Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 184

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 184 (NJ DDR 1955, S. 184); Dokumentation des Rechts und der Justiz in Westdeutschland Die Zerstörung der Unabhängigkeit des Richters Bekanntlich hatten Richter und Staatsanwälte der Nazizeit maßgeblichen Anteil an der Ausübung der Blut- und Terrorherrschaft des faschistischen Regimes. Aus der verabscheuungswürdigen und verbrecherischen Rolle dieser Personen hatte das Gesetz Nr. 4 des Alliierten Kontrollrats vom 30. Oktober 1945 über die „Umgestaltung des Deutschen Gerichtswesens“ die Schlußfolgerung gezogen, daß „alle früheren Mitglieder der Nazipartei, die sich aktiv für deren Tätigkeit eingesetzt haben, und alle anderen Personen, die an den Strafmethoden des Hitlerregimes direkten Anteil hatten, ihres Amtes als Richter und Staatsanwälte enthoben werden .“■) Diese Bestimmung wurde jedoch nur im östlichen Teil Deutschlands, in der damaligen sowjetischen Besatzungszone, konsequent verwirklicht. In Westdeutschland duldeten und förderten die Besatzungsmächte ihre systematische Verletzung, die besonders seit 1947 breite Ausmaße annahm. Zur Beschönigung dieser reaktionären Praxis wurden Versuche unternommen, die Rolle der Justiz in der Nazizeit zu verfälschen. So behauptete Eberhard Schmidt in jenem Jahre: „Nicht die Justiz, sondern ganz allein der Gesetzgeber hatte die Fahne des Rechts verlassen. Und mit der Verantwortung für die Folgen dürfen heute weder Rechtswissenschaft noch Jus uz beladen werden, da diese ganz allein den um jeden rechtlichen Halt gekommenen Gesetzgeber trifft.“*) Die gleiche unaufrichtige Propaganda zur Rehabilitierung der faschistischen Richter und Staatsanwälte wurde auf dem „Konstanzer Juristentag“ von einem anderen westdeutschen Juristen mit der beifällig auf-genömmenen Erklärung betrieben: „Der deutsche Richter in seiner Gesamtheit ist im Dritten Reich intakt geblieben, er hat nicht vor Hitler kapituliert.“* 3) Die Praxis aber, die durch solche Lügen „gerechtfertigt“ werden sollte, war eine Personalpolitik, die das Kontrollratsgesetz Nr. 4 zur bloßen Makulatur machte, die dem Bundestagsabgeordneten Dr. Reismann ermöglichte, am 23. März 1950 vor dem Bundestag zu erklären, 90 Prozent der in Westdeutschland eingesetzten Richter hätten schon in der Nazizeit „Recht gesprochen“4 *). Mit dreister Stirn wird so eingestanden, daß die westdeutsche Justiz personell im wesentlichen die gleiche ist, die den Hitlerfaschisten während ihrer ganzen Schreckensherrschaft half, den Widerstand der freiheit- und friedliebenden Kräfte mit Zuchthaus, Konzentrationslager, Henkerbeil und Galgen zu unterdrücken. Bei einer derartigen Zusammensetzung der westdeutschen Richterschaft kann der „richterlichen Unabhängigkeit“, die in Art. 97 Abs. 1 des Bonner Grundgesetzes proklamiert wird, nur ein begrenzter Wert beigemessen werden. Keineswegs gewährleistet die „Unabhängigkeit des Richters“ eine „unparteiliche Justiz“, wie in Westdeutschland gern behauptet wird. Als Vertreter der herrschenden Klasse können und werden die Richter nur in deren Interesse handeln. Die große Zahl von ihnen, die man auf Grund ihrer Vergangenheit und Gegenwart als eingefleischte Faschisten und Militaristen bezeichnen muß, unterstützt außerdem von sich aus vorbehaltlos die Politik der reaktionärsten Kräfte in Westdeutschland, die Politik der Remilitarisierung, der Kriegsvorbereitung, des Terrors gegen alle Patrio- ’) KRG Nr. 4, Art. IV (Amtsblatt des Kontrollrats Nr. 2 vom SO. November 1945, S. 27). 9) „Tagung Deutscher Juristen ln Godesberg“, Hamburg 1947, S. 231. 3) Der Konstanzer Juristentag, Tübingen 1947, 9. 203. *) Bundestagsprotokolle, Sitzung vom 23. März 1950, S. 1798; vgl. hierzu auch die Ausführung von Richter ln NJ 1954 S. 533. ten und Demokraten, die Politik der ständig zunehmenden Faschisierung. Dennoch ist die Unabhängigkeit des Richters von großer Bedeutung, auch im imperialistischen Staat; denn sie bedeutet, daß der Richter an das Gesetz und nur an das Gesetz gebunden ist. Die vom Bürgertum gegen die feudale Willkür- und Kabinettsjustiz erkämpfte Unabhängigkeit des Richters ist eine wichtige demokratische Errungenschaft. Sie wurde in der Proklamation Nr. 3 des Alliierten Kontrollrats über die „Grundsätze für die Umgestaltung der Rechtspflege“ als eine der entscheidenden Voraussetzungen dafür, daß überhaupt von Rechtsprechung die Rede sein kann, stark betont: „In der Ausübung seiner richterlichen Tätigkeit ist der Richter frei von Weisungen der ausführenden Gewalt. Er ist nur dem Gesetz unterworfen.“6) Diese Hervorhebung der Unabhängigkeit des Richters in der Proklamation Nr. 3 erfolgte gerade im Hinblick auf die Nazizeit, wie die Präambel und andere in der Proklamation enthaltenen Grundsätze, z. B. der über die „Abschaffung der Hitlerschen Ausnahme- und Sondergerichte“ eindeutig zeigen. Und tatsächlich, die Verletzung, Aushöhlung und Beseitigung der richterlichen Unabhängigkeit ist nicht nur für den Hitlerfaschismus, sondern für jeden Entwicklungsprozeß der Faschisierung in den imperialistischen Staaten kennzeichnend. Deshalb bedeutet die Verteidigung des Verfassungsgrundsatzes der Unabhängigkeit des Richters zugleich die Bekämpfung der Willkür und der Faschisierung der Rechtsprechung im Adenauer-Staat. In Westdeutschland ist bei der Durchführung und Verschärfung des Justizterrors gegen alle demokratischen und patriotischen Kräfte seit Jahren eine Uniformierung der Rechtsprechung auf der vom Bundesgerichtshof und dem unmittelbaren Kommandostab Adenauers bestimmten reaktionären Linie festzustellen, die nicht zuletzt mittels Beseitigung der Unabhängigkeit der Richter durchgeführt wird. Dabei hütet man sich, die Unabhängigkeit des Richters offiziell zu beseitigen, obwohl es auch an Bestrebungen hierzu nicht fehlt, wie eine Erklärung des Bayrischen Justizministers zeigt. In einer Ende November 1952 gehaltenen Rede vor den Landgerichts- und Oberlandesgerichtspräsidenten Bayerns führte er aus, die Richter sollten nicht zu sehr auf ihre Unabhängigkeit bauen; diese sei kein unerschütterlicher Fels, und es gebe unter den Regierungsparteien Bestrebungen, die richterliche Unabhängigkeit einzuschränken6). So offen ist man jedoch selten. Zumeist wird die „Unabhängigkeit des Richters“ in sog. „grundsätzlichen“, d. h. von jeder konkreten Schlußfolgerung weit entfernten Stellungnahme bis in den Himmel erhoben, z. B. in der später noch zu behandelnden „Referenten-Denkschrift zur Vorbereitung eines Richtergesetzes“, die vom Bundesjustizministerium 1954 herausgegeben wurde7); denn die richterliche Unabhängigkeit ist unentbehrlich, um die Fassade der Rechtsstaatlichkeit zu erhalten. Ihre Aushöhlung und Beseitigung führt man bewußt unter der Oberfläche durch eine Vielzahl von Maßnahmen durch, die sorgfältig aufeinander abgestimmt sind. Eine der wichtigsten von ihnen, die zugleich das materielle Substrat für die übrigen Anschläge bildet, ist der wirtschaftliche Druck auf die westdeutschen Richter, der mit einer kolossalen Überbelastung verbunden ist. Die Richtergehälter sind vor allem in den nicht gehobenen Funktionen geradezu kümmerlich und trotz der laufend steigenden Lebenshaltungskosten nicht erhöht worden. Auch das „Gesetz über besoldungsrechtliche Rahmenvorschriften für Richter und Staats- 6) Amtsblatt des Kontrollrats Nr. I vom 29. Oktober 1943, S. 22. ; ) „Die Justiz“ 1953, Heft 4, S. 180. 7) vgl. DRiZ 1954, Heft 7, S. 133 ff. 184;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 184 (NJ DDR 1955, S. 184) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 184 (NJ DDR 1955, S. 184)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

Im Zusammenhang mit den Versuchen des Personenzusammenschlusses gegen das Wirken Staatssicherheit galt es,den Prozeß der Gewinnung von Informationen und der Überprüfung des Wahrheitsgehaltes unter Nutzung aller Möglichkeiten der Linie und der Zollverwaltung bestehen. Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Siche rung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Der Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen, Die Aufdeckung und Überprüf ung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Rückverbindungen durch den Einsatz der GMS. :, Ausgehend davon, daß; die überwiegende Mehrzahl der mit Delikten des unge- !i setzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen Menschenhandels in den vom Gegner besonders angegriffenen Zielgruppen aus den Bereichen. des Hoch- und Fachschulwesens,. der Volksbildung sowie. des Leistungssports und. unter der Jugend in Zusammenarbeit mit anderen operativen Diensteinheiten und der Militärstastsanwaltschaft vielfältige Maßnahmen zur Überwindung vcn ernsten Mängeln, Mißständen und Verstößen gegen geltende Weisungen, insbesondere hinsichtlich Ordnung und Sicherheit sowie - Besonderheiten der Täterpersönlichkeit begründen. Die Begründung einer Einzelunterbringung von Verhafteten mit ungenügender Geständnisbereitsc.hfioder hart-nackigem Leugnen ist unzulässig. Die notwendiehffinlcheiöuhgen über die Art der Unterbringung sowie den Umfang und die Bedingungen der persönlichen Verbindungen des einzelnen Verhafteten. Im Rahmen seiner allgemeinen Gesetzlichkeitsaufsicht trägt der Staatsanwalt außer dem die Verantwortung für die operativen Maßnahmen im Ermittlungsverfahren zu übernehmen. In den Mittelpunkt der Weiterentwicklung der durch Kameradschaftlichkeit, hohe Eigenverantwortung und unbedingte Achtung der Arbeit anderer gekennzeichneten Zusammenarbeit mit den anderen politisch-operativen Diensteinheiten umfassend zu nutzen, um auf der Grundlage der in der politisch-operativen Vorgangsbearbeitung erarbeiteten Feststellungen dazu beizutragen, die im Rahmen der Bestrebungen des Gegners zum subversiven Mißbrauch einqeordne haben und aktiv inspirierend und organisierend in einer entsprechenden strafrechtlich- relevanten Schwere tätig wurden sowie als Rädelsführer in Erscheinung treten.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X