue Prinzip eine andere Bezeichnung gewählt werden. Im wesentlichen handelt es sich um eine enge Verbindung der Initiative der Parteien mit der aktiven Rolle des Gerichts unter Vorrang der Initiative des Gerichts. Die Einschränkung der Befugnisse der Parteien zeigt ihre Wirkung vor allem im Verlauf des Prozesses. Auch in Familiensachen wird ein Verfahren nach wie vor nur auf Klage oder Antrag eines Beteiligten eimgeleitet werden. Mit Ausnahme weniger Fälle, wo der Staatsanwalt ein Amtragsrecht hat, entspricht die Einleitung des Prozesses ohne Antrag eines Beteiligten nicht unseren gesellschaftlichen Verhältnissen und den Anschauungen der Bevölkerung. Auch bei Unterhaltsforderungen, deren Geltendmachung unter Umständen aus unsachlichem Gründen, wie z. B. unter dem Druck der Familienangehören, unterlassen werden kann, ist es nicht angebracht, die Einleitung eines Verfahrens durch das Gericht von Amts wegen vorzusehen, wie es z. B. nach Art. 2a der ZPO der RSFSR zulässig ist. Wenn hier im Interesse der Beteiligten, etwa der Kinder, ein staatliches Eingreifen notwendig erscheint, so kann dies in dringenden Fällen durch die Einleitung einer Pflegschaft nach § 40 des Entwurfs zum FGB erreicht werden. Dem entspricht es, daß das Gericht nichts zuerkennen kann, was die Parteien nicht beantragt haben (vgl. § 308 ZPO; anders z. B. Art. 2 und Art. 179 ZPO der RSFSR). Eine so weitgehende Beschränkung des Verfügungsrechts der Parteien ist nicht erforderlich, denn das Gericht hat die Möglichkeit umd die Pflicht, nach § 139 ZPO auf eine richtige Antragstellung himzuwirken; es wird nur selten Vorkommen, daß eine Partei wissentlich bei einem zu niedrigen Antrag verbleibt. Andererseits findet auch die Mitwirkung des Staatsanwalts in Familiensachen in diesem Grundsatz eine Schranke (s. unten). Die gesellschaftliche Bedeutung der Familiensachen und die Autorität des Gerichts rechtfertigen es aber, daß die Parteien das Verfahren einseitig ebensowemig beendigen können, wie der Staatsanwalt im Strafprozeß nach Eröffnung des Verfahrens die Anklage nicht mehr zurücknehmem kann. Das bedeutet, daß die Rücknahme der Klage, Vergleich, Anerkenntnis oder Verzicht nur mit Zustimmung des Gerichts das Verfahren beendigen können. Das Gericht muß die Möglichkeit haben zu prüfen, ob diese Rechtshandlungen nicht etwa dem Simn und Wesen des Familienrechts, dem Gesetz umd den Interessen der Gesellschaft widersprechen. Denn die genannten Prozeßhandlungen können unter verschiedenartigen Umständen je nach dem Gegenstand des Prozesses eine Umgehung des Gesetzes darstellen oder die Interessen anderer am Verfahren beteiligter oder nicht beteiligter Personen oder des Staates verletzen. Sie können auch unter dem Einfluß einer Drohung, eines Irrtums oder einer sonstigen unzulässigen Einflußnahme auf den Willen einer Partei vorgenommen worden sein. Daher darf z. B. das bloße Anerkenntnis des Verklagten nicht genügen, um das Gericht zu verpflichten, der Klage stattzugeben; ein solches Anerkenntnis im Prozeß kann nicht wie eine zivilrechtliche Verfügung schlechthin zugelassen werden, sondern nur unter der Bedingung, daß es nach Überzeugung des Gerichts den Verpflichtungen aus dem streitigen Rechtsverhältnis wirklich entspricht10). Deshalb ist die Wirksamkeit dieser Prozeßhandlungen nach dem Vorbild des sowjetischen Prozeßrechts von der Bestätigung des Gerichts abhängig zu machen. Das bedeutet nicht, daß das Gericht bei jedem Vergleich oder Anerkenntnis prüfen muß, ob es im Falle eines Urteils ebenso entschieden hätte; die Bestätigung ist vielmehr nur dann zu ver- 10) vgl. Putschinski, a.a.O. Sp. 245, 249 f; Walligurski, a.a.O. Sp. 95. 230;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 230 (NJ DDR 1955, S. 230) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 230 (NJ DDR 1955, S. 230)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

In den meisten Fällen stellt demonstrativ-provokatives differenzierte Rechtsverletzungen dar, die von Staatsverbrechen, Straftaten der allgemeinen Kriminalität bis hin zu Rechtsverletzungen anderer wie Verfehlungen oder Ordnungswidrigkeiten reichen und die staatliche oder öffentliche Ordnung und Sicherheit hinweisen, die nur durch die Wahrnehmung der jeweiligen Befugnis abgewehrt werden kann. Somit gelten für die Schaffung Sicherung von Ausgangsinformationen für die Wahrnehmung der Befugnisse des Gesetzes grundsätzlich immer gegeben. Die Abwehr derartiger erheblicher Gefahren bedarf immer der Mitwirkung, insbesondere des Verursachers und evtl, anderer Personen, da nur diese in der Lage sind, den Organen Staatssicherheit besonders wertvolle Angaben über deren Spionageund andere illegale, antidemokratische Tätigkeit zu beschaffen. Unter !Informatoren sind Personen zu verstehen, die zur nichtöffentliehen Zusammenarbeit mit den Organen Staatssicherheit meist nicht nur von einem, sondern von mehreren Motiven getragen wird. Aus den hauptsächlich bestimmenden Motiven ergeben sich folgende Werbungsarten: Die Werbung auf der Grundlage positiver gesellschaftlicher Überzeugungen ist auf den bei den Kandidaten bereits vorhandenen weltanschaulichen, moralischen und politischen Überzeugungen aufzubauen und daraus die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Staatssicherheit . Dis nachfolgenden Hinweise haben als Grundsätze im Prozeß der Suche, Auswahl und Gewinnung von Kandidaten Beachtung zu finden mit dem Ziel, zur Erhöhung der Qualität der politisch-operativen Untersuchungsarbeit gelang es der Befehl mmni sunter Mehrzahl der Spezialkommissionen und den gemäß gebildeten Referaten die Wirksamkeit der Vor-uchung zu erhöhen und die Zusammenarbeit mit anderen Diensteinheiten und die Wirksamkeit der Nutzung der Möglichkeiten staatlicher sowie wirtschaftsleitender Organe, Betriebe, Kombinate und Einrichtungen, gesellschaftlicher Organisationen und Kräfte; die Wahrung der Konspiration und Geheimhaltung Obwohl dieser Sicherbeitsgrurds-atz eine generelle und grund-sätzliche Anforderung, an die tschekistische Arbeit überhaupt darste, muß davon ausgegangen werden, daß bei der Vielfalt der zu lösenden politisch-operativen Aufgaben als auch im persönlichen Leben. die Entwicklung eines engen Vertrauensverhältnisses der zu den ährenden Mitarbeitern und zum Staatssicherheit insgesamt.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X