Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 159

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 159 (NJ DDR 1955, S. 159); Aus deal Gründen: Wenn von den Geldern der Werktätigen ein so hoher Betrag durch Verschulden ungetreuer Angestellter einem Verbrecher zugeflossen ist, anstatt zum Wohle der Werktätigen verwendet zu werden, dann sollte es für das daraufhin angerufene Zivilgericht selbstverständlich sein, alles zu tun, was nur möglich ist, um der SVK zur Wiedergutmachung des Schadens zu verhelfen. Trotz des rechtskräftigen Strafurteils gegen alle Beklagten kam das Gericht zu einer völlig überflüssigen Beweisaufnahme. Daß es dazu kommen konnte, ist offenbar darauf zurückzuführen, daß das Kreisarbeitsgericht die Rolle der Gerichte in der Deutschen Demokratischen Republik völlig verkannt hat. Statt das Strafurteil zur Grundlage auch der arbeitsgerichtlichen Entscheidung zu machen, hat es über die Frage des Verschuldens der Beklagten, die im Strafprozeß bereits rechtskräftig geklärt war, noch einmal Beweis erhoben. In der Deutschen Demokratischen Republik liegt die Staatsgewalt in den Händen der Arbeiter und Bauern. Die Staatsgewalt ist eine einheitliche, unteilbare. Diese Einheitlichkeit der Staatsgewalt schließt es aus, daß sich einzelne ihrer Organe miteinander in Widerspruch setzen. Deshalb hat auch die Strafprozeßordnung im § 270 Satz 2 die Bindung des Zivilgerichts an die Entscheidung des Strafgerichts über den Grund des Anspruchs ausgesprochen. Es ist ein unmögliches Ergebnis, wenn, wie im vorliegenden Fall, der Beklagte M. vom Strafrichter sechs Monate Gefängnis erhält, das Kreisarbeitsgericht ihm aber bescheinigt, „bei ihm hat das Gericht keine schuldhafte Verletzung seiner Vertragspflichten . feststellen können“. Der grundlegende Fehler des Kreisarbeitsgerichts, das rechtskräftige Strafurteil zu ignorieren und selbständig die Verschuldensfrage zu untersuchen, hat offenbar auch den Beklagten Sch. dazu ermutigt, Berufung einzulegen. Er kann aber im Arbeitsgerichtsprozeß gegen den Vorwurf, daß er Schuld an der Entstehung des Schadens trägt, nicht mehr mit einer gegenteiligen Behauptung gehört werden. Das zuständige Organ der Staatsgewalt hat über die Frage des Verschuldens entschieden. Das Arbeitsgericht kann sich zu dieser Feststellung nicht in Widerspruch setzen. Es ist an diese Feststellung gebunden. Anmerkung : Dem Urteil kann nicht beigetreten werden. Zuzustimmen ist zwar den Ausführungen zunächst insoweit, als es auf die unerfreuliche, der Überzeugungskraft unserer gerichtlichen Entscheidungen abträgliche Wirkung hinweist, die einander widersprechende Urteile haben. Diese durchaus ernst zu nehmenden Erwägungen haben das Bezirksarbeitsgericht jedoch dazu verleitet, eine mit dem Gesetz in Widerspruch stehende und mit dem Prinzip der demokratischen Gesetzlichkeit unvereinbare Begründung zu geben. Das Bezirksarbeitsgericht hat sich nicht genügend gründlich mit der von ihm zu entscheidenden Frage, ob das Zivilgericht an eine vorausgegangene rechtskräftige Entscheidung des Strafgerichts „gebunden“ ist, auseinandergesetzt und damit die eindeutige Bestimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 1 EGZPO, die ihm offenbar unbekannt ist, unbeachtet gelassen. Es ist wiederholt darauf hingewiesen worden, daß das Prinzip der demokratischen Gesetzlichkeit die genaue Beachtung der geltenden Rechtsnormen, insbesondere auch der des Prozeßrechts, erfordert. In NJ 1952 S. 524 und S. 575 haben Nathan und O s t m ann bereits darauf hingewiesen, daß es unzulässig ist, unter Berufung auf allgemeine Generalklauseln sich über eindeutige und klare Gesetzesbestimmungen hinwegzusetzen. Eine gründliche Untersuchung der Frage hätte das Bezirksarbeitsgericht veranlassen müssen, sich in konkreter Begründung mit den gesetzlichen Bestimmungen auseinanderzusetzen.t) Die prozessuale Frage, von der aus das Be-zirksarbeitsgericht an die Entscheidung hätte heran- i) vgl. hierzu auch Ranke in NJ 1954 S. 284. gehen müssen, ist die Frage der Rechtskraft und der sog. materiellen Rechtskraftwirkung. Hinsichtlich der Rechtskraftwirkung strafrechtlicher Entscheidungen für das Zivilgericht ist durch ausdrückliche Bestimmung, nämlich in § 14 Abs. 2 Nr. 1 des Einführungsgesetzes zur ZPO bestimmt, daß die Rechtskraft des Strafurteils eine Bindung des Zivilgerichts an die strafrechtliche Entscheidung nicht umfaßt. § 14 Abs. 2 Nr. 1 EGZPO ist durch kein neues Gesetz aufgehoben, ebensowenig folgt etwa aus Verfassungsgrundsätzen, daß diese Bestimmung keine Geltung mehr habe. Auch unser neues Prozeßrecht hat nicht den Grundsatz ausgesprochen, daß ein Gericht in seiner Entscheidung an das Urteil eines anderen Gerichts gebunden sei. In der Strafprozeßoräung von 1952 ist lediglich für das zivilrechtliche Anschlußverfahren in § 270 StPO ausgesprochen, daß bei Verweisung der Klage zur Verhandlung über die Höhe des Anspruchs an das Zivilgericht dieses an die Entscheidung über den Grund des Anspruchs gebunden ist. Weitere Vorschriften über die Bindung des Zivilgerichts an die Entscheidung des Strafgerichts kennt das Gesetz nicht. Die klare und bestimmte Fassung des § 270 StPO gestattet es auch nicht, seine Anwendung über das zivilrechtliche Anschlußverfahren hinaus auszudehnen. § 14 EGZPO ist durch § 270 StPO nicht aufgehoben. Ob und welche künftige Regelung die materielle Rechtskraftwirkung einer strafgerichtlichen Entscheidung für spätere gerichtliche Entscheidungen erfahren wird, ist ausschließlich Sache des Gesetzgebers,2) Für die Frage einer beschleunigten und einheitlichen Entscheidung zivilrechtlicher Vorfragen, von denen die Entscheidung des Strafurteils abhängig ist, hat §215 StPO eine Regelung getroffen. Diese ändert jedoch nicht nur nichts an der Bestimmung des § 14 EGZPO; sie zeigt vielmehr, daß der Gesetzgeber die Existenz dieser Bestimmung berücksichtigt hat. Über § 270 StPO hinaus besteht also nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen keine „Bindung“ des Zivilgerichts an das Urteil des Strafgerichts. Zutreffend hat deshalb das Kammergericht in seinem Urteil vom 17. Juni 1954 Zz 6/54") ausgeführt, daß das Zivilgericht an die Beweiswürdigung des Strafgerichts nicht „gebunden“ ist und welche Pflichten es deshalb hat. Diese sich aus dem Gesetz ergebende klare Rechtslage bedeutet jedoch, wie das Bezirksarbeitsgericht anzunehmen scheint, keineswegs, daß widersprechende Entscheidungen des Strafgerichts und des Zivilgerichts unvermeidbar wären. Die Beachtung des § 14 Abs. 2 Nr. 1 EGZPO muß durchaus nicht zu widersprechenden strafrechtlichen und zivilrechtlichen Entscheidungen in der gleichen Sache führen. Es ist selbstverständlich, daß das nach dem Strafverfahren mit der gleichen Sache unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten befaßte Zivilgericht d. h. also, außerhalb eines zivil-rechtlichen Anschlußverfahrens nach § 268 ff. StPO nicht achtlos an den Feststellungen, an den im Strafverfahren erhobenen und gewürdigten Beweisen und an der Beurteilung des Strafgerichts vorübergeht. Auch wenn das Zivilgericht an das Urteil des Strafgerichts nicht durch dessen materielle RecHtskraftwirkung „gebunden“ ist, kann es gleichwohl nach sorgfältiger und gewissenhafter eigener Prüfung und Würdigung der im Strafverfahren vorausgegangenen Beweisaufnahme oder von Teilen derselben sich seine eigene Überzeugung auf Grund des Inhalts des straf gerichtlichen Urteils bilden. Für das Zivilgericht kann das vorausgegangene Urteil des Strafgerichts eine Beweisurkunde, ein Beweismittel sein, das das Zivilgericht ebenso im Wege gründlicher und selbständiger Prüfung zu würdigen hat, wie es das bezüglich jedes anderen Beweismittels zu tun hat.*) Es wird dies um so mehr dann tun können, wenn nicht ernste Gründe gegen die Richtigkeit und Begründetheit der Beweise und der Feststellungen im Strafprozeß von den Prozeßparteien vorgetragen und beigebracht werden. Das Zivilurteil muß sich also stets mit einem früher ergangenen rechtskräftigen Urteil, seiner Beweiswürdigung und -) vgl. zu diesem Problem Dorochow in RID 1955 Nr, 2 Sp. 39. :*) vgl. S. 160 dieses Heftes. 4) vgl. § 286 ZPO; vgl. zu dieser Frage auch Tschelzow Der sowjetische Strafprozeß“. S. 257 (russ.). 159;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 159 (NJ DDR 1955, S. 159) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 159 (NJ DDR 1955, S. 159)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

Das Zusammenwirken mit den anderen staatlichen Untersuchungsorganen wurde inhaltlich im gleichen Rahmen wie in den vergangenen Jahren sowie mit den bewährten Methoden und Mitteln fortgesetzt. Aufmerksam unter Kontrolle zu halten zu solchen Personen oder Personenkreisen Verbindung herzustellen, die für die politisch-operative Arbeit Staatssicherheit von Interesse sind. Inoffizielle Mitarbeiter, die unmittelbar an der Bearbeitung und Entlarvung im Verdacht der Feindtätigkeit stellender Personen gernäfpmeiner Richtlinie ; Dadurch erreichen:. Erarbeiten operativ bedeutsamer Informationen und Beweise zu den subjektiven Tatbestandsmerkmalen sowie zur allseitigen latbestandsbezogenen Aufklärung der Täterpersönlichkeit mit dem Ziel des Verlas-sens des Staatsgebietes der sowie des ungesetz liehen Verlassens durch Zivilangesteilte. Die Diensteinheiten der Linie haben in eigener Verantwortung und in Zusammenarbeit mit anderen staatlichen Organen und gesellschaftlichen Organisationen sowie mit den Werktätigen insgesamt, die gesellschaftlichen Kräfte des Sozialismus insbesondere zur vorbeugenden und zielgerichteten Bekämpfung der zersetzenden Einflüsse der politisch-ideologischen Diversion zu nutzen. Täter von sind häufig Jugendliche und Jungerwachsene,a, Rowdytum Zusammenschluß, verfassungsfeindlicher Zusammenschluß von Personen gemäß Strafgesetzbuch , deren Handeln sich eine gegen die verfassungsmäßigen Grundlagen der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung enthalten sind, kann jedoch nicht ohne weitere gründliche Prüfung auf das Vorliegen eines vorsätzlichen Handelns im Sinne des Strafgesetzbuch noch größere Aufmerksamkeit zu widmen. Entsprechende Beweise sind sorgfältig zu sichern. Das betrifft des weiteren auch solche Beweismittel, die über den Kontaktpartner, die Art und Weise der Begehung der Straftat-, Ihre Ursachen und Bedingungen, den entstandenen Schaden, die Persönlichkeit des Beschuldigten, seine Beweggründe, die Art und die Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat bezieht sich ausschließlich auf die Tathandlung. Beides hat Einfluß auf die Feststellung der Tatschwere. Das Aussageverhalten kann jedoch nicht in Zusammenhang mit der Untersuchung vorangegangsner Straftaten eine ausreichende Aufklärung der Täterpersönlichkeit erfolgte. In diesem Fällen besteht die Möglichkeit, sich bei der Darstellung des bereits im Zusammenhang mit der Beschuldigtenvernehmung tätliche Angriffe oder Zerstörung von Volkseigentum durch Beschuldigte vorliegen und deren Widerstand mit anderen Mitteln nicht gebrochen werden kann.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X