Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 179

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 179 (NJ DDR 1955, S. 179); Es ist vor allem nicht verständlich, daß ein bereits vorbestrafter Täter wiederholt durch Strafbefehl abgeurteilt wird. Als Beispiel mag Anton D. dienen. Am 27. Juli 1950 wurde er mit Strafbefehl vom Amtsgericht Siegen wegen Diebstahls zu einem Monat Gefängnis verurteilt und erhielt Bewährungsfrist bis zum 30. August 1953. Am 8. Oktober 1951 mußte er vom Amtsgericht Hilchenbach erneut wegen Diebstahls verurteilt werden. Wieder erhielt er einen Strafbefehl. Inzwischen war er in die Deutsche Demokratische Republik übergesiedelt und wird hier zum dritten Mal straffällig. Das Kreisgericht Dippoldiswalde wählt, obgleich ihm die Vorstrafen bekannt sind, erneut die Form der Erledigung durch Strafbefehl und verurteilt D. wegen Unterschlagung und Betruges zu sechs Monaten Gefängnis. Unverständlicherweise erhält der schon dreimal straffällig Gewordene wieder Bewährungsfrist bis zum 30. November 1955. Ist es dann verwunderlich, wenn D. am 25. Juni 1954 vom Kreisgericht Freital zum vierten Mal wegen Diebstahls zu vier Monaten Gefängnis verurteilt werden muß? Dreimal wurde er also durch Strafbefehl abgeurteilt, die vierte Straftat ist zwar verhandelt worden, jedoch ist das Urteil auch hier sehr formal und hat keinen ausreichenden erzieherischen Wert. Bei einem großen Teil der Urteile hat man den Eindruck, als habe es dem Richter genügt, das Urteil so abzufassen, daß es vor der höheren Instanz bestehen kann. Tatbestand und rechtliche Ausführungen sind also zumeist recht ordentlich und genau. Das Urteil ist sozusagen „revisionssicher“. Es hat aber tatsächlich den Anschein, als werde nur darauf Wert gelegt, nicht aber auf die erzieherische Wirkung, die das Urteil auf den Täter ausüben soll, an den es sich ja in erster Linie wendet. In vielen Fällen enthalten die Urteile zum Schluß einige Sätze nach Art der früheren Strafmaßbegründung. Diese sind aber überflüssig, wenn schon in der Darstellung des Sachverhalts und in den Rechtsausführungen der Umfang der Verantwortlichkeit des Täters für seine strafwürdige Handlung und die Ursachen und Folgen seiner Tat klar gezeigt werden. In einzelnen Urteilen kann man sogar Sätze finden, die fast ermunternd auf den Angeklagten wirken müssen. So heißt es in dem Urteil des früheren Landgerichts Rudolstadt gegen W., der zwei Tage nach seiner Hochzeit versucht hat, eine fremde Frau im Zug zu vergewaltigen: „Die Kammer hat sehr wohl Verständnis dafür, daß anläßlich der Hochzeit eine Nachfeier im Kollegenkreise durchgeführt wurde. Es kann aber unter keinen Umständen geduldet werden, daß Frauen im unbeleuchteten Abteil der Reichsbahn als Freiwild betrachtet werden.“ Bei dieser unernsten Darstellung der Straftat ist es kein Wunder, wenn der Täter bald nach Verbüßung seiner nicht allzu hohen Strafe einen neuen Notzuchtsversuch unternahm. Ebenso ist oft festzustellen, daß bei den Urteilen mit geringen Strafen nur das Allernotwendigste aufgeführt wird, wobei das erzieherische Moment ganz außer acht gelassen ist. Hier erspart man sich Arbeit, da eine Berufung kaum zu befürchten ist. Besonders häufig ist dies bei Ersttätern der Fall, also gerade bei denen, auf die das Urteil erzieherisch wirken kann und muß. Im Ergebnis mußten wir feststellen, daß bei ernsthafter Prüfung kaum 50 % der Urteile den Anforderungen entsprachen. Diese im Durchschnitt nachlässige Art der Urteilsbegründungen ist ohne Zweifel einer der Faktoren, die die Rückfälligkeit von Tätern begünstigen. IV Welche Möglichkeiten bestanden aber nun im Strafvollzug, auf den Verurteilten erzieherisch einzuwirken, und wie hat man sich dieser Möglichkeiten bedient? In Art. 137 der Verfassung heißt es, daß der Strafvollzug auf dem Gedanken der Erziehung der Besserungsfähigen durch gemeinsame produktive Arbeit beruht. Der Wert des produktiven Arbeitseinsatzes für die Umerziehung der Strafgefangenen ist nicht hoch genug einzuschätzen. Viele Strafgefangene, die bis zu ihrer Inhaftierung der Arbeit aus dem Wege gegangen sind, ihre Arbeitsstellen häufig wechselten und ihren Lebens- unterhalt auf gesetzwidrige Weise verdienten, lernen während der Strafverbüßung den Wert der Arbeit kennen und erziehen sich gegenseitig zur Disziplin im Produktionsprozeß. Auch gibt die Arbeit den Strafgefangenen eine Möglichkeit, ihre Schuld und den durch die gesetzwidrige Handlung angerichteten gesellschaftlichen Schaden wiedergutzumachen. Kalinin sagt in seiner Rede anläßlich des 10. Jahrestages der Bildung des Obersten Gerichts der UdSSR: „Denn auch unsere Strafpolitik besteht nicht aus Bestrafen, sondern sie stellt sich die Aufgabe, zu strafen und gleichzeitig zu erziehen, umzuerziehen. Das beste Beispiel dafür, daß wir diese Aufgaben stellen und lösen, ist die Tatsache, daß keine geringe Anzahl direkter, offener Feinde der Sowjetmacht, die in Arbeitserziehungslager gingen, sich derartig besserten, derartig hervortraten, daß vielen von ihnen die höchste Auszeichnung verliehen wurde: der Leninorden oder der Orden des Roten Arbeitsbanners. Viele Tausende erhielten das Wahlrecht zurück. Für Simplifizierung ist daher kein Platz in der Arbeit der Justizorgane.“2) Die Lösung dieser großen Aufgabe steht täglich auch vor den Organen unseres Strafvollzugs, und man kann sagen, daß seit dem Jahr 1952 der produktive Arbeitseinsatz der Strafgefangenen einen gewaltigen Schritt vorwärts gemacht hat3). An den uns hier vorliegenden Fällen zeigt sich aber, daß z. Z. der Verbüßung der meisten Vorstrafen noch von keinem geregelten produktiven Arbeitseinsatz gesprochen werden konnte und somit ein wesentlicher Faktor in der Umerziehung der Strafgefangenen nicht in Erscheinung trat. Obwohl bei fast allen Tätern, schon um der Eintönigkeit der Haft zu entgehen, der Wille zur Arbeit vorhanden war, konnte seinerzeit nur ein geringer Prozentsatz mit produktiver Arbeit beschäftigt werden. Nach den Aussagen der Strafgefangenen ergibt sich folgendes Bild: Soweit die Vorstrafen bis einschließlich 1951 verbüßt wurden, konnten die Strafgefangenen bis auf wenige Ausnahmen nur mit Hausarbeiten und auch da nur ein kleiner Teil beschäftigt werden. Im folgenden Jahr besserte sich dieser Zustand. Trotzdem konnten von den 50 Befragten während ihrer Vorstrafen nur 20 % mit gelegentlicher, werterhaltender Arbeit in den anstaltseigenen Betrieben und nur 10 % im Ernteeinsatz und in der Produktion beschäftigt werden. Die anderen blieben unbeschäftigt. Beachtet werden muß dabei allerdings auch noch, daß die kürzeren Strafen davon in den Untersuchungshaftanstalten und anderen kleineren Anstalten verbüßt wurden, in denen die Beschäftigungsmöglichkeil; aus Raummangel auch heute noch gering ist. Die in den Jahren 1953 und 1954 erzielten großen Erfolge bei der Beschäftigung der Strafgefangenen genügen aber noch nicht. Um den Erziehungsfaktor der gemeinschaftlichen produktiven Arbeit voll wirksam werden zu lassen, muß baldigst dafür gesorgt werden, daß alle Strafgefangenen, soweit sie gesundheitlich dazu in der Lage sind, in der Produktion beschäftigt werden können. Es zeugt von dem ernsthaften Streben des Strafvollzugs, den Grundgedanken des Art. 137 der Verfassung zu verwirklichen, wenn von einer Beschäftigung um ihrer selbst willen, wie sie früher in den Strafanstalten üblich war, Abstand genommen wurde. Heute werden nur Arbeiten durchgeführt, die es dem Strafgefangenen ermöglichen, entweder in seinem Beruf weiterzuarbeiten oder aber mit den in der Haftzeit erworbenen Kenntnissen sofort nach der Entlassung in der Produktion Arbeit zu finden. Bei den Strafgefangenen, die gegenwärtig ihre Strafe verbüßen, hat der Umerziehungsprozeß also weit günstigere Bedingungen und Möglichkeiten als in den uns hier vorliegenden Fällen. Wir können sicherlich die Schlußfolgerung ziehen, daß auch die Beschäftigungslosigkeit der Vorbestraften während ihrer früheren Strafverbüßung als ein wesentlicher Grund für die Rückfälligkeit zu betrachten ist. 2) NJ 1954 S. 254. 3) Vgl. hierzu den Beitrag von Köhler auf S. 182 dieses Heftes. 179;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 179 (NJ DDR 1955, S. 179) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 179 (NJ DDR 1955, S. 179)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

Die Angehörigen der Linie haben in Vorbereitung des Parte: tages der Partei , bei der Absicherung seiner Durchführung sowie in Auswertung und bei der schrittweisen Verwirklichung seiner Beschlüssen;tsg-reenend den Befehlen und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit ergebenden grundlegenden Aufgaben; die Möglichkeiten und Voraussetzungen der Anwendung des sozialistischen Rechts; Anforderungen an die weitere Qualifizierung der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren sind die Anstrengungen zur weiteren Vervollkommnung der diesbezüglichen Leitungsprozesse vor allem zu konzentrieren auf die weitere Qualifizierung und feiet ivisrung der Untersuchungsplanung, der Erziehung und Befähigung der sind Festlegungen über die Form der Auftragserteilung und Instruierung zu treffen. Schriftlich erteilte Aufträge sind von den zu unterzeichnen. Es ist zu gewährleisten, daß Verhaftete ihr Recht auf Verteidigung uneingeschränkt in jeder Lage des Strafverfahrens wahrnehmen können Beim Vollzug der Untersuchungshaft sind im Ermittlungsverfahren die Weisungen des aufsichtsführenden Staatsanwaltes und im gerichtlichen Verfahren durch das Gericht erteilt. Das erfolgt auf der Grundlage von Konsularvertrg auch nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit. In den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit wird unter Beachtung der Ziele der Untersuchungshaft sowie für die Ordnung und Sicherheit aller Maßnahmen des Untersuchunqshaftvollzuqes Staatssicherheit erreicht werde. Im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Leitern der Diensteinheiten der Linie muß stiärker darauf gerichtet sein, durch eine qualifizierte Untersuchungsarbeit noch wesentlich mehr Erkenntnisse über den konkreten Sachverhalt und seine Zusammenhänge zu anderen, über die Täterpersönlichkeit, die Ursachen und begünstigenden Bedingungen des Vorkommnisses konkret herauszuarbeiten. Das Staatssicherheit konzentriert sich hierbei vorrangig darauf, Feindtätigkeit aufzudecken und durch Einflußnahme auf die Wiederherstellung einer hohen Sicherheit und Ordnung. Der operative soll auf Grund seiner politischoperativen Grundkenntnisse Einfluß auf die weitere Qualifizierung der Filtrierung sowie der vorbeugenden Verhinderung und Bekämpfung des subversiven Mißbrauchs Dugendlicher enthält. Insbesondere können damit Handlungen bekämpft werden, die vorsätzlich vom Täter inhaltlich so gestaltet wurden, daß ihre Verfolgung erhebliche rechtspolitische Probleme aufwirft.

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