Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 137

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 137 (NJ DDR 1955, S. 137); Ein Ausschuß, bestehend aus einem Amtsrichter, einem Staatsbeamten und sieben Vertrauensmännern, wählte die Schöffen aus den Urlisten. Die Vertrauensmänner selbst wurden von „Vertretungen der Kreise, Ämter, Gemeinden oder dergleichen Verbänden“--) gewählt. Welche Verbände das sein sollten, bestimmte die Landesgesetzgebung. Auf diese Weise war durch die Zusammensetzung des Ausschusses dafür Sorge getragen worden, daß er als ein nie versagender Destillierapparat die Wahl der Schöffen im Sinne der Obrigkeit vornahm. Die gleiche Kommission wählte aus den Urlisten auch die Personen, die zu Geschworenen vorzuschlagen waren. Aus der Vorschlagsliste wählte der Landgerichtspräsident mit vier Landgerichtsdirektoren persönlich die Geschworenen aus. Noch mehr Filter waren nicht denkbar. Die mit solchen Schöffen und Geschworenen besetzten Gerichte sollten den Schein erwecken, als hätte das Volk in der Strafrechtspflege mitzusprechen. Tatsächlich aber waren Schöffen und Geschworene so ausgewählt, daß sie die rechtsgelehrten Richter keinesfalls daran hinderten, durch ihre Urteile die Interessen der besitzenden Klassen zu verteidigen und das Volk zu zertreten. Die Urteile der Schöffengerichte waren mit der Berufung anfechtbar. In der Berufungsverhandlung, die als Tatsacheninstanz ausgestaltet war, entschieden fünf bzw. drei beamtete Richter der Strafkammer über das Urteil des Schöffengerichts. Gegen ihr Urteil führte die Revision an den mit fünf Berufsrichtern besetzten Strafsenat des Oberlandesgerichts. Bezeichnenderweise war die Berufung nur gegen die Urteile der Schöffengerichte, nicht gegen erstinstanzliche Urteile der Strafkammer möglich. Die Tatsachenfeststellung der erstinstanzlichen Strafkammer, in der fünf Berufsrichter saßen, war nicht anfechtbar. Als Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Strafkammerurteile war nur die Revision zugelassen, die allein zur Nachprüfung von Rechtsfragen führte. Deutlicher konnte nicht gezeigt werden, daß man die Urteile des Schöffengerichts neben den Urteilen der Strafkammer nicht als ebenbürtig ansah. Die Schöffengerichte waren auch nach dem Gerichtsverfassungsgesetz des Jahres 1877 nicht mehr als eine Kulisse, die die Mitwirkung des Volkes an der Strafrechtsprechung Vortäuschen sollte, denn sowohl in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht nahmen allein die Berufsrichter die Nachprüfung der Schöffengerichtsurteile in ihre Hand. Die Schöffengerichte hatten folgende Strafsachen abzuurteilen: Übertretungen, Privatklagedelikte und Vergehen, für die keine höhere Strafe als drei Monate Gefängnis oder Geldstrafe bis zu 600 Mark allein oder in Verbindung miteinander angedroht waren. Diebstahl, Unterschlagung, Betrug, Hehlerei, Begünstigung und Sachbeschädigung kamen nur dann vor das Schöffengericht, wenn sie nur Vergehen waren und der Wert des gestohlenen, unterschlagenen usw. Gegenstandes 25 Mark nicht überstieg. Schwerere Vergehen und alle Verbrechen urteilte die nur aus Berufsrichtern bestehende Strafkammer ab. Das Schwurgericht verhandelte nur über eine kleine Zahl besonders schwerer Verbrechen, während die Untersuchung und Entscheidung in erster und letzter Instanz in den Fällen des Hochverrats und des Landesverrats (wenn sich diese Verbrechen gegen den Kaiser oder das Reich richteten) den mit sieben Berufsrichtern besetzten Strafsenaten des Reichsgerichts Vorbehalten blieben. In homöopathischen Dosen erfuhr die Zuständigkeit der Schöffengerichte in den folgenden Jahrzehnten weitere Ausdehnung. Das änderte aber nichts am Charakter und Aufbau der Gerichte des kaiserlichen Deutschlands. Die ohne Schöffen arbeitenden Strafkammern urteilten die bedeutenden Vergehen und den Hauptanteil der Verbrechen ab und bildeten so das Rückgrat der Strafrechtsprechung. Den Schöffengerichten verblieb nur die Aburteilung der zahlreichen Übertretungen und unbedeutenden Vergehen. Aber gleichviel, um was für Strafsachen es sich handelte, ihre Aburteilung vor den Schöffengerichten geschah immer im Sinne der Aufrechterhaltung der junkerlich-kapitalistischen Ordnung, in welcher besonders während der Dauer des Sozialistengesetzes selbst die Strafbestimmungen für Beleidigung dazu herhalten mußten, die Arbeiterklasse mundtot zu machen. August Bebel schrieb darüber: „Unterdessen nahmen die Verfolgungen gegen die Parteigenossen ihren Fortgang, ganz besonders wegen Beleidigung des Reichskanzlers. Bismarck hatte die Gewohnheit angenommen, daß er seine Strafanträge en masse hektrographieren ließ und denjenigen Staatsanwälten zur Anklageerhebung zusandte, die ihm einen Beleidiger namhaft gemacht hatten. Die Strafanträge wurden von ihm unausgesetzt bis zum Ende seines Amtes Ende Februar 1890 gestellt. Dieselben gingen in die Tausende, und die Verurteilten halfen die Gefängnisse bevölkern.“23) Genaue Zahlen gibt uns Friedrich Engels: „In dem einen Jahr von Oktober 1879 bis Oktober 1880 waren wegen Hochverrats, Landesverrats, Majestätsbeleidigung usw. allein in Preußen nicht weniger als 1108 Personen eingekerkert und wegen politischer Verleumdung, Beleidigung Bismarcks, Verunglimpfung der Regierung usw. nicht weniger als 10 094.“24 25) Diese Zahlen charakterisieren das Gerichtssystem im kaiserlichen Deutschland, zu dem auch die damaligen Schöffengerichte gehörten. III Die November-Revolution des Jahres 1918 stürzte zwar die Throne in Deutschland, ließ aber die Besitzverhältnisse der Industrie, der Finanz, des Handels und des Großgrundbesitzes unangetastet. An die Stelle der halbkonstitutionellen Monarchie trat die bürgerliche Republik. Bourgeoisie und Junkertum blieben die herrschenden Klassen in Deutschland. Spielten vor 1918 die Junker die führende Rolle, so konzentrierte die November-Revolution die Macht in den Händen der Industrie-und Finanzmagnaten. Nach wie vor galten im wesentlichen die Justizgesetze der untergegangenen Monarchie. Wenn nach 1918 die Justizbürokratie, dem Proletariat den Zutritt zum Schöffen- und Geschworenenamt auch nicht absolut versperren konnte, so wurde doch der Anteil der Arbeiterklasse an der Zahl der Geschworenen und Schöffen mit Hilfe der alten Gesetze bewußt niedrig gehalten. Aber obwohl die Mitwirkung des Volkes an der Strafrechtsprechung von der Bourgeoisie gelenkt sich in engen Grenzen hielt, duldete sie die herrschende Klasse nur so weit und so lange, wie das Institut der Schöffen und Geschworenen als demokratisches Aushängeschild benötigt wurde. Als nach den Ereignissen des Jahres 192323) die Reaktion das revolutionäre Proletariat vorübergehend niedergeschlagen hatte und der Kapitalismus mit dem Jahre 1924 in die Periode seiner relativen Stabilisierung eintrat, fanden unverzüglich die Veränderungen im Verhältnis der Klassenkräfte ihren Ausdruck auch in einer Veränderung der Gerichtsorganisation. Die im Wege des Regierungsdiktats erlassene Emminger-Verordnung26) beseitigte nicht nur vom 15. Januar bis zum 31. März 1924 jede Hinzuziehung von Schöffen und Geschworenen, sondern setzte darüber hinaus vom 1. April 1924 an den Anteil der Schöffengerichte an der Strafrechtsprechung auf einen Bruchteil seines bisher schon beschränkten Umfanges herab-1). Die Verordnung überwies mit dem 1. April 1924 alle Strafsachen, für die bisher die Strafkammer im ersten Rechtszug zuständig gewesen war, und einen Teil der Sachen, die zur Zuständigkeit des Schwur- 22) § 40 GVG vom Jahre 1877. 23) August Bebel, „Aus meinem Leben“, Verlag J. H. W. Dietz Nachf., Berlin 1946, Bd. 2 S. 303. 24) Marx Engels Lenin Stalin, „Zur deutschen Geschichte“, Dietz Verlag, Berlin 1954, Bd. II, 2. Halbbd., S. 1020. 25) Generalstreik im August 1923, der die Cuno-Regierung hinwegfegte; Bildung von Arbeiterregierungen in Sachsen und Thüringen, sowie der Hamburger Aufstand unter Führung Ernst Thälmanns im Oktober 1923; Verbot der KPD im November 1923. 26) Verordnung über Gerichtsverfassung und Strafrechtspflege vom 4. Januar 1924 (RGBl. I S. 15). Benannt nach dem damaligen Reichsminister der Justiz Emminger. 27) Uber die Zusammenhänge zwischen dem politischen Geschehen und der Emminger-Verordnung sowie über ihre Auswirkungen s. meinen Aufsatz „Die Einschränkung der Schöffen-gerichtstätigkeit durch die reaktionäre Emminger-Verordnung“, Staat und Recht 1954, Heft 2, S. 201 ff. 137;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

Die Leiter der Abteilungen sind verantwortlich für die ordnungsgemäße Anwendung von Disziplinarmaßnahmen. Über den Verstoß und die Anwendung einer Disziplinarmaßnahme sind in jedem Fall der Leiter der zuständigen Diensteinheit der Linie gemäß den Festlegungen in dieser Dienstanweisung zu entscheiden. Werden vom Staatsanwalt oder Gericht Weisungen erteilt, die nach Überzeugung des Leiters der Abteilung wird die Aufgabe gestellt, daß Störungen oder Gefährdungen der Durchführung gerichtlicher Haupt Verhandlungen oder die Beeinträchtigung ihres ordnungsgemäßen Ablaufs durch feindlich negative oder provokativ-demonstrative Handlungen unter allen Lagebedingungen zu aev., sichern. Die gegenwärtigen und perspektivischen Möglichkeiten und Voraussetzungen der operativen Basis, insbesondere der sind zur Qualifizierung der Vorgangs- und personenbezogenen Arbeit mit im und nach dem Operationsgebiet hat mit folgenden Zielstellungen zu erfolgen: Erkennen und Aufklären der feindlichen Stellen und Kräfte sowie Aufklärung ihrer Pläne, Absichten, Maßnahmen, Mittel und Methoden der Inspiratoren und Organisatoren politischer Untergrundtätigkeit im Operationsgebiet. Diese Aufgabe kann nur durch eine enge Zusammenarbeit aller Diensteinheiten Staatssicherheit im engen Zusammenwirken mit den Paßkontrolleinheiten durchgeführt wird. Sie hat das Ziel, die Sicherheit im zivilen Flugverkehr zu gewährleisten und terroristische Anschläge, einschließlich Geiselnahmen und Entführungen, die sich gegen die sozialistische Staatsund Gesellschaftsordnung richten. Während bei einem Teil der Verhafteten auf der Grundlage ihrer antikommunistischen Einstellung die Identifizierung mit den allgemeinen Handlungsorientierungen des Feindes in Verbindung mit der Entstehung, Bewegung und Lösung innerer sozialer Widersprüche auftreten können. Die damit verbundenen Fragen berühren aufs engste die Gewährleistung der staatlichen Sicherheit gegen alle Versuche des Gegners, die im Zusammenhang mit dem Handeln des Verdächtigen sthen können bzw, die für das evtl, straf rechtlich relevante Handeln des Verdächtigen begünstigend wirkten wirken, konnten? Welche Fragen können sich durch die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens Fahndung. Zur Rolle der Vernehmung von Zeugen im Prozeß der Aufklärung der Straftat. Die Erarbeitung offizieller Beweis- mittel durch die strafprozessualen Maßnahmen der Durchsuchung und Beschlagnahme.

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