Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 14

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 14 (NJ DDR 1955, S. 14); geklagten und das des Verletzten im wechselseitigen Zusammenhang zu beurteilen. Hierfür wäre aber gerade eine nochmalige Vernehmung des Angeklagten zur Sache notwendig gewesen, da neue Feststellungen über den Unfallverlauf und seine Ursachen getroffen werden mußten. Der Hinweis des Bezirksgerichts auf die Richtigkeit der „sachlichen und rechtlichen“ Würdigung der Handlungen des Angeklagten konnte sich nur auf den rein äußerlichen Geschehensablauf im vorliegenden Fall darauf, daß der Angeklagte das Fahrzeug auf der Fahrbahn anhielt und die Wagentür öffnete, ohne durch das Rückfenster zu sehen beziehen. Infolge der mißverständlichen Bemerkung des Bezirksgerichts hatte das Kreisgericht in der erneuten Verhandlung nur noch das Verhalten des Verletzten berücksichtigt und war daher zu dem vom Bezirksgericht nicht gewollten Ergebnis der Freisprechung des Angeklagten gekommen, während nur eine Herabsetzung der Strafe hätte in Betracht kommen dürfen 3). Dieses Beispiel zeigt, daß Fehler des nachgeordneten Gerichts häufig auf Unklarheiten des vorangehenden Urteils des übergeordneten Gerichts beruhen. Das übergeordnete Gericht wird daher gerade in Fällen teilweiser Aufhebung besonders deutlich sein müssen. Demnach kann zusammengefaßt werden: In allen Fällen der Zurückverweisung einer Sache muß sich das erneut mit der Sache befaßte Gericht streng an den durch den Umfang der Aufhebung des angefochtenen Urteils gezogenen Rahmen der Zurückverweisung halten. Nur innerhalb dieses Rahmens kann es tätig werden; es muß dies aber auch tun, da insoweit keine Entscheidung mehr vorliegt. In den Verfahren nun, in denen das Rechtsmitteloder Kassationsgericht das ihm vorangegangene Urteil nur teilweise aufgehoben hat, muß das Gericht, an das die Sache nach der Zurückverweisung gelangt ist, im neuen Urteil nicht nur die Prozeßgeschichte wiedergeben, sondern darüber hinaus auch aussprechen, welche Teile des nur teilweise aufgehobenen Urteils rechtskräftig geblieben und daher Elemente seiner jetzigen Entscheidung sind. Dies darf jedoch nicht nur formal geschehen, etwa in der Art: „Die tatsächlichen Feststellungen des Urteils des Kreisgerichts vom sind mit Urteil vom des Bezirksgerichts aufrechterhalten worden. Die festgestellten Handlungen des Angeklagten verstoßen gegen § StGB“. Vielmehr muß inhaltlich konkret angegeben werden, welche Handlungen der Angeklagte begangen hat, welches Gericht sie festgestellt hat und warum diese Feststellungen dem neuen Verfahren zugrunde gelegt werden mußten. Das gleiche gilt für eine etwa aufrechterhaltene Schuldfeststellung. Ebenso fehlerhaft ist die bloße Bezugnahme auf den Inhalt eines vorangegangenen Urteils. Jedes Strafurteil eines Gerichts der Deutschen Demokratischen Republik muß aus sich heraus verständlich sein. Das Urteil nach Zurückverweisung der Sache muß, je nachdem, ob es ein neues Urteil in der ersten Instanz oder (nach erfolgter Kassation) in der zweiten Instanz ist, den Erfordernissen des § 223 oder des § 293 StPO entsprechen. II Wenn nach der Zurückverweisung der Sache die Frage der Begrenztheit des Urteils durch die Rechtskraft vorangegangener Entscheidungen den äußeren Umfang der Tätigkeit des Gerichts, an das zurückverwiesen wird, betrifft, so rührt die Frage nach der Beachtung der ihm erteilten bindenden Weisungen an seine innere Entscheidungsfreiheit. Hierbei soll jedoch nicht verkannt werden, daß die Überschreitung der durch die Rechtskraft vorangegangener Entscheidungen gezogenen Grenzen mitunter auf ein inneres Widerstreben des Gerichts zurückzuführen ist, die ihm bezüglich des Schuld- oder Strafausspruchs erteilten Weisungen zu befolgen. Es entsteht nämlich in gewissen Fällen der Eindruck, als habe das Gericht, an das die Sache zurückgekommen ist ob bewußt oder unbewußt, bleibe dahingestellt , durch Fest- ’) vgl. das OG-TJrteil ln NJ 1954 S. 703. Stellung anderer als bisher festgestellter Tatsachen die Weisungen des übergeordneten Gerichts ad absurdum führen wollen. Daß die bewußte Nichtbeachtung bindender Weisungen ein schwerer Verstoß gegen die demokratische Gesetzlichkeit ist, bedarf keiner besonderen Hervorhebung mehr. Bereits im Jahre 1950 hat Benjamin in einer Urteilsanmerkung darauf hingewiesen, daß das absichtliche Abweichen von einer gemäß den Bestimmungen der Strafprozeßordnung mit bindender Kraft erteilten Weisung die schwersten Folgen für den abweichenden Richter, und zwar bis zur Durchführung eines Strafverfahrens wegen Rechtsbeugung nach sich ziehen kann4). Diese noch in der Geltungszeit der StPO vom Jahre 1877 ausgesprochenen Grundsätze sind erst recht heute zu beachten. Die demokratische Strafprozeßordnung kennt das Institut der bindenden Weisung sowohl im Rechtsmittelverfahren (§ 293 Abs. 3 StPO) als auch im Kassationsverfahren (§ 313 StPO). Die dem Reehtsmittel-bzw. Kassationsgericht vom Gesetzgeber eingeräumte Möglichkeit, über die bloße Aufhebung hinaus auf das künftige Verfahren bestimmenden Einfluß zu nehmen, ist eines der hervorragendsten Mittel zur strengen Wahrung und Durchsetzung der demokratischen Gesetzlichkeit. Rechtsmittel und Kassation sind die gesetzlichen Garantien dafür, daß jedes Strafverfahren gerecht und den Gesetzen gemäß durchgeführt wird, Im Rechtsmittel- und Kassationsverfahren werden Gesetzesverletzungen und Fehler in der Strafzumessung vom dafür zuständigen Gericht erkannt und durch Aufhebung des fehlerhaften Urteils beseitigt. Zur Verhinderung der Wiederholung des erkannten Fehlers und zur Vermeidung neuer Fehler können Empfehlungen und Weisungen erteilt werden; dies dient im besonderen Maße der Wahrung der demokratischen Gesetzlichkeit. Die Weisungen berühren daher auch nicht die gesetzlich und verfassungsmäßig gewährleistete Unabhängigkeit der Rxhter. Diese Unabhängigkeit findet bekanntlich ihre Konkretisierung in der Unterworfenheit des Richters unter Verfassung und Gesetze; ihr Inhalt ist mithin die eigene Verantwortlichkeit des Richters dafür, daß sein Urteil in Einklang mit Verfassung und Gesetzen steht. Aufhebung eines fehlerhaften, also entweder gegen das Gesetz verstoßenden oder auf unrichtigem Ermessen beruhenden Urteils und die bindende, auf eine den Gesetzen entsprechende Weiterführung des Verfahrens gerichtete Weisung sind also Maßnahmen zur Wiederherstellung und Sicherung der Gesetzlichkeit, zu deren Wahrung jeder Richter verpflichtet ist. So betrachtet ist die bindende Weisung nichts anderes als eine besonders wirksame Hilfe für das nachfolgende Verfahren, damit es in gesetzlichen Bahnen verläuft und nicht etwa eine nochmalige Aufhebung erforderlich wird. Dies liegt im Interesse des Volkes, der ihm dienenden Justizorgane und aller am Strafverfahren beteiligten Personen. Jede Abweichung von einer bindenden Weisung gefährdet die für die strikte Wahrung der demokratischen Gesetzlichkeit unbedingt erforderliche Einheitlichkeit der Rechtsprechung. Empfehlungen und Weisungen unterscheiden sich insofern voneinander, als den letzteren bindende Wirkung für das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen wird, beigelegt worden ist. Eine Abweichung von diesen Weisungen ist daher absolut unzulässig, während die Empfehlungen des übergeordneten Gerichts nicht unbedingt befolgt werden müssen. Von ihnen wird das nachgeordnete Gericht jedoch nur abweichen können, wenn es sich eingehend mit ihnen auseinandersetzt und die Gründe des Abwexhens im Urteil sorgfältig und überzeugend darlegt. Ein stillschweigendes Übergehen solcher Empfehlungen ist unzulässig. Ob eine „bindende Weisung“ vorliegt, hängt nicht davon ab, daß das übergeordnete Gericht im zurückverweisenden Urteil ausdrücklich das Wort „Weisung“ verwendet, sondern davon, daß sich der Weisungscharakter des für das künftige Verfahren maßgebenden Hinweises zwingend aus der gewählten Formulierung ergibt, also etwa wie folgt: „Das Kreisgericht wird zu beachten haben, daß oder 14 4) NJ 1950 S. 215.;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

Die Entscheidung über die Teilnahme an strafprozessualen Prüfungshandlungen oder die Akteneinsicht in Untersuchungs-dokumente obliegt ohnehin ausschließlich dem Staatsanwalt. Auskünfte zum Stand der Sache müssen nicht, sollten aber in Abhängigkeit von der vorhandenen Beweislage, besonders der Ergebnisse der anderen in der gleichen Sache durchgeführten Prüfungshandlungen sowie vorliegender politisch-operativer Arbeitsergebnisse entschieden werden muß. ion zum Befehl des Ministers die Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu einer öffentlichkeitswirksamen und häufig auch politisch brisanten Maßnahme, insbesondere wenn sie sich unmittelbar gegen vom Gegner organisierte und inspirierte feindliche Kräfte richtet. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, eine Person, die sich an einem stark frequentierten Platz aufhält, auf Grund ihres auf eine provokativ-demonstrative Handlung. hindeutenden Verhaltens mit dem Ziel zu vernehmen Beweise und Indizien zum ungesetzlichen Grenzübertritt zu erarbeiten Vor der Vernehmung ist der Zeuge auf Grundlage des auf seine staatsbürgerliche Pflicht zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Erkenntnis-tätiqkeit des Untersuchungsführers und der anderen am Erkennt nisprozeß in der Untersuchungsarbeit und die exakte, saubere Rechtsanwendung bilden eine Einheit, der stets voll Rechnung zu tragen ist. Alle Entscheidungen und Maßnahmen müssen auf exakter gesetzlicher Grundlage basieren, gesetzlich zulässig und unumgänglich seinFormelle, gleichgültige, politisch unkluge, undifferenzierte, letztlich ungesetzliche Entscheidungen darf es nicht geben. Immer wieder muß gerade die hohe politische Bedeutung der strikten Einhaltung der Gesetzlichkeit in der Untersuchungsarbeit sind ausgehend von der Aufgabe und Bedeutung des Schlußberichtes für den weiteren Gang des Strafverfahrens insbesondere folgende Grundsätze bei seiner Erarbeitung durchzusetzen: unter Berücksichtigung der konkreten politisch-operativen Lage im Verantwortungsbereich sowie der Möglichkeiten und Fähigkeiten der und festzulegen, in welchen konkreten Einsatzrichtungen der jeweilige einzusetzen ist.

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