Neue Justiz (NJ) 1955, Jahrgang 9, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft, Deutsche Demokratische Republik (DDR)Deutsche Demokratische Republik -

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift fuer Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 727 (NJ DDR 1955, S. 727); ?der Bundesrepublik sich, ueberdies ohne gesetzliche Anweisung, anmasst, die innere Ordnung souveraener Staaten am Grundgesetz zu messen, dessen Geltungsbereich nach Art. 23 GG allein die westlichen Laender Deutschlands umfasst, und sie als grundgesetzwidrig zu verurteilen, dann ist das ein Widerspruch in sich selbst, weil die Verfassung des einen Staates keinen uebergeordneten Rechtsmassstab in den Rechtsgrundsaetzen eines anderen Staates findet. Das ist vornehmlich auch eine voelkerrechtlich und grundgesetzlich verbotene Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen, souveraenen Staates, eine justizielle Intervention durch ein staatliches Organ, die lediglich durch die faschistische Judikatur praktiziert wurde, die der UdSSR den Charakter eines Staates absprach und den Ueberfall auf die UdSSR als Polizeiaktion deklarierte. Dieses Verhalten kann nur als Versuch aufgefasst werden, die innere Ordnung anderer Staaten zu diskriminieren, durch die Diskreditierung der UdSSR die internationale Entspannung und durch die Diskreditierung der DDR die Verstaendigung der Deutschen zu erschweren. Ein derartiges Verhalten muss aber dem grundgesetzlichen Gebot (Praeambel und Art. 146 GG) widersprechen, alles zu unterlassen, was die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands behindert, und alles zu tun, was sie zu foerdern geeignet ist. Das Grundgesetz aber geniesst den Vorrang vor jeglichem Gesetz der Bundesrepublik und bindet alle Buerger, alle Staatsorgane, auch die Richter des 6. Senats. Wie aus S. 139 des Urteils hervorgeht, hatte die Verteidigung auf diese Umstaende hingewiesen und den Antrag gestellt, in dem Verfahren nach ?? 80 ff. StGB ?keine Beweise zuzulassen, soweit sie sich nach Beweisbehauptung oder Beweismitteln auf die innere Ordnung anderer Staaten als die der Bundesrepublik beziehen?. Insbesondere hatte sie den 6. Senat darauf hingewiesen, dass der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichtes Beweisantraege der Bundesregierung, die sich auf die innere Ordnung der UdSSR und der DDR bezogen, nach gleichlaeutenden Erwiderungen der Prozessvertretung der KPD abgelehnt hatte. Auf die rechtlichen Argumente der Verteidigung gibt der Senat die Antwort, dass die Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit ?rechtlich in keiner Weise eingeschraenkt? sei. Fuer den Senat gibt es somit keine ?rechtlichen Schranken?, keine Prinzipien des buergerlich-rechtsstaatlichen Verfahrens, die den justizfoermigen Weg der Wahrheitserforschung festlegen und einschraenken, damit die buergerlich-demokratische Rechtssicherheit und die demokratischen Rechte der Angeklagten gewaehrleistet bleiben. Fuer den 6. Senat gibt es keine rechtlichen Hindernisse wie Jurisdiktionsbereich der Bundesrepublik und Normen des Grundgesetzes, wenn es gilt, in einem politischen Verfahren die ?Wahrheit? festzustellen. Das ist eine Antwort, die die Einstellung des Senats zu Grundgesetz und Recht Westdeutschlands beleuchtet. 3. Nachdem der Senat sich ueber die bestehenden rechtlichen Schranken hinweggesetzt hat, muss sich erweisen, dass das Verlassen des justizfoermigen Weges der Beweiserhebung die Feststellung der materiellen Wahrheit ausschliesst. Er entwirft ein Bild von der Deutschen Demokratischen Republik, das nicht das Ergebnis rechtsstaatlichen Beweisverfahrens, sondern die Uebertragung der Propagandameldungen zweckbestimmter Presseorgane auf die Sachverhaltsschilderung darstellt. Dass keine rechtsstaatliche Beweisaufnahme stattgefunden hat, eben weil sie objektiv nicht moeglich war, geht schon daraus hervor, dass der Senat in seinem 161 Seiten umfassenden Urteil lediglich vier Dokumente (S. 64, 66, 67, 68) heranzuziehen weiss, die sich auf die ?Verfassungswirklichkeit der DDR? beziehen. Wie er mit Hilfe dieser vier bruchstueckartig zitierten Dokumente, von denen drei ueberdies nur eine einzige Frage, naemlich die Stellung des Richters beruehren, auf die komplizierten gesellschaftlichen Verhaeltnisse eines anderen Staates und darueber hinaus auf die innere Ordnung der UdSSR zu schliessen vermag, bleibt unerfindlich. Das geht weiter daraus hervor, dass die in diesen Dokumente enthaltenen und gerichtlich als erwiesen betrachteten Tatsachen, auf die die gesamte Konzeption des Senats sich stuetzt, diametral den Behauptungen des Gerichts widersprechen. Das erste Beweismittel ist das Urteil des Obersten Gerichts der DDR vom 27. August 1953 (NJ 1953 S. 596), das auszugsweise zitiert wird. Aus dieser Entscheidung folgert der Senat, dass die Rechtsprechung der DDR nicht nach dem Gesetz, sondern nach den Direktiven der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands erfolge (S. 67). Die in der ?Neuen Justiz? veroeffentlichte Hauptthese des Urteils lautet folgendermassen: ?Das Volks-eigentumsschutzgesetz ist ein Spezialgesetz zu den ?? 242 ff., 246, 259 bis 261, 263, 266, 267 StGB, das nur auf schwere Angriffe auf gesellschaftliches Eigentum anwendbar ist?. Es werden solche Urteile einzelner Gerichte, in denen das Volkseigentumsschutzgesetz im Widerspruch zu seinem Sinn und Zweck auf kleine und geringfuegige Angriffe auf das gesellschaftliche Eigentum angewendet worden ist, kritisch beleuchtet, weil sie nicht wie es mit den im Urteil zitierten Worten heisst ?der Festigung der demokratischen Gesetzlichkeit? dienen. Noch deutlicher geht dies aus den nicht zitierten Zeilen des Urteils hervor, in denen es heisst: ?Die Ueberschrift und der Vorspruch des Gesetzes und insbesondere die Hoehe der angedrohten Strafen zeigen, dass dieses Gesetz nur bei schweren Angriffen auf gesellschaftliches Eigentum haette angewendet werden duerfen?. Folgerichtig wird durch die Entscheidung des Obersten Gerichts der DDR das Urteil eines unteren Gerichtes wegen der ?sinnwidrigen Anwendung des Voelkseigentumsschutzgesetzes auch auf strafbare Handlungen minderen Grades? aufgehoben. Aus dem Beweismittel das allein war Gegenstand dieser Wuerdigung geht somit eindeutig hervor, dass eine dem Sinn und Zweck eines Gesetzes widersprechende Auslegung im Interesse der weiteren Festigung der demokratischen Gesetzlichkeit verworfen wird und dadurch die Rechte und Freiheiten der Buerger geschuetzt werden. Daraus zu folgern, es existiere keine richterliche Unabhaengigkeit in der Deutschen Demokratischen Republik, entbehrt nicht nur jeglicher Logik, sondern beweist, dass Behauptungen aufgestellt werden, die den in den Beweismitteln enthaltenen Tatsachen widersprechen, dem Prinzip der Erforschung der materiellen Wahrheit zuwiderlaufen und die ?? 244, 261 und 267 StPO (Westdeutschlands) verletzen. Noch offensichtlicher wird der Widerspruch zwischen den Behauptungen des Senats und dem von ihm zitierten Beweismitteln bei der ?Wuerdigung? eines anderen Dokumentes, des Stenogramms einer Rede des Ministers der Justiz der DDR, Dr. Hilde Benjamin, gehalten am 29. August 1953, ueber ?Die Hauptaufgaben der Justiz bei der Durchfuehrung des neuen Kurses?. Daraus wird gefolgert, dass das Ministerium der Justiz in Form von Anleitungen und Direktiven die Gerichte anweise, wie sie im Einzelfall zu entscheiden haetten. Die ?Anleitungen? und ?Weisungen? lauten folgendermassen: ?Wir muessen weiter feststellen, dass sich auch in der Arbeit der Justiz die Linie der Festigung der Gesetzlichkeit von Jahr zu Jahr deutlich abgezeichnet hat. Nachdem die erste Parteikonferenz der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands im Jahre 1949 die Forderung nach der strikten Wahrung der demokratischen Gesetzlichkeit gestellt hatte, wurde diese Forderung auf dem dritten Parteitag und auf der zweiten Parteikonferenz der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands erneut gestellt, und zwar als Prinzip der Wahrung der Gesetzlichkeit durch alle staatlichen Organe, als Prinzip der Anerkennung unserer demokratischen Gesetze durch jeden Buerger. Es setzte sich das Prinzip der Gesetzlichkeit allgemein durch?. Weiter heisst es: ?Die richterliche Unabhaengigkeit ist fuer uns nicht nur bindender Verfassungsgrundsatz, sie fliesst aus dem Grundprinzip unseres demokratischen Staates. Sie gehoert nach unserer Auffassung notwendig zum Richteramt?. Schliesslich wird gesagt: ?Schon das Kommunique des Politbueros des ZK . der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands vom 9. Juni 1953 stellt an seinen Anfang das Ziel der Staerkung der Rechtssicherheit. Diese Aufgabe hebt die Entschliessung des 15. Plenums des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands in zwei Punkten hervor. In Punkt 19 heisst es: ,Die weitere Festigung der demokratischen Ordnung und die strenge Einhaltung der demokratischen Gesetzlichkeit sind wich- 727;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

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