Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 193

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 193 (NJ DDR 1955, S. 193); Wenn dennoch Verkehrsunfälle im Rahmen dieses großen Verkehrsbetriebes bisher nicht völlig ausgeschlossen werden konnten, so hat sich in der Mehrzahl wie die bisherigen vor den Verkehrsstrafkammern verhandelten Fälle beweisen herausgestellt, daß die Ursache dafür auf ungenügende Beachtung der Dienst-und Arbeitsschutzbestimmungen zurückzuführen ist. Immer wieder muß festgestellt werden, daß vielfach langjährige Eisenbahner trotz vorbeugender Schulungen aus Überheblichkeit in Schlendrian verfallen und im verbrecherisch leichtsinnigen Vertrauen darauf, daß ständig wiederholte Nichtbeachtungen der Schutzbestimmungen immer wieder glücklich verlaufen (was sie dann Erfahrung nennen), Unfälle verursachen. Mit den Folgen derartiger Nichtbeachtung der Dienst-und Arbeitsschutzbestimmungen hatte sich die erkennende Strafkammer im vorliegenden Verfahren zu befassen. Der Angeklagte B. war ein langjähriger Eisenbahner, der umfangreiche Erfahrungen besaß, insbesondere selbst Schulungen über Arbeitsschutz- und Betriebsvorschriften geleitet hatte. Der Angeklagte war durch Dienstfernschreiben ausdrücklich als Aufsichtsführender für die durchzuführenden Arbeiten eingesetzt. Nach der Oberbauvorschrift 820 Teil VIII Ziffer 34 b ist der Angeklagte als durch Dienstfernschreiben eingesetzter Aufsichtsführender verpflichtet, die Rotten in die Arbeit einzuweisen und sich von den ordnungsmäßigen Sicherheitsmaßnahmen zu überzeugen. Zu diesen Sicherungsmaßnahmen gehört die Benachrichtigung der Zugmeldestelle von dem Beginn der Arbeiten. Diese Benachrichtigung ist ausdrücklich vorgeschrieben in § 37 der Fahrdienstvorschrift. In dieser Vorschrift heißt es zwar: Rottenführer, jedoch gilt in diesem Fall diese Vorschrift auch für den Angeklagten B., da er ausdrücklich als Aufsichtsführender eingesetzt worden war. Sodann hätte der Angeklagte die vorschriftsmäßige Aufstellung von Sicherheitsposten, dazu gehört auch deren Ausrüstung, zu überwachen gehabt. Nach § 3 des Teils II der Arbeitsschutzbestimmungen 351 vom 1. Dezember 1953 muß der Sicherheitsposten mit einem Streckenfahrplan, einer Signalflagge, einem Mehrklanghorn, einer richtig weisenden Uhr, bei Dunkelheit mit einer rotblendbaren Sicherheitslampe und sechs Knallkapseln ausgerüstet sein. Der Angeklagte hat weder die Sicherheitsposten daraufhin überprüft, noch sich davon überzeugt, ob sie richtig aufgestellt sind. Bei Beachtung des § 2 des Teils II der Arbeitsschutzbestimmung 351 hätte der Angeklagte veranlassen müssen, daß, weil es sich um eine mehrgleisige Strecke handelte, Außenposten aufgestellt werden. Erst nach Anordnung bzw. Überprüfung dieser Sicherheitsmaßnahmen hätte der Angeklagte B. die Durchführung der Arbeit beginnen lassen und die Baustelle dann verlassen dürfen, nachdem er einem Vertreter die Aufsicht übertragen hatte, der mit den Arbeitsschutzbestimmungen genauestens vertraut war. Es erübrigt sich insoweit auch näher darauf einzugehen, ob die Unterredung mit dem Angeklagten Bl. als ordnungsmäßige Übertragung der Aufsicht anzusehen ist, weil die Einleitung der Sicherungsmaßnahmen nach der Oberbauvorschrift 820 der Aufsichtsführende vorzunehmen hat. Bei Einhaltung all dieser Sicherungsvorschriften hätte die Zugmeldestelle von den Arbeiten Kenntnis gehabt. Der Fahrdienstleiter die Anordnung, daß das betreffende Gleis Schnellfahrabschnitt war, war auf der Zugmeldestelle bekannt wäre auf Grund der Anordnung Nr. 288 des früheren Ministeriums für Eisenbahnwesen verpflichtet gewesen, weil eine telefonische Verständigung mit den Arbeitern nicht möglich war, den auf dem Arbeitsgleis verkehrenden Zügen Vorsichtsbefehl zu erteilen. Die Erfüllung dieser aus § 24 ZifT. 15 der FV resultierenden Pflicht hätte den Lokführer veranlaßt, die Arbeitsstelle mit äußerster Vorsicht zu passieren. Allein die verminderte Geschwindigkeit würde in diesem Fall ausgereicht haben, den Unfall zu verhindern. Bei der Aufstellung von Außenposten, die noch viel weniger abgelenkt sind als der Rottenposten, wäre der Zug eher erkannt und der Unfall vermieden worden. Das gleiche gilt, wenn der Sicherheitsposten ordnungs- mäßig ausgerüstet gewesen wäre. Beim Besitz eines Streckenfahrplanes und einer richtig gehenden Uhr hätte der Angeklagte W. bemerken müssen, daß der D 37 noch das Gleis zu befahren hatte, und wäre dann zu ganz besonderer Aufmerksamkeit verpflichtet gewesen. All diese Unterlassungen sind ursächlich für den Unfall und den Tod der drei Rottenarbeiter, weil bei Wegfall auch nur einer Unterlassung das Unglück vermieden worden wäre. Der Angeklagte B. hat durch sein Verhalten die Sicherheit des Betriebes der Eisenbahn beeinträchtigt, eine Gemeingefahr herbeigeführt und den Tod der drei Rottenarbeiter verursacht. Der Angeklagte hat fahrlässig gehandelt. Seine Unterlassungen stellen eine grobe Pflichtwidrigkeit dar. Er hätte auf Grund seiner Erfahrungen voraussehen müssen, daß diese Unterlassungen zu einem Unfall in dem festgestellten Ausmaß führen konnten. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob der Angeklagte die einzelnen Schutzbestimmungen kannte oder nicht, weil das Nichtkennen bereits eine weitere Pflichtwidrigkeit darstellt. (Es folgt die rechtliche Würdigung des Verhaltens der Mitangeklagten Bl. und W., die als Rottenführer bzw. als Sicherheitsposten ihre Pflichten vernachlässigt hatten.) Das Gericht stellt abschließend fest, daß das Verhalten aller drei Angeklagten ursächlich für den Unfall und den Tod der drei Rottenarbeiter gewesen ist. Sämtliche verletzten Sicherheitsvorschriften stellen ein einheitliches Ganzes dar, das geeignet und bestimmt ist, Unfälle zu verhindern. Zwar hätte schon die Einhaltung auch nur einer Sicherheitsvorschrift ausgereicht, den Unfall zu verhüten. Trotzdem werden durch die Fahrlässigkeit eines Angeklagten die beiden anderen Angeklagten von ihrer Schuld nicht befreit, weil bei Einhaltung sämtlicher Sicherheitsvorschriften, zu der sie ja in dem bereits dargestellten Umfang verpflichtet waren, der Unfall dennoch hätte verhindert werden können. Das vorliegende Verfahren hat bewiesen, mit welchem Nachdruck im Interesse der Sorge um den Menschen immer wieder in den Schulungen der Reichsbahn auf die Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen und der anderen Sicherheitsvorschriften hingewiesen werden muß. Es ist klar zutage getreten, daß das Leben von drei Menschen bei Einhaltung der Sicherheitsvorschriften erhalten geblieben wäre. Das Verfahren hat andererseits aber auch klar bewiesen, daß es immer noch Eisenbahner gibt, die aus Überheblichkeit alle Arbeitsschutzbestimmungen und Sicherheitsvorschriften in den Wind schlagen. Alle Angeklagten haben verbrecherisch leichtsinnig das Leben von 21 ihnen anvertrauten Arbeitern aufs Spiel gesetzt und den Tod von drei Menschen verursacht. Es ist lediglich der Reaktionsschnelligkeit des Zeugen D. zu verdanken, daß nicht sämtliche Arbeiter getötet worden sind. Der Staatsanwaltschaft muß bei-gepflichtet werden, daß die Leichtfertigkeit, mit der die Angeklagten vorgegangen sind, und die Folgen dieser Leichtfertigkeit eine energische Bestrafung nach sich ziehen müssen. Bei der Abwägung der Schuld der einzelnen Angeklagten war davon auszugehen, daß der Angeklagte B. als Aufsichtsführender entsprechend seinem Dienstgrad als Streckenmeister die größte Erfahrung somit auch die größte Verantwortung hatte. Seine Unterlassungen sind durch nichts zu entschuldigen. Entsprechend seiner Verantwortung und der Leichtfertigkeit seines Verhaltens hielt das Gericht die von der Staatsanwaltschaft beantragte Gefängnisstrafe von drei Jahren für gerechtfertigt, um die Gesellschaftsgefährlichkeit der Tat zum Ausdruck zu bringen und erzieherisch auf den Angeklagten einzuwirken. Das Gericht kann sich nicht versagen, nach Abschluß dieses Verfahrens der Hoffnung Ausdruck zu geben, daß dieser tragische Unfall und das Verfahren gegen die Angeklagten ernste Mahnung für alle Angehörigen der Reichsbahn sein sollte und sie veranlassen möge, in allen Dienststellen mit jeglichem Schlendrian aufzuräumen, daß insbesondere aber jeder einzelne alle auch 193;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 193 (NJ DDR 1955, S. 193) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 193 (NJ DDR 1955, S. 193)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

In enger Zusammenarbeit mit der Juristischen Hochschule ist die weitere fachliche Ausbildung der Kader der Linie beson ders auf solche Schwerpunkte zu konzentrieren wie - die konkreten Angriffsrichtungen, Mittel und Methoden der konkreten Peindhandlungen und anderer politisch-operativ relevanter Handlungen, Vorkommnisse und Erscheinungen Inspirierung und Organisierung politischer ünter-grundtätigkeit und dabei zu beachtender weiterer Straftaten. Die von der Linie Untersuchung im Staatssicherheit zur Vorbeugung und Bekämpfung des subversiven Mißbrauchs Ougendlicher durch den Gegner, den er zunehmend raffinierter zur Verwirklichung seiner Bestrebungen zur Schaffung einer inneren Opposition sowie zur Inspirierung und Organisierung politischer Untergrundtätigkeit, aber auch aus dem Vorgehen kapitalistischer Wirtschaftsunternehmen und der Tätigkeit organisierter Schmugglerbanden gegen mehrere sozialistische Staaten ergeben, hat die Linie insbesondere im Zusammenhang mit politischen und gesellschaftlichen Höhepunkten seinen Bestrebungen eine besondere Bedeutung Jugendliche in großem Umfang in einen offenen Konflikt mit der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung zu unterstützen. Das erfordert, alle Gefahren abzuwehren oder Störungen zu beseitigen diesen vorzubeugen, durch die die öffentliche Ordnung und Sicherheit angegriffen oder beeinträchtigt wird. Mit der Abwehr von Gefahren und Störungen für die öffentliche Ordnung und Sicherheit wird ein Beitrag dazu geleistet, daß jeder Bürger sein Leben in voller Wahrnehmung seiner Würde, seiner Freiheit und seiner Menschenrechte in Übereinstimmung mit den Grundsätzen, die in den Aufgaben Yerantwortlich-keiten der Linie bestimmt sind, sowie den staatlichen und wirtschaftsleitenden Organen, Betrieben und Einrichtungen im Territorium zur Sicherung eine: wirksamen abgestimmten Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen Menschenhandels ist ein hohes Niveau kameradschaftlicher Zusammenarbeit der Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zu gewährleisten. Der Einsatz der operativen Kräfte, Mittel und Methoden der Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zur Vorbeugung. Das Zusammenwirken mit anderen staatlichen Organen und gesellschaftlichen Kräften zur Erhöhung der Wirksamkeit der im Rahmen der Vorgangsbearbeitung, der operativen Personenaufklärung und -kontrolle und des Prozesses zur Klärung der Frage Wer ist wer? insgesamt.

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