Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 228

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 228 (NJ DDR 1955, S. 228); 1. Das Prinzip der Erforschung der objektiven Wahrheit Für den gesamten Zivilprozeß der Deutschen Demokratischen Republik besteht schon nach der geltenden ZPO, insbesondere den §§ 139 und 286 ZPO, die Verpflichtung des Gerichts zur erschöpfenden Aufklärung des streitigen Sachverhalts in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Die Gerichte leiten hieraus die Pflicht zur Erforschung der objektiven Wahrheit her; denn „ein Urteil kann nur dann richtig sein, wenn seine rechtliche Würdigung sich auf einen Sachverhalt bezieht, der objektiv vorliegt und von dem Gericht in genügendem Maße festgestellt worden ist“5). Die Rechtsprechung bemüht sich damit auch im Zivilprozeß, soweit es unter Anwendung der alten ZPO irgend möglich ist, der Forderung unseres großen Lehrers Wy-schinski nachzukommen, welcher das streitige Verfahren geradezu als „ein Mittel zur Feststellung der Wahrheit in ihrer vollsten und erschöpfendsten Gestalt“ bezeichnet. „Vor dem Gericht steht als Hauptaufgabe die Aufgabe, die Wahrheit festzustellen, zu einer richtigen, d. h. mit den tatsächlichen Umständen des Falles in Einklang stehenden Ansicht über den gegebenen Sach-Verhalt, über die Rolle und das Verhalten derjenigen, die im Prozeß als Angeklagte, Verklagte, Geschädigte oder Kläger auftreten, bei diesem Sachverhalt zu gelangen, dieses Verhalten richtig juristisch und gesellschaftspolitisch zu bewerten und die sich aus dieser Bewertung ergebenden juristischen Folgen festzulegen“0). Dieses Prinzip der Erforschung und Feststellung der objektiven Wahrheit muß uneingeschränkt das Verfahren in Familiensachen beherrschen. Diese Forderung kommt auch im Entwurf des FGB dadurch zum Ausdruck, daß er mehrfach den Gerichten und auch den Verwaltungsorganen eine eingehende Untersuchung und Feststellung aller Umstände ausdrücklich zur Pflicht macht, so z. B. in §§ 29, 30, 40. Dieses Prinzip ist jedoch in der geltenden ZPO keineswegs so eindeutig und klar ausgestaltet wie in unserer demokratischen StPO (vgl §§ 1 Abs. 2, 108, 200 StPO). Im wesentlichen muß sich die Rechtsprechung auf die Bestimmung des § 139 ZPO stützen, der zweifellos der Grundsatz einer weitgehenden Aufklärungspflicht des Gerichts im Sinne der genannten Entscheidungen zugrunde liegt, diese aber bleibt auf eine gründliche Erörterung des Sachverhalts mit den Parteien und die Anregung sachdienlicher Anträge beschränkt7). Wenn schon allgemein das Ziel des Prozesses nur die Ermittlung der objektiven Wahrheit sein kann, weil die Frage der Berechtigung eines jeden zivilrechtlichen Anspruchs die sozialistische Gesellschaft unmittelbar berührt, so gilt das in besonderem Maße für die Familiensachen. Hier ist die Aufklärungspflicht besonders für Ehescheidungssachen betont worden“). Die gesellschaftliche Bedeutung von Ehe und Familie macht aber auch für andere Familiensachen, besonders für Vaterschafts-feststellungs- und Unterhaltssachen, für Sorgerechtssachen u. a. die vorbehaltlose Durchführung des Prinzips der Erforschung der objektiven Wahrheit notwendig. Mit Recht wird darauf hingewiesen, daß die erzieherischen Aufgaben des Prozesses nur dann erfüllt werden können, wenn die Urteile den wahren Sachverhalt erschöpfend behandeln9). 2. Die moralische erzieherische Funktion des Prozesses Die erzieherische Funktion jedes Zivilverfahrens ist in § 2 Abs. 2 und § 3 GVG grundsätzlich festgelegt und in der Praxis und im Schrifttum als eine Hauptaufgabe der Gerichte allgemein anerkannt. Dabei kommt dem Familienrecht besondere Bedeutung für die Entwicklung und Festigung der sozialistischen Moral und für die Erziehung der Werktätigen zu. Freilich handelt es sich hierbei in erster Linie um eine Erziehungsfunktion, die 0) Vgl. KG, Urt. vom 3. August 1953 (NJ 1953 S. 786); OGZ Bd. 1, S. 165, 223, 257; speziell für Ehesachen Urt. vom 17. März 1953 (NJ 1953 S. 339). 6) A. J. Wyschinski, „Theorie der gerichtlichen Beweise“, Moskau 1950, S. 27 (zitiert bei Putschinski, RID 1954, Sp. 247); vgi. auch Ranke, Staat und Recht 1952, S. 109. 7) Vgl. Rothschild Hintze. Zur Bedeutung des § 139 ZPO (NJ 1953 S. 641 ff); Marga, Staat und Recht 1954 S. 224 fl. s) KG, Urt. vom 31. Januar 1952 (NJ 1952 S. 236) und vom 13. Mai 1952 (NJ 1952 S. 379). ®) Vgl. Niethammer, Prozessuale Mittel zur Feststellung der objektiven Wahrheit im sozialistischen Zivilprozeß, Staat und Recht 1954, S. 353. dem materiellen Recht innewohnt. Es wäre falsch zu glauben, daß diese Erziehung sich erst im Gerichtsverfahren, also im Konfliktsfall auswirkt; viel wichtiger ist die freiwillige Anerkennung und Befolgung des Gesetzes, die auf der Übereinstimmung des Rechts mit den moralischen Anschauungen beruht. Durch die fortschreitende Festigung des sozialistischen Bewußtseins und die Überwindung kapitalistischer Überreste in den Anschauungen einiger Bürger werden Verletzungen des FGB und prozessuale Streitigkeiten in zunehmendem Maße ausgeschlossen werden. Diese Wechselwirkung und Übereinstimmung von Recht und Moral ist gerade das besondere Kennzeichen des neuen Familienrechts10 11). Im Streitfall erwächst jedoch dem Gericht die besonders wichtige Aufgabe, sowohl zur Einhaltung des Rechts als auch der Moral zu erziehen. Das bedeutet, in erster Linie mit den Mitteln der Überzeugung und nicht des rechtlichen Zwangs auf die Parteien einzuwirken. Daraus ergibt sich für alle Familiensachen die grundsätzliche Aufgabe der Belehrung, der Erweckung besserer Erkenntnis der persönlichen und gesellschaftlichen Pflichten und Notwendigkeiten, der Stärkung des guten Willens, der Aussöhnung und damit der Festigung der ins Wanken geratenen Ehe oder der gestörten Familienbeziehungen. Die Erreichung dieses Zieles setzt freilich voraus, „daß das Gericht mit großer Sorgfalt, mit Einfühlungsvermögen und Taktgefünl, zugleich helfend dem vor Gericht stehenden Menschen seine allseitige Sorge zuwendet, aber auch mit Konsequenz, Festigkeit und Entschlossenheit den Parteien ihre aus der Ehe und Familie folgenden Pflichten vor Augen führt und eine rechtlich und moralisch verantwortungslose Einstellung zur Ehe offen mißbilligt und verurteilt“11). Daraus folgt zugleich, daß das Gericht niemals einer kritischen moralischen Stellungnahme zu dem Streitfall ausweichen darf. Das gilt trotz des Wegfalls des Verschuldensprinzips besonders auch im Scheidungsverfahren. Eine Erziehung ohne eine klare moralische Stellungnahme und parteiliche Kritik des Verhaltens der Parteien ist undenkbar. Neben der Erziehung der Parteien ist die erzieherische Wirkung nicht zu unterschätzen, die der neue Prozeß in Familiensachen auf alle am Verfahren interessierten Bürger und auch auf die Richter und Schöffen ausübt. Gerade die mündliche Verhandlung und die Rechtsprechung unserer Gerichte werden wesentlich dazu beitragen, das neue Familienrecht der Bevölkerung zu erläutern und nahezubringen. Bisher mag es zutreffen, daß das Strafrecht in viel höherem Maße die Öffentlichkeit interessiert und ihre Anteilnahme herbeiführt als der Zivilprozeß und die StPO daher bei jenem mehr, auch gegenüber Nichtbeteiligten, wirksame Erziehungselemente enthalten muß als die ZPO12). Liegt das aber nicht zum großen Teil auch an der Art, wie bisher Zivilprozesse vor unseren Gerichten geführt und dementsprechend in der Öffentlichkeit beachtet und bewertet worden sind? Ebenso wie im materiellen Recht werden die Erziehungsziele im Prozeßrecht abgesehen von dem allgemeinen Ziel der Erziehung zur Achtung vor dem Gericht, dem Gesetz und den Rechten der Bürger je nach dem Prozeßgegenstand verschieden stark hervortreten. Der erzieherische Charakter des Verfahrens wird weitgehend mit dem Interesse übereinstimmen, das die Genossen, Arbeitskollegen und sonstigen Mitbürger der Parteien aus moralischen und gesellschaftlichen Gründen am Ausgang des Prozesses haben. An der richtigen Lösung der in Ehe und Familie auftretenden Konflikte sind der Staat und die Gesellschaft unmittelbar interessiert, und beide haben hierbei große erzieherische Aufgaben zu erfüllen. Dieses Ziel kann aber nur dann erreicht werden, wenn das Verfahren so gestaltet wird, daß es dem Gericht und den Bürgern alle Möglichkeiten der erzieherischen Einwirkung durch die Art seines Ablaufs eröffnet. Die Ziele der Erziehung sind in § 1 FGB genannt: „Entwicklung und Festigung der Familie und Er* 10) vgl. Benjamin, Einige Bemerkungen zum Entwurf eines FGB (NJ 1954 S. 3521; Karewa, Recht und Moral m der sozialistischen Gesellschaft, S. 81 f; Kon, Neue Welt 1954, S. 23, 81; Ranke, Staat und Recht 1954, S. 737. 11) Ranke, Staat und Recht 1954, S. 740. 12) Vgl. Nathan, Staat und Recht 1954, S. 563. 228;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 228 (NJ DDR 1955, S. 228) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 228 (NJ DDR 1955, S. 228)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

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