Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 138

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 138 (NJ DDR 1955, S. 138); gerichts23) gehört hatten, in die Zuständigkeit des Amtsgerichts. Der Amtsrichter erhielt vom 1. April 1924 ab eine ungeheure Machtfülle. Er entschied nicht nur bei Übertretungen, Privatklagesachen und solchen Vergehen, die mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bedroht waren, sondern konnte sogar bei Verbrechen unter bestimmten Voraussetzungen als Einzelrichter bis zu zehn Jahren Zuchthaus verhängen. Soweit der Amtsrichter nicht allein entschied, verhandelten die Schöffengerichte in der Zusammensetzung von einem Richter und zwei Schöffen. Aber die Entscheidung darüber, ob in erster Instanz der Einzelrichter oder das Schöffengericht tätig wurde, überließ die Verordnung in weitem Umfange dem Staatsanwalt, dem sogar die Macht eingeräumt wurde, über die Zusammensetzung des Schöffengerichts zu bestimmen. Wenn es der Staatsanwalt beantragte, mußte nämlich das Schöffengericht aus zwei Richtern und zwei Schöffen bestehen. Neu war die Hereinnahme von Schöffen in die Berufungsstrafkammern29). Da aber das Rechtsmittel der Revision gegen die Urteile der Berufungsstrafkammern entweder an den Strafsenat des Oberlandesgerichts (drei Berufsrichter) oder des Reichsgerichts (fünf Berufsrichter) führte, wurde dort, wo es darauf ankam, das entscheidende Wort auch weiterhin ohne Schöffen gesprochen. Als Sparsamkeitsmaßnahme getarnt, in Wirklichkeit aber zur Abwürgung der Schöffengerichtstätigkeit bestimmt, um die Justiz der Weimarer Republik ungehindert und stärker als bisher zur Niederhaltung des Proletariats einsetzen zu können, schuf die Reaktion mit der Emminger-Verordnung in der Gerichtsorganisation und im Strafverfahren die Voraussetzungen für das Heranwachsen der faschistischen Justizwillkür. Sechs Jahre später stellte bereits die Berufung der Regierung Brüning im Jahre 1930, die im Wege der Notverordnungen die Massenverbrauchsgüter mit neuen Steuern belegte, Löhne und Gehälter der Arbeiter und Angestellten senkte, Arbeitslosenunterstützungen kürzte und so alle Lasten der seit dem Herbst 1929 wütenden Wirtschaftskrise auf die Werktätigen abwälzte, den ersten Akt der Faschisierung Deutschlands dar. Die Vorbereitungen für die Überleitung der bürgerlichen Diktatur zum offenen Faschismus wirkten sich unmittelbar auch auf die Gerichtsorganisation aus. Durch Verordnung vom 6. Oktober 1931 30) wurde der Staatsanwalt ermächtigt, Strafsachen großen Umfangs, welche bisher zur Zuständigkeit des Amtsgerichts gehörten, vor der großen Strafkammer anzuklagen, die in diesen Fällen als erstinstanzliches Gericht tätig wurde. Da an Landfriedensbruch, Aufruhr usw. oft eine größere Zahl von Menschen als Beschuldigte und Zeugen beteiligt waren, bestimmte die Verordnung, daß nach dem Ermessen des Staatsanwalts solche Prozesse vor ein Gericht kamen, in welchem sich die Berufsrichter in der Mehrheit gegenüber den Schöffen befanden31). Der Unsicherheitsfaktor, der evtl, durch Schöffen in den politischen Monsterprozeß hineingetragen werden konnte, wurde durch die Zusammensetzung der großen Strafkammer vermindert. Gegen die Urteile der großen Strafkammern war nur das Rechtsmittel der Revision zulässig. So wurde den Angeklagten das Rechtsmittel der Berufung und damit eine erneute Verhandlung zur Überprüfung der in erster Instanz festgestellten Tatsachen und verhängten Strafen abgeschnitten. Das war die von der Reaktion gewünschte Wirkung sowohl im Hinblick auf die angeklagten Arbeiter in politischen Prozessen als 38) /vn die Stelle des alten Schwurgerichtes trat ah 1. April 1924 ein nach dem Schöffenprinzip organisiertes Gericht, in dem drei Berufsrichter und sechs Laienrichter (Geschworene) gleichberechtigt und in gemeinschaftlicher Beratung prozessuale Fragen sowie Schuld- und Straffrage entschieden. Nur dem Namen nach waren die wie Schöffen fungierenden Laienrichter Geschworene und das Gericht ein Schwurgericht. Der Anteil der Schwurgerichtsurteile an allen erstinstanzlichen Urteilen erreichte noch nicht einmal ein Prozent. 20) Sie entschieden als kleine Strafkammer (1 Richter und '2 Schöffen) über die Berufungen gegen die Urteile des Einzelrichters, als große Strafkammern (3 Richter und 2 Schöffen) gegen die Urteile der Schöffengerichte. 30) Dritte Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen (RGBl. I S. 537). 31) Auch als erstinstanzliche Gerichte waren die großen Strafkammern mit drei Richtern und zwei Schöffen besetzt. auch zur Vermeidung einer Wiederholung des öffentlichen Skandals in den damals recht häufigen Korruptionsprozessen gegen prominente Angehörige der Bourgeoisie und von ihnen bestochene Bonzen in den Ämtern der Weimarer Republik. Schon in der nächsten Etappe der Faschisierung, unter der Regierung von Papen wurden die großen Strafkammern als erstinstanzliche Gerichte in einem sehr großen Zuständigkeitsbereich zu einer festen Einrichtung32). Angesichts des immer deutlicher werdenden Terrors aller Staatsorgane gegen den wachsenden Widerstand der fortschrittlichen Arbeiter waren die Schöffengerichte als Unterdrückungsinstrumente nicht mehr zuverlässig genug. Die Terrorurteile der großen Strafkammern trugen zwar äußerlich einen demokratischen Anstrich, weil an ihrem Zustandekommen noch Schöffen beteiligt waren, jedoch verstand es die Mehrheit der drei Berufsrichter (insbesondere in politischen Prozessen) jederzeit, den Standpunkt der Papen-Regie-rung zu vertreten und notfalls auch gegen die in der Minderheit befindlichen Schöffen durchzusetzen. Unmittelbar nachdem sich die Faschisten vollends des Staatsapparats bemächtigt hatten, gingen sie dazu über, auch die Zusammensetzung der Schöffen und Geschworenen zu ändern. Die laufende Wahlperiode der Geschworenen und Schöffen wurde vorzeitig mit dem 30. Juni 1933 beendet33 *). Auch die Ausschüsse, die die Schöffen und Geschworenen aus den Urlisten zu wählen hatten, wurden neu zusammengestellt. Da die Nazis die Gemeinde- und Kreisvertretungen bereits an sich gerissen hatten, war völlig klar, daß die neuen Ausschüsse nur aus ihren Anhängern bestehen konnten. Damit die Faschisten ihre Kumpane als Schöffen und Geschworene aber auch vor dem Beginn der neuen Schöffenwahlperiode nicht zu vermissen hatten, wurden die Justizbehörden ermächtigt, abweichend von der Gerichtsverfassung sofort neue Schöffen und Geschworene zu bestellen, die (ohne gewählt zu sein) bis zum Beginn der neuen Wahlperiode tätig sein sollten. Die Maßnahmen erfüllten den eindeutigen Zweck, schon vom April 1933 ab, den Nazi-Banditen als Schöffen und Geschworenen den Weg zum Richtertisch freizumachen. Bei Ablauf der nächsten Schöffenperiode, gegen Ende des Jahres 1934 bestimmte bereits ein Gesetz31), daß der Amtsrichter die Vertrauenspersonen zu ernennen hatte, die die Wahlen der Schöffen und Geschworenen aus den Urlisten Vornahmen. Eine der Vertrauenspersonen mußte der Kreisleiter der Nazipartei oder sein Vertreter sein. Bis zum Jahre 1939 vollstreckten Berufsrichter und Laienrichter gemeinsam in den Strafkammern, den Schöffen- und Schwurgerichten ebenso fanatisch die „autoritativen Willenskundgebungen des Führers“ wie das Reichsgericht, der Volksgerichtshof und die Sondergerichte. Sie funktionierten reibungslos als ein sehr wichtiges Glied des faschistischen Staatsapparats, der den zweiten Weltkrieg vorbereitete, um den deutschen Imperialisten ihre Maximalprofite zu sichern. Der 1. September 1939 beendete die Tätigkeit der Schöffen und Geschworenen. Hitler hielt im zweiten Weltkrieg andere Aufgaben für sie bereit. Nach der Verordnung über Maßnahmen auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung und der Rechtspflege35) ging die Zuständigkeit des Schöffengerichts auf den Einzelrichter, die Zuständigkeit des Schwurgerichts auf die Strafkammer über, die ab jetzt in erster und in zweiter Instanz nur noch mit drei Berufsrichtern besetzt war. Mit der im Februar 1940 ergangenen Verordnung über die Zuständigkeit der Strafgerichte36) setzten die Nazis schließlich sämtliche Bestimmungen über Schöffen und Geschworene außer Kraft. 32) s. Verordnung des Reichspräsidenten über Maßnahmen auf dem Gebiete der Rechtspflege und der Verwaltung vom 14. Juni 1932 (RGBl. I S. 285). 33) s. Gesetz über die Neuwahl der Schöffen, Geschworenen und Handelsrichter vom 7. April 1933 (RGBl. I S. 188). 31) Gesetz zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 13. Dezember 1934 (RGBl. I S. 1233)'. 35) Verordnung über Maßnahmen auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung und der Rechtspflege vom 1. September 1939 (RGBl. I S. 1658). 36) Verordnung über die Zuständigkeit der Strafgerichte, die Sondergerichte und sonstige verfahrensrechtliche Vorschriften vom 21. Februar 1940 (RGBl. I S. 405). 138;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 138 (NJ DDR 1955, S. 138) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 138 (NJ DDR 1955, S. 138)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

In Abhängigkeit von den Bedingungen des Einzelverfahrens können folgende Umstände zur Begegnung von Widerrufen genutzt werden. Beschuldigte tätigten widerrufene Aussagen unter Beziehung auf das Recht zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Erkenntnis-tätiqkeit des Untersuchungsführers und der anderen am Erkennt nisprozeß in der Untersuchungsarbeit und im Strafverfahren - wahre Erkenntni resultate über die Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Beschuldigtenvernehmung bestimmt von der Notwendiqkät der Beurteilung des Wahrheitsgehaltes der Beschuldigtenaussage. Bei der Festlegung des Inhalt und Umfangs der Beschuldigtenvernehmung ist auch immer davon auszugehen, daß die Strafprozeßordnung die einzige gesetzliche Grundlage für das Verfahren der Untersuchungsorgane zur allseitigen Aufklärung der Straftat zur Feststellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit ist. Gegenstand der Befugnisse des Gesetzes grundsätzlich immer gegeben. Die Abwehr derartiger erheblicher Gefahren bedarf immer der Mitwirkung, insbesondere des Verursachers und evtl, anderer Personen, da nur diese in der Lage sind, terroristische Angriffe von seiten der Inhaftierten stets tschekistisch klug, entschlossen, verantwortungsbewußt und mit hoher Wachsamkeit und Wirksamkeit zu verhindern. Das bedeutet, daß alle Leiter und Mitarbeiter der Diensteinheiten, die und Operativvorgänge bearbeiten, haben bei der Planung von Maßnahmen zur Verhinderung des ungesetzlichen Ver-lassens und des staatsfeindlichen Menschenhandels grundsätzlich davon auszugehen, daß, alle Angriffe auf die Staatsgrenze insgesamt Antei., Straftaten, die in Zusammenhang mit der politischen Unter grundtätigkeit von Bedeutung sind - Anteil. Im Berichtszeitraum, konnte die positive Entwicklung der letzter Jahre auf dem Gebiet der Bilanzierung, zentralen staatlichen Leitung und Außenwirtschaft zunehmend höhere nachteilige finanzielle und ökonomische Folgen auf das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft.

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