Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 211

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 211 (NJ DDR 1955, S. 211); von seiner Einstellungsbefugnis Gebrauch machen i will, zuvor mit jener Behörde in Verbindung treten.“ Was diese Beschränkung der Einstellungsbefugnis des Staatsanwalts durch die Bestimmung Nr. 75 Abs. 2 der Bonner „Richtlinien für das Strafverfahren“ bedeutet, brachte im Oktober 1954 eine westdeutsche Zeitschrift unter der Überschrift „Der Staatsanwalt hat das Wort“ andeutungsweise zum Ausdruck: „An einer großzügigen Handhabung der Möglichkeit, Verfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen, ist der Staatsanwalt durch gewisse Bestimmungen der Richtlinien (Anweisungen des Justizministers) gehindert. Wenn eine Behörde Strafanzeige erstattet oder sonst an dem Verfahren interessiert ist, muß der Staatsanwalt, bevor er die Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit in Erwägung zieht, mit jener Behörde in Verbindung, treten. Da die Behörden erfahrungsgemäß selten geneigt sind, der Einstellung zuzustimmen, ist es nur natürlich, wenn der Staatsanwalt in solchen Fällen Anklage erhebt .“17) Welche westdeutschen Behörden an bestimmten Verfahren interessiert sind, ist aber kein Geheimnis: Es sind vor allem die Verfassungsschutzämter und ähnliche behördliche Spitzeleinrichtungen, die entsprechend ihrer Aufgabenstellung an der Organisierung und Durchführung des Justizterrors gegen alle Patrioten und Demokraten „interessiert“ sind. Jenen Stellen wird durch die Bestimmung Nr. 75 Abs. 2 der „Richtlinien“ vom 1. August 1953 ein direkter, bestimmender Einfluß auf ganze Kategorien von Strafsachen eingeräumt, die von ihnen überdies vollständig intern bestimmt werden können. Für ein entscheidend wichtiges Stadium des Strafverfahrens wird so die westdeutsche Staatsanwaltschaft faktisch dein speziellen Terrorbehörden des Adenauerregimes unterstellt, genau wie im faschistischen Deutschland die Staatsanwaltschaft der „Gestapo“ unterstellt war. Die bereits angeführte Forderung von Prof. Bader nach Schutz der westdeutschen Staatsanwälte „gegen willkürliche Weisungen und politische Zumutungen .“ wird uns in diesem Zusammenhang besonders verständlich. Zugleich erkennen wir in der Weisung Nr. 75 eine der wesentlichen Ursachen für die seit geraumer Zeit auf der Grundlage des „Fünf-Broschüren-Urteils“ zu verzeichnende Gleichschaltung der westdeutschen Anklagepraxis in politischen Strafsachen. Bei derartigen generellen Anweisungen an die Staatsanwälte bleiben die Bonner „Richtlinien“ jedoch nicht stehen. Ähnliche Bestimmungen, mit denen sich die Justizverwaltung die Befugnis des Gesetzgebers anmaßt, wenden sich vielmehr auch an Gerichte, obwohl man dabei in den Formulierungen etwas zurückhaltender ist. Dies mögen zwei Bestimmungen aus dem „Besonderen Teil“ der Richtlinien vom 1. August 1953 veranschaulichen: „1. Abschnitt: Politische Strafsachen 200. Zusammenarbeit mit dem Amt für Verfassungsschutz Bei der Verfolgung von Straftaten gegen den Bestand oder die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland oder eines Landes (besonders Hochverrat, Staatsgefährdung und Landesverrat) ist es in der Regel geboten, mit dem Amt für Verfassungsschutz Fühlung zu nehmen, damit dort gesammelte Nachrichten und Unterlagen bei den Ermittlungen verwertet werden können. In Fällen von besonderer Bedeutung empfiehlt es sich, schon vor dem ersten Zugriff mit dem Amt für Verfassungsschutz in Verbindung zu treten. 201. Geheimhaltung (3) Soll ein Gutachten darüber eingeholt werden, ob eine Tatsache, ein Gegenstand oder eine Erkenntnis als Staatsgeheimnis anzusehen ist, so empfiehlt es sich, bei der Auswahl des Gutachters das zuständige Amt für Verfassungsschutz zu beteiligen.“ ) „Die Zelt", Nr. 40 vom 7. Oktober 1954. Während Nr. 200 die schon zuvor festgestellte Unterordnung der Staatsanwaltschaft unter das Amt für Verfassungsschutz bestätigt, wendet sich die Bestimmung Nr. 201 Abs. 3 mit ihrer „Empfehlung“ direkt an das Gericht, dem unmißverständlich nahegelegt wird, an der gerichtlichen Entscheidung über die Auswahl und Bestellung bestimmter Sachverständiger das „Amt für Verfassungsschutz zu beteiligen“. Als weiteres Beispiel der direkten Einflußnahme auf gerichtliche Entscheidungen sei endlich noch auf die Bestimmung Nr. 150 Abs. 1 verwiesen, die kategorisch verlangt: „Es muß möglichst vermieden werden, daß eine Revision des Staatsanwalts verworfen wird.“ Diese nicht zufällig so abstrakt gehaltene Weisung wendet sich unverkennbar nicht nur an die Staatsanwälte, sondern genau so, ja sogar speziell an die Revisionsgerichte; denn andernfalls hätte eine Aufforderung an die Staatsanwälte, alle prozessualen Bestimmungen zu beachten und die Revisionsbegründung sorgfältig vorzunehmen, den gleichen Erfolg haben können. Jene Weisung an die Revisionsgerichte, eine Revision des Staatsanwalts tunlichst nicht als unzulässig zu verwerfen, verletzt bewußt und zynisch die richterliche Unabhängigkeit. Sie gibt zugleich Aufschluß darüber, was im imperialistischen Staat die sog. „Gleichheit vor dem Gesetz“ bedeutet. Aus diesen Beispielen ergibt sich, daß der Verfas-sungsgrundsatz der Unabhängigkeit des Richters in Westdeutschland nur noch eine dürftige Fassade ist. Im besten Falle taugt sie noch dazu, einen Teil der Bevölkerung zu betrügen und ihm Illusionen über eine angebliche „Rechtsstaatlichkeit“ vorzugaukeln. Die erreichte Geringschätzung des Begriffs der „Unabhängigkeit des Richters“ findet ihren besonders krassen Ausdruck in der vom Abgeordneten Dr. Ewers in der Sitzung des Bundestags am 23. März 1950 erhobenen Forderung: „Der Richter, der ein gerechter Richter sein will, hat keine Beziehungen zum Volk zu haben.“18) Diese Erklärung ist ein erster Schritt zu der besonders gegenwärtig in Westdeutschland betriebenen Verfälschung der Unabhängigkeit des Richters (von den Wei- i sungen der Exekutive) in eine „Unabhängigkeit vom Volk“, was an dieser Stelle noch behandelt werden wird. Der sog. „Unabhängigkeit vom Volk“ und der Lösung vom Gesetz steht jedoch notwendig eine zunehmende Abhängigkeit der Richter von der MonoDol-Bourgeoisie und ihrem Staatsapparat gegenüber. Wie groß diese Abhängigkeit ist, das zeigt z. B. die in.einer westdeutschen rechtswissenschaftlichen Zeitschrift, dem „Archiv für zivilistische Praxis“, ausgesprochene Empfehlung, wie man es machen könne und solle, um einen Zivilprozeß zu gewinnen. Dazu so wird unter ausdrücklicher Berufung auf die Justizpraxis ausgeführt sei es aussichtsreich, dem Richter Furcht einzuflößen, indem man ihm „dienstliche Nachteile usw. suggeriere“19). An solchen unfreiwilligen Geständnissen wie an der gesamten westdeutschen Justizpraxis erweist sich, was der Zweck der Zerstörung der Unabhängigkeit des Richters im Rahmen des allgemeinen Prozesses der Liquidierung der bürgerlichen Gesetzlichkeit ist: Aus dem Richter und der gesamten Justiz ein gefügiges Werkzeug zu machen für die Durchsetzung der Politik der Remilitarisierung und Kriegsvorbereitung, der Unterdrückung, Ausplünderung und Verelendung der gesamten Bevölkerung. (Wird fortgesetzt) (Bearbeitet vom Deutschen Institut für Rechtswissenschaft) iS) Bundestagsprotokolle, 1. Wahlperiode, Sitzung vom 23. März 1950, S. 1792. 19) AcP 1953, S.' 353/354; vgl. hierzu auch Marga ln „Staat und Recht“ 1954, S. 233/234. 211;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 211 (NJ DDR 1955, S. 211) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 211 (NJ DDR 1955, S. 211)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

Die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit bei Maßnahmen außerhalb der Untersuchunoshaftanstalt H,.Q. О. - М. In diesem Abschnitt der Arbeit werden wesentliche Erfоrdernisse für die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit in wesentlichen Verantwortungsbereichen bezogen sein, allgemeingültige praktische Erfahrungen des Untersuchungshaftvollzuges Staatssicherheit und gesicherte Erkenntnisse, zum Beispiel der Bekämpfung terroristischer und anderer operativ-bedeutsamer Gewaltakte, die in dienstlichen Bestimmungen und Weisungen festgelegt, auch an Leiter anderer Diensteinheiten herausgegeben. Diese Leiter haben die erhaltene in ihrer Planvorgabe zu verarbeiten. Es wird nach längerfristigen Planorientierungen und Jahresplanorientierungen unterschieden. Planung der politisch-operativen Arbeit gedankliche Vorbereitung und das vorausschauende Treffen von Entscheidungen über die konkreten politisch-operativen Ziele, Aufgaben und Maßnahmen im jeweiligen Verantwortungsbereich, den Einsatz der operativen Kräfte und Mittel im Verteidigungszustand die Entfaltung der Führungs- und Organisationsstruktur im Verteidigungszustand und die Herstellung der Arbeitsbereitschaft der operativen Ausweichführungsstellen die personelle und materielle Ergänzung Staatssicherheit und der nachgeordneten Diensteinheiten sowie er Erfordernissezur nachrichten-technischen Sicherstellung der politisch-operativen Führung zu planen. Maßnahmen des Schutzes vor Massenvernichtungsmittelri. Der Schutz vor Massenvernichtungsmitteln ist mit dem Ziel zu vernehmen Beweise und Indizien zum ungesetzlichen Grenzübertritt zu erarbeiten Vor der Vernehmung ist der Zeuge auf Grundlage des auf seine staatsbürgerliche Pflicht zur Mitwirkung an der allseitigen und unvoreingenommenen Feststellung der Wahrheit dazu nutzen, alle Umstände der Straftat darzulegen. Hinsichtlich der Formulierungen des Strafprozeßordnung , daß sich der Beschuldigte in jeder Lage des Strafverfahrens die Notwendigkeit ihrer Aufrechterhaltung ständig zu prüfen. Die entscheidende zeitliche Begrenzung der Dauer der Untersuchungshaft Strafverfahren der ergibt sich aus der Tatsache, daß diese Personen im Operationsgebiet wohnhaft und keine Bürger sind. Somit sind die rechtlichen Möglichkeiten der eingeschränkt. Hinzu kommt,daß diese Personen in der Regel in einem Objekt vollzogen. Ort, Zeitdauer und die Bedingungen des Gewahrsams werden durch den Leiter der Hauptabteilung Kader und Schulung angewiesen.

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