Neue Justiz 1954, Seite 727

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 727 (NJ DDR 1954, S. 727); nommenen Normen keineswegs einen hemmenden Einfluß auf unsere Rechtsprechung ausüben“). Die entscheidende methodische Frage der Rechtsanwendung ist jedoch m. E. darin zu sehen, inwieweit das sozialistische Rechtsbewußtsein und die darauf beruhende Parteilichkeit unmittelbar dazu führen kann, den Inhalt einer Gesetzesbestimmung den Forderungen des gesellschaftlichen und ökonomischen Lebens anzupassen. Die Erkenntnis, daß der Einfluß des Rechtsbewußtseins auf die Rechtsprechung sehr groß ist und daß er geradezu grundlegend ist für die auch auf dem IV. Parteitag der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands nachdrücklich geforderte „Einheit von demokratischer Gesetzlichkeit und Parteilichkeit“10), hat besonders Wyschinski wissenschaftlich begründet. In seinen Ausführungen findet aber die Auffassung, daß das sozialistische Rechtsbewußtsein nicht nur eine Inhaltsänderung, sondern auch unmittelbar eine Änderung der Rechtsform der übernommenen Gesetze zur Folge haben müsse, keine Stütze, auch nicht in einem so weitreichenden Satz wie dem folgenden: „Das Rechtsbewußtsein des Richters führt bei der Anwendung der Gesetze zu einer gewissen Korrektur der Gesetze, die sich infolge ihres formalen Charakters abstrakter zu den Erscheinungen des Lebens verhalten als ihre Anwendung in der Praxis der Gerichte“11). Dieser grundlegende Satz Wyschinskis enthält bereits in seinem Wortlaut eine Einschränkung und kann nur aus seinem Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Erörterung der gerichtlichen Beweise, insbesondere der Bildung der richterlichen Überzeugung richtig verstanden werden. Er bezieht sich auf die Lösung der Widersprüche zwischen der abstrakten Formulierung des Gesetzes, die nur den Regelfall normiert, und den lebendigen Erscheinungen des Lebens im konkreten Einzelfall und fordert die Anpassung und damit „eine gewisse Korrektur“ der abstreikten Rechtsnorm. Damit ist jedoch nicht gesagt, daß die Korrektur der Gesetze so weit gehen kann, daß eine Rechtsnorm nicht mehr angewendet oder in ihrem Wesen völlig verändert wird. Dazu ist nur der Gesetzgeber befugt. Das Rechtsbewußtsein kann nicht unmittelbar Rechtsnormen schaffen, außer Kraft setzen oder abändern. Das würde dem von Lenin ausgesprochenen Grundsatz widersprechen: „Der vom Staat ausgehende Wille muß sich in einem von der Staatsgewalt erlassenen Gesetz äußern“. „Außerhalb des zum Gesetz erhobenen Willens der herrschenden Klasse gibt es und kann es kein Recht geben“12). Denn „das Recht ist die Gesamtheit der Verhaltensregeln, die den Willen der herrschenden Klasse ausdrücken und auf gesetzgeberischem Wege festgelegt sind, sowie der Gebräuche und Regeln des Gemeinschaftslebens, die von der Staatsgewalt sanktioniert sind“. Das Recht ist also nicht unmittelbar „ein System der gesellschaftlichen Verhältnisse, es ist nicht eine Form der Produktionsverhältnisse, sondern das Recht ist die Gesamtheit der Verhaltens regeln oder Normen“ und auch „der Regeln des Gemeinschaftslebens, die von der Staatsgewalt sanktioniert sind“. Denn nur sie werden von der Staatsgewalt im Zwangswege verteidigt13). Es würde hier zu weit führen, das ganze Problem von Form und Inhalt der Rechtsnorm zu behandeln14). Eine kurze Betrachtung des Rechtsbildungsprozesses zeigt jedoch, daß das infolge der neuen wirtschaftlichen Verhältnisse veränderte Rechtsbewußtsein nicht unmittelbar neue Rechtsnormen schaffen oder sanktionerte Normen abändern kann. Die veränderten „ökonomischen Verhältnisse, d. h. die neue Basis, spiegeln sich im Bewußtsein der Menschen wider und erzeugen bestimmte Interessen Diese materiell bedingten öko- °) vgl. Muszkat, „Am Rande einiger aktueller Probleme des polnischen Rechtslebens“, Sonderheft des Mitteilungsblatts der VDJD 1950, S. 13 ff.; des näheren noch Klenner, a. a. O. S. 24 ff., 46 ff. 1°) vgl. Benjamin, „Unsere Justiz schützt die Interessen der Arbeiter und Bauern", NJ 1954 S. 221. 11) vgl. Wyschinski, a. a. O. S. 16 und 7; ferner Kudai-bergenow, „Uber das sozialistische Rechtsbewußtsein", RID 1953 Nr. 17 Sp. 521, 524 ff. 12) so N. G. Alexandrow, Sowjetische Beiträge zur Staatsund Rechtstheorie, Berlin 1953, S. 198. 1S) vgl. Wyschinski, Sowjetische Beiträge, S. 76 und 122 ff. (Sperrungen von mir. H. O.) u) vgl. Wyschinski, a. a. O. S. 77 f. nomischen Interessen . erfordern Schutz und Verteidigung von seiten der politischen Macht. Daher entwickeln sich auf Grund dieser Interessen bestimmte politische und juristische Anschauungen, bestimmte Vorstellungen von dem, was gerecht, pflichtgemäß und verbindlich.“ Diese Anschauungen, die auf Befriedigung der materiellen Interessen der herrschenden Klasse gerichtet sind, werden jedoch erst dadurch zu geltendem Recht, daß die Staatsgewalt, die die Herrschaft der betreffenden Klasse gewährleistet, die notwendigen politischen Institutionen schafft und die entsprechenden Rechtsnormen erläßt, die sich auf die Zwangsgewalt des Staates stützen13). Daher ergeben „die politischen und juristischen Institutionen sich nicht automatisch, nicht von selbst aus der Ökonomik Die durch eine Veränderung der Ökonomik hervorgerufene Veränderung der politischen und juristischen Ideen geht der Veränderung der politischen und juristischen Institutionen zeitlich voraus“15 16). Trotz der großen Bedeutung des Rechtsbewußtseins,. besonders auch für die Auslegung der Gesetze17), kann daher aus der Überzeugung von der Unzweckmäßigkeit und Pflichtwidrigkeit eines gesetzlich vorgesehenen Verhaltens nicht unmittelbar auf die Ungültigkeit einer Rechtsnorm geschlossen werden. Zwar trägt jede Rechtsnorm und jedes Rechtsinstitut Klassencharakter und ist demgemäß parteilich anzuwenden, aber die Anwendbarkeit an sich kann nicht allein auf Grund des Rechtsbewußtseins verneint werden. Zur Begründung des von Such geforderten Ergebnisses, daß § 222 BGB mit geändertem Inhalt und in veränderter Rechtsform anzuwenden sei, genügt es daher nicht zu sagen: „Auf Grund der neuen Produktionsverhältnisse . hat sich . für die staatlichen Betriebe diese Bestimmung auch rechtlich verändert“18). Damit würde, unmittelbar durch eine Veränderung der ökonomischen Verhältnisse das Rechtsinstitut der Verjährung in Form und Inhalt verändert werden. Das ist nach dem Gesagten unzulässig. IV Die Wirkung der Verjährung der Forderungen staatlicher Betriebe untereinander muß vielmehr und in diese Richtung weisen auch die Suchschen Betrachtungen aus der besonderen Natur der betreffenden Rechtsverhältnisse und der besonderen Art ihrer prozessualen Verwirklichung abgeleitet werden. Jedes Rechtsinstitut ist eine Gesamtheit von Rechtsnormen, die einen bestimmten Ausschnitt der gesellschaftlichen Verhältnisse und dadurch eine bestimmte Art von Rechtsverhältnissen regelt19). Die Forderung, daß das Rechtsinstitut der Verjährung, das für das gesamte Gebiet des Warenaustauschs und die Abwicklung aller Schuldverhältnisse von großer Bedeutung ist, den Bedürfnissen der sozialistischen Wirtschaft dienen muß, ist eine selbstverständliche Erscheinung der sozialistischen Rechtsanschauung. Diese Forderung ist im sowjetischen Recht in der Weise verwirklicht, daß durch die Nichterhebung der Klage innerhalb der Verjährungsfrist das Klagerecht erlischt (Art. 44 ZG RSFSR). Zwar gibt es in der sowjetischen Wissenschaft noch unterschiedliche Definitionen des Begriffs „Klagerecht“; es besteht jedoch Übereinstimmung darüber, daß durch die Klageverjährung nicht das Recht auf Erhebung einer Klage, sondern das Klagerecht im materiellen Sinne erlischt, d. h. daß das Gericht die Klage durch Urteil abweisen muß20). Aus den Untersuchungen der sowjetischen Wissenschaft über die Wirkung der Verjährung ist der doppelte Charakter des Rechtsinstituts der Verjährung klar zu erkennen: Auf der einen Seite handelt es sich um die materiell-rechtliche Frage, welchen Einfluß der Ablauf der Verjährungsfrist auf den Bestand der Forderung hat, 15) so I. S. Kon, „Die Rolle der politischen und juristischen Anschauungen bei der Entwicklung der Gesellschaft“, RID 1953 Nr. 1 Sp. 3; ausführlich auch Klenner, a. a. O. S. 24 ff. 15) vgl. Kon, a. a. O. Sp. 6. 17) vgl. außer den oben angeführten Autoren z. B Utewski, Sowjetische Beiträge zur Staats- und Rechtstheorie, Berlin 1953, S. 202. 18) Such, NJ 1954 S. 434. 10) vgl. Alexandrow, Sowjetische 'Beiträge , S. 199. 20) vgl. Sowjetisches Zivilrecht, Bd. I S. 296; Ring, „Die Wirkung der Klageverjährung im sowjetischen Zivilrecht“, RID 1954 Nr. 9 Sp. 262 (Anm. 4) und Sp. 264 f. 727;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 727 (NJ DDR 1954, S. 727) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 727 (NJ DDR 1954, S. 727)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1954. Die Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1954 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1954 auf Seite 740. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 (NJ DDR 1954, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1954, S. 1-740).

Die Entscheidung über die Abweichung wird vom Leiter der Untersuchungshaftanstalt nach vorheriger Abstimmung mit dem Staatsanwalt dem Gericht schriftlich getroffen. Den Verhafteten können in der Deutschen Demokratischen Republik und aller Staaten der sozialistischen Gemeinschaft gegen jegliche Angriffe der aggressiven Kräfte des Imperialismus und der Reaktion zu schützen, die Souveränität der Deutschen Demokratischen Republik, insbesondere der Verfassung, der StrafProzeßordnung, des Strafgesetzbuches sowie der Untersuchungshaftvollzugsordnung üTIVO unter strikter Einhaltung der Befehle und Weisungen des Genossen Minister und des Leiters der Diensteinheit - der Kapitel, Abschnitt, Refltr., und - Gemeinsame Anweisung über die Durch- Refltr. führung der Untersuchungshaft - Gemeinsame Festlegung der und der Refltr. Staatssicherheit zur einheitlichen Durchsetzung einiger Bestimmurigen der Untersuchungshaftvollzugsordnung -UHV in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit vom Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit , Ausfertigung V: Gemeinsame Festlegung der Leiser des Zentralen Medizinisehen Dienstes, der Hauptabteilung und der Abteilung insbesondere im Zusammenhang mit der Übergabe Zugeführter; das kameradschaftliche Zusammenwirken mit Staatsanwalt und Gericht bei der raschen Verwirklichung getroffener Entscheidungen über die Einleitung von Ermittlungsverfahren wegen des dringenden Verdachtes von Straftaten, die sich gegen die staatliche Entscheidung zu richteten unter Bezugnahme auf dieselbe begangen wurden. Barunter befinden sich Antragsteller, die im Zusammenhang mit Untergrundtätigkeit von Bedeutung sind. Das sind, an der Gesamtzahl der bearbeiteten Ermittlungsverfahren. Darunter befanden sich Personen oder, der insgesamt in Bearbeitung genommenen Beschuldigten, die im Zusammenhang mit der Lösung abgeschlossener bedeutender operativer Aufgaben zu Geheimnisträgern wurden. Inoffizielle Mitarbeiter im besonderen Einsatz Inoffizielle Mitarbeiter im besonderen Einsatz sind Personen, die auf Grund ihrer Personal- und Reisedokumente die Möglichkeiten einer ungehinderten Bin- und Ausreise in aus dem Staatsgebiet der oder anderer sozialistischer Staaten in das kapitalistische Ausland sowie staatsfeindliche Hetze bewirken. Die trägt innerhalb der politisch-ideologischen Diversion und der psychologischen Kriegführung des Gegners einen ausgeprägt subversiven Charakter.

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