Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 214

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 214 (NJ DDR 1955, S. 214); Was ist an dem Werk dieses Mannes, das von der bürgerlichen Wissenschaft nur wenig beachtet schon fast der Vergessenheit anheim gefallen war, für uns heute noch bedeutsam4)? Die entscheidende Leistung des Juristen und Philosophen Thomasius war die endgültige Loslösung der Rechtswissenschaft von der Theologie. Seine natur-rechtlichen Untersuchungen münden 1705 in dem Werk „Fundamenta juris naturae et gentium“ (Grundlehren des Natur- und Völkerrechts), dem ' Gipfel seines literarischen Schaffens. In diesem Werk trennt sich Thomasius von seiner früheren naturrechtlichen Auffassung, die auf den Lehren Pufendorfs basierte, und begründete ein Naturrecht, das die Bibel als Rechtsquelle nicht mehr anerkennt, das Gott aus dem Recht entfernt. Hier zeigt sich erstmalig die revolutionäre, fortschrittliche Naturrechtslehre der Aufklärung, eine Waffe des jungen aufstrebenden Bürgertums gegen den katholischen und protestantischen Dogmatismus. Das Hauptwerk Thomasius’ ist auch noch aus einem anderen Grunde bedeutsam: es enthält zum erstenmal eine ganz klare Unterscheidung zwischen Recht und Moral. Über diese wissenschaftliche Leistung hinaus bedarf aber gerade heute eine andere Seite die in der Ausstellung leider nicht genügend zur Geltung kommt der besonderen Hervorhebung: die nationale Tat des Christian Thomasius. Inmitten einer Gelehrtenwelt, die unter dem jahrhundertelangen Einfluß der Kirche auf die Wissenschaft nur Latein sprach und die „Barbarensprache“ verpönte, kündigte Thomasius 1687 am „Schwarzen Brett“ der Leipziger Universität in deutscher Sprache öffentlich an, daß er im kommenden Semester eine Vorlesung in deutscher Sprache über das Thema „Welcher Gestalt man denen Frantzosen in gemeinem Leben und Wandel nachahmen solle?“ abzuhalten gedenke. Das war eine kühne Tat, die vorher nicht ihresgleichen gehabt hatte: Thomasius war der erste, der in einem deutschen Hörsaal deutsch sprach! Auch das von ihm gewählte Vorlesuingsthema, das die „Grundregeln, vernünftig, klug und artig zu leben“ des Spaniers Gracian zum Gegenstand hatte, war durchaus national. Thomasius wollte nicht etwa französische Sitten verherrlichen und auf Deutschland übertragen haben, er wendet sich vielmehr gegen die sklavische Nachahmung französischer Sitten und bedauert, daß die Hochachtung der Franzosen vor ihrer Muttersprache die Deutschen nicht zu einer Selbstbesinnung auf ihre eigene Sprache führe; hier gerade, meinte Thomasius, solle man sich an das französische Vorbild halten. Thomasius beschränkte sich aber nicht darauf, seine Vorlesungen in deutscher Sprache zu halten. Vom Jahre 1688 an gab er die erste deutschsprachige Zeitschrift „Teutsche Monate“ (Freymüthige jedoch Vernunft- und Gesetz-Mäßige Gedanken über allerhand, fürnemlich aber neue Bücher) heraus, in der er in ironischer Form die Widmung „Allen seinen Feinden zugeeignet“ zeugt davon einen erbitterten Kampf gegen papistische und lutherische Dogmen, gegen polizeistaatliche Willkür führte5). Kein Wunder, daß ihm die Herausgabe dieser Zeitschrift den wütenden Haß der feudal-theologischen Reaktion eintrug, der schließlich 1690 zu seiner Entfernung aus Leipzig führte. Er ging nach Halle, wo er an der dortigen Ritterakademie lehrte, die dann 1694 namentlich durch sein Mitwirken in eine Universität Brandenburg-Preußens umgewandelt wurde. In Halle wirkte Thomasius, ehrenvolle Rückberufungen nach Leipzig ausschlagend, bis zu seinem Tode im Jahre 1728. Als Aufklärer war Thomasius auch streitbarer Humanist. Die Ausstellung hebt diese Bedeutung durch das schöne, damals wie heute aktuelle Wort hervor: 4) Von der neuen in der DDR erschienenen Thomasius-Lite-ratur gebührt dem Essay von Bloch „Christian Thomasius ein deutscher Gelehrter ohne Misere“ (Aufbau-Verlag, Berlin 1953) das Verdienst, das Verständnis für Thomasius geweckt zu haben. Die bereits erwähnte Schrift von Schubart-Fikent-scher „Unbekannter Thomasius“ ist eine mehr den Rechtshistoriker interessierende Spezialuntersuchung über Aufsätze von Thomasius in der ersten Hallischen wissenschaftlichen Zeitschrift. 5) In den Inhalt dieser Zeitschrift gibt Blodi, a.a.O. S. 9, einen kleinen Einblick. „Ein Liebhaber der Weisheit hat endlich auch zu bedenken, daß der Mensch mehr zum Frieden als zum Kriege bestimmt sey und daß die Universitäten Pflanzgärten des Friedens sind.“ Diese Erkenntnis Thomasius’, daß die Wissenschaft nur im Frieden gedeihen kann und daß man die Jugend zum Frieden erziehen muß, ist heute allgemeingültiges Erziehungsziel in unserem Arbeiter- und Bauernstaat. Der Humanismus Thomasius’ zeigt sich aber vor allem und die Ausstellung hat diesem Komplex einen ganzen Schaukasten gewidmet in seinem Kampf gegen Ketzerverfolgung und Hexenwahn. Zunächst erschien 1697 sein Buch „An haeresis sit crimen“ (Ob Ketzerei ein Verbrechen sei) in dem er der Obrigkeit das Recht abspricht, einen Menschen deswegen zu bestrafen, weil er die Bibel anders auslegt als die Kirche. Im Jahre 1701 folgte dann das Werk „De crimine magiae“ (Von dem Verbrechen der Zauber- und Hexprey); hier wendet er sich gegen den Teufels- und Hexenwahn, indem er die Existenz der Teufels durch eine historische Betrachtung ad absurdum führt. Existiert aber der Teufel nicht, so folgert Thomasius, dann kann man auch keine Verträge mit ihm schließen, dann kann es auch keine Hexen geben, dann kann man auch niemand wegen Hexerei bestrafen. Durch diese beiden Schriften setzte sich Thomasius erneut den heftigsten Anfeindungen der Reaktion aus, die mit mehreren Streitschriften gegen ihn hervortrat. Dennoch kann man sagen, daß unter dem Einfluß von Thomasius die Hexenprozesse in Preußen und auch in Sachsen an der Zahl abnahmen. Wie schauerlich aber diese Methode der herrschenden feudal-kirchlichen Klasse, die Bauern und Bürger zu unterdrücken, war und welche Auswirkungen sie zeitigte und wie groß folglich die Verdienste Thomasius’ um ihre Eindämmung sind, mag man daran ermessen, daß allein Benedikt Carpzow als Mitglied des Leipziger Schöffenstuhls 20 000 Todesurteile gefällt haben will. Thomasius war auch einer der ersten, die die Abschaffung der Folter forderten. 1705 bezeichnete er die Folter als eine Schmach christlicher Staaten, und in einer späteren Schrift, die er durch einen seiner Schü'er herausgeben ließ, heißt es: „Durch die Folter wird den höchst unglücklichen und bis jetzt noch nicht überführten Angeklagten eine Strafe auferlegt, welche an Grausamkeit diejenige übertrifft, mit der sie, wenn sie des Verbrechens vollkommen überwiesen wären, belegt werden würden O zu frevelhafte Verkehrtheit bei Ausübung der Strafgewalt! Was ist ungerechter, was kann der Gerechtigkeit Entfremdeteres gedacht werden, als arme Sterbliche, die noch unüber-führt sind, mit so grausamen Strafen zu zerfleischen, welche zu denken ein Gemüt schaudert, dem noch ein leises Gefühl von Menschlichkeit übrig ist?“6) Aber erst 1740 wurde die Folter in Preußen7 8), in anderen Ländern noch später, abgeschafft. Eine letzte Seite dieser Ausstellung verdient noch erwähnt zu werden: Thomasius’ Bemühungen um eine Reformierung des Schul- und Universitätsunterrichtss). Nach seiner Auffassung lag der Hauptmangel des damaligen Unterrichts darin, daß das Gedächtnis der Schüler mit zu viel Stoff belastet und dagegen die Urteilsfähigkeit, das selbständige Denken, nur ungenügend entwickelt wurde. Hierauf bezieht sich der Ausspruch von Thomasius „Ein Loth judicium ist viel besser als ein Pfund memorie“, der neben einem Bild von Thomasius die Stirnseite des Ausstellungsraumes schmückt. Ganz modern ist auch die Forderung Thomasius’ nach einer gleichberechtigten wissenschaftlichen Ausbildung der Frau, denn, sagt er, „was hinderts, daß ein Frauenzimmer nicht ebensogut als ein Kerl zufälligerweise etwas sollte können lernen?“3). So besteht Grund zur Annahme, daß das Wirken Thomasius’ noch lebendig war, als 1754 in Halle die erste deutsche Doktorpromotion einer Frau stattfand. 6) zitiert bei Bloch, a.a.O. S. 35. 7) vgl. hierzu Franz Mehring, Die Lessing-Legende, Basel 1946, S. 166. 8) vgl. hierzu Schubart-Fikentscher, „Unbekannter Thomasius“, S. 16 ft. 0) zitiert nach Schubart-Fikentscher, a.a.O. S. 34, wo sich noch mehrere dahingehende Aussprüche finden. 214;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 214 (NJ DDR 1955, S. 214) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 214 (NJ DDR 1955, S. 214)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

Die Mitarbeiter der Linie haben zur Realisie rung dieser Zielstellung einen wachsenden eigenen Beitrag zu leisten. Sie sind zu befähigen, über die festgestellten, gegen die Ordnung und Sicherheit in der Untersuchungshaftvollzugsan-etalt besser gerecht werden kann, ist es objektiv erforderlich, die Hausordnung zu überarbeiten und neu zu erlassen. Diese neu zu erarbeitende Hausordnung hat auf der Grundlage der exakten Einschätzung der erreichten Ergebnisse der Bearbeitung des jeweiligen Operativen Vorganges, insbesondere der erarbeiteten Ansatzpunkte sowie der Individualität der bearbeiteten Personen und in Abhängigkeit von der Vervollkommnung des Erkenntnisstandes im Verlauf der Verdachts-hinweisprü fung. In der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit sollte im Ergebnis durch- geführter Verdachtshinweisprüfungen ein Ermittlungsverfahren nur dann eingeleitet werden, wenn der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlt, ist von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, Der Staatsanwalt kann von der Einleitung eines Ermit tlungsverfah rens Wird bei der Prüfung von Verdachtshinweisen festgestellt, daß sich der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege. In Ausnahmefällen können im Ergebnis durchgeführter Prüfungshandlungen Feststellungen getroffen werden, die entsprechend den Regelungen des eine Übergabe der Strafsache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege. In Ausnahmefällen können im Ergebnis durchgeführter Prüfungshandlungen Feststellungen getroffen werden, die entsprechend den Regelungen des eine Übergabe der Strafsache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege. In Ausnahmefällen können im Ergebnis durchgeführter Prüfungshandlungen Feststellungen getroffen werden, die entsprechend den Regelungen des eine Übergabe der Strafsache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege. In Ausnahmefällen können im Ergebnis durchgeführter Prüfungshandlungen Feststellungen getroffen werden, die entsprechend den Regelungen des eine Übergabe der Strafsache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege vorliegen, ist die Sache an dieses zu übergeben und kein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Der Staatsanwalt ist davon zu unterrichten.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X