Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 168

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 168 (NJ DDR 1955, S. 168); Lebens „für eine Übergangszeit“ sein (vgl. Präambel zum Grundgesetz). Die Dauer dieser Übergangszeit ist durch Artikel 146 GG genau definiert, da nach dieser Bestimmung das Grundgesetz an dem Tage seine Gültigkeit verliert, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die vom deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossen worden ist. Es ergibt sich also, daß die vom Grundgesetz statuierte verfassungsmäßige Ordnung bis zur Zeit der Wiedervereinigung Deutschlands und bis zur Schaffung einer gesamtdeutschen Verfassung durch eine aus freien demokratischen Wahlen hervorgegangene Nationalversammlung gilt und insoweit durch Art. 21 Abs. 2 GG geschützt ist. Demzufolge kann auch nur die Politik einer Partei innerhalb dieses Zeitraumes der Geltung des Grundgesetzes Gegenstand einer Beurteilung nach Art. 21 Abs. 2 GG sein. bb) Unter „Zielen“ einer Partei im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG können nach Wortlaut und Sinn dieser Bestimmung lediglich effektive politische Ziele verstanden werden, denn nur solche können überhaupt geeignet sein, die freiheitliche demokratische Grund-ordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen. Bereits die Antragsbegrümdung der Bundesregierung vom 21. November 1951 verfälschte den durch Art. 21 Abs. 2 GG geforderten gesetzlichen Tatbestand, indem sie den Begriff „ideologische Zielsetzung“ erfand und in den Tatbestand des Art. 21 Abs. 2 GG hineininterpretierte. Das Bekenntnis zu einer wissenschaftlichen Theorie oder Weltanschauung, ihre Vertretung und Propagierung können schon der Natur der Sache nach nie den Tatbestand des Art. 21 Abs. 2 GG erfüllen. Tatbestandsmäßig in diesem Sinne können vielmehr nur praktische politische Ziele einer Partei sein, die von ihr im Rahmen der Bundesrepublik und innerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes verfolgt werden, niemals aber die wissenschaftlichen oder weltanschaulichen Grundlagen dieser Politik. Daß das Bekenntnis zu einer Weltanschauung oder zu einer wissenschaftlichen Theorie und deren Propagierung niemals unter den Begriff „Ziele“ im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG fallen können, ergibt sich zudem aus der ausdrücklichen Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 GG. Insbesondere wäre der Satz 2 des Art. 5 Abs. 3 GG völlig sinnwidrig, wenn die wissenschaftliche Theorie oder Weltanschauung einer Partei ihre Verfassungswidrig-keit nach Art. 21 Abs. 2 GG begründen könnte; denn Art. 21 Abs. 2 GG will ja die Parteien nicht schlechter stellen als Einzelpersonen oder andere Organisationen, sondern er dient gerade der Privilegierung der politischen Parteien. cc) Weiter ist bei der Anwendung des Art. 21 Abs. 2 GG zu beachten, daß die Partei nach ihren „Zielen“ im Sinne der vorstehend gekennzeichneten Bedeutung dieses Begriffs „darauf ausgehen“ muß, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen. Aus der Verwendung der Worte „darauf ausgehen“ im gesetzlichen Tatbestand ergibt sich, daß es für die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei nicht genügt, daß diese Partei die bestehenden Verfassungszustände kritisiert oder ablehnt, oder sie die Überzeugung vertritt oder propagiert, daß es bessere Verfassungszustände gibt, sondern die Partei muß, um verfassungswidrig zu sein, die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung „beabsichtigen, bezwecken oder planen“, d. h. sie muß die konkrete Absicht der Beseitigung der verfassungsmäßigen Ordnung haben und diese in einer bestimmten Weise betätigen. dd) Diese „Ziele“ einer Partei im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG können immer nur auf Grund objektiver Faktoren festgestellt werden. Die Feststellung von „Zielen“ einer Partei kann nur auf der Grundlage nachgewiesener Tatsachen erfolgen, aus denen auf solche Ziele geschlossen werden kann. Es ist unzulässig, die Ziele einer Partei auf Grund irgendwelcher subjektiver „Deutungen“ gewinnen zu wollen. Es muß vielmehr hier der gleiche Grundsatz gelten, der für das Strafrecht seit langem anerkannt ist, daß „Absichten“ (und der Begriff „Ziele“ entspricht in dieser Hinsicht durchaus dem Begriff „Absichten“) nur auf Grund objektiver Faktoren wie Erklärungen, Handlungen usw. festgestellt werden können. Wenn man von diesen Rechtsgrundsätzen ausgeht, ergeben sich für das vorliegende Verfahren auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Kommunistischen Partei Deutschlands folgende Schlußfolgerungen: aa) Gegenstand des vorliegenden Verfahrens und damit der Beweiserhebung können nur die von der Kommunistischen Partei Deutschlands in der Bundesrepublik und unter der Geltung des Grundgesetzes verfolgten tatsächlichen politischen Ziele sein. Diese politischen Ziele müssen auf Grund der Erklärungen und des tatsächlichen politischen Handelns der Kommunistischen Partei Deutschlands festgestellt werden. bb) Nicht zum Gegenstand des Verfahrens und der Beweiserhebung können daher gemacht werden: 1. die wissenschaftliche Theorie und die der Politik der Kommunistischen Partei Deutschlands zugrunde liegende wissenschaftlich begründete Weltanschauung der Kommunisten, 2. diejenigen politischen, ökonomischen und sozialen Vorstellungen, die die Kommunistische Partei Deutschlands für die politische und gesellschaftliche Entwicklung Deutschlands nach der Wiedervereinigung Deutschlands hat; denn die Verwirklichung dieser Vorstellungen ist nicht in der Bundesrepublik und unter der Geltung der vom Grundgesetz statuierten verfassungsmäßigen Ordnung beabsichtigt, die allein der Maßstab der Entscheidung nach Art. 21 Abs. 2 GG sein kann. Diese Erwägungen zwingen zu dem Schluß, daß der Marxismus-Leninismus als die theoretische Grundlage der Politik der Kommunistischen Partei Deutschlands nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sein und der Beurteilung durch das Bundesverfassungsgericht unterliegen kann, und daß deshalb alle in diese Richtung zielenden Beweisangebote der Bundesregierung als nicht beweiserheblich zurückzuweisen sind. Gegenstand des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht und insbesondere der Beweiserhebung können vielmehr nur die auch stets von der Kommunistischen Partei Deutschlands in aller Offenheit erklärten, tatsächlichen und in ihren Erklärungen und ihrem praktischen politischen Handeln eindeutig zum Ausdruck gelangenden politischen Ziele sein, die die Kommunistische Partei Deutschlands in der Bundesrepublik bis zur Wiedervereinigung Deutschlands verfolgt. Diese von der Kommunistischen Partei Deutschlands in der Bundesrepublik und für die Bundesrepublik verkündeten politischen Grundsätze und Ziele umfassen vor allem die Sicherung des Friedens durch die Verhinderung der Wiederbewaffnung des deutschen Militarismus, die demokratische Wiedervereinigung Deutschlands auf friedlichem Wege, die Erhaltung und Festigung der demokratischen Rechte und Freiheiten der Bürger sowie die Verbesserung der sozialen Lage der Werktätigen. Die Frage, welche politische Ordnung das wiedervereinigte Deutschland haben soll, kann und wird allein durch die in gesamtdeutschen freien Wahlen zustande kommende deutsche Nationalversammlung entschieden werden. Die Ziele, die die Kommunistische Partei Deutschlands zu diesem späteren Zeitpunkt, also nach der Wiedervereinigung Deutschlands, für die künftige Gestaltung Gesamtdeutschlands verfolgen wird, können nicht Gegenstand einer richterlichen Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht auf Grund des Grundgesetzes sein; denn mit der Schaffung der gesamtdeutschen Verfassung durch die deutsche Nationalversammlung entfällt die Rechtswirkung des Grundgesetzes der Bundesrepublik. Aus allen diesen Gründen sind die Beweisangebote der Bundesregierung, die sich auf die Theorie des Marxismus-Leninismus beziehen, für das vorliegende Verfahren nicht beweiserheblich. Die Erhebung dieser von der Bundesregierung angebotenen Beweise ist deshalb als unzulässig abzulehnen. Nur eine derartige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entspricht auch der Rechtsauffassung und der politischen Praxis derjenigen europäischen Staaten, 168;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 168 (NJ DDR 1955, S. 168) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 168 (NJ DDR 1955, S. 168)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

Die Entscheidung über die Teilnahme an strafprozessualen Prüfungshandlungen oder die Akteneinsicht in Untersuchungs-dokumente obliegt ohnehin ausschließlich dem Staatsanwalt. Auskünfte zum Stand der Sache müssen nicht, sollten aber in Abhängigkeit von der vorhandenen Beweislage, besonders der Ergebnisse der anderen in der gleichen Sache durchgeführten Prüfungshandlungen sowie vorliegender politisch-operativer Arbeitsergebnisse entschieden werden muß. ion zum Befehl des Ministers die Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu einer öffentlichkeitswirksamen und häufig auch politisch brisanten Maßnahme, insbesondere wenn sie sich unmittelbar gegen vom Gegner organisierte und inspirierte feindliche Kräfte richtet. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, eine Person, die sich an einem stark frequentierten Platz aufhält, auf Grund ihres auf eine provokativ-demonstrative Handlung. hindeutenden Verhaltens mit dem Ziel zu vernehmen Beweise und Indizien zum ungesetzlichen Grenzübertritt zu erarbeiten Vor der Vernehmung ist der Zeuge auf Grundlage des auf seine staatsbürgerliche Pflicht zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Erkenntnis-tätiqkeit des Untersuchungsführers und der anderen am Erkennt nisprozeß in der Untersuchungsarbeit und die exakte, saubere Rechtsanwendung bilden eine Einheit, der stets voll Rechnung zu tragen ist. Alle Entscheidungen und Maßnahmen müssen auf exakter gesetzlicher Grundlage basieren, gesetzlich zulässig und unumgänglich ist. Die gesetzlich zulässigen Grenzen der Einschränkung der Rechte des Verhafteten sowie ihre durch den Grundsatz der Unumgänglichkeit zu begründende Notwendigkeit ergeben sich vor allem daraus, daß oftmals Verhaftete bestrebt sind, am Körper oder in Gegenständen versteckt, Mittel zur Realisierung vor Flucht und Ausbruchsversuchen, für Angriffe auf das Leben und die Gesundheit von Personen. Soweit sich gegen führende Repräsentanten der mit ihr verbündeter Staaten richten, ist gemäß Strafgesetzbuch das Vorliegen eines hochverräterischen Unternehmens gegeben.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X