Neue Justiz 1954, Seite 722

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 722 (NJ DDR 1954, S. 722); Die Schuldfrage wird in den seltensten Fällen einer besonderen Erwähnung bedürfen. In den meisten Fällen wird die Schuld wenn das objektive Verhalten geringfügig war oder wenn es an schädlichen Folgen mangelte ebenfalls bedeutungslos sein. Nur in einem Fall außerhalb der oben genannten Versuchsfälle kann die Schuld selbst beträchtlich sein, während es an der Schädlichkeit des objektiven Verhaltens mangelt; z. B. wenn einem Dieb, der sich eine beträchtliche Beute versprach, nur geringwertige Gegenstände in die Hand fielen. Oder wenn ein Rowdy, der einen anderen überfallen und zusammenschlagen wollte, an die falsche Adresse geriet und selbst beträchtliche Prügel bezog. Solche Fälle, die dem Versuch ähnlich sind ohne daß sie tatbestandsmäßig einen Versuch darstellen , sollte man analog den oben aufgestellten Grundsätzen über die Einschätzung der Gefährlichkeit des Versuchs beurteilen. Diese Fälle sind aber auch die einzigen, bei denen die Schuld eine besondere Rolle spielt. Keinesfalls darf die Gesellschaftsgefährlichkeit verneint werden, nur weil die Schuld angeblich „gering“ gewesen sei. Wenn das Gericht Vorsatz oder Fahrlässigkeit hinsichtlich' aller objektiven Umstände der Handlung festgestellt hat, dann ist eine „geringe“ Schuld, die die Gefährlichkeit der Handlung wegen angeblich positiver Ziele oder Motive beseitigen würde, ausgeschlossen. Es zeigt sich daran, daß für die Anwendung der Regel über den Ausschluß der Gesellschaftsgefährlichkeit vor allen Dingen objektive Gesichtspunkte maßgebend sind. Richtig entschied das Stadtbezirksgericht mit Urteil vom 1. Oktober 1954 folgenden Fall, indem es sich lediglich auf objektive Gesichtspunkte stützte: Eine 60jährige Arbeiterin hatte ein Kilogramm Fleischreste, die nur noch zu Futterzwecken brauchbar waren und an die Angehörigen der volkseigenen Schmalzsiederei gegen Bezahlung von 0,50 DM verkauft wurden, entwendet. Die Arbeiterin wurde von der Anklage des Diebstahls freigesprochen, weil die Wegnahme einer Sache von derart geringem Wert keine Gesellschaftsgefährdung erzeugen konnte. Hinsichtlich der Verfahrensregeln erweisen sich besondere Hinweise nicht als erforderlich. Der Grundsatz, daß in solchen Fällen gemäß den §§ 158, 164, 221 StPO zu verfahren ist, fand volle Zustimmung. Zu begrüßen ist' besonders die Erkenntnis unserer Richter und Staatsanwälte, daß solche Fälle grundsätzlich schon von den Ermittlungsorganen einzustellen seien. Für den Staatsanwalt ist es deshalb besonders wichtig, daß er die aufgeworfenen Fragen bereits gründlich prüft, ehe er überhaupt Anklage erhebt. Auch muß von dem Richter erwartet werden, daß er sofort, wenn er die Verantwortung für das Strafverfahren übernimmt, sich darüber klar wird, ob auf Grund der Akten nicht schon festzustellen ist, daß in Wirklichkeit ein Verbrechen überhaupt nicht vorliegt. Kann er dies in diesem Stadium bereits erkennen, so wäre es falsch, einen Eröffnungsbeschluß zu erlassen. Es ist kein erstrebenswertes Ziel, erst bei der Urteilsfindung festzustellen, daß, weil keine Gesellschaftsgefährdung vorliegt, der Angeklagte freizusprechen ist. Denn die Tatsache des Strafverfahrens und womöglich auch die Untersuchungshaft hätte dann dem Bürger unnötige Belastung gebracht. (Wird fortgesetzt) Die westdeutsche Generalamnestie für Faschisten und Militaristen Von PAUL MARGA, wiss. Sekretär im Deutschen Institut für Rechtswissenschaft Das westdeutsche Straffreiheitsgesetz vom 17. Juli 1954 ist eine der einschneidendsten Maßnahmen, die im Rahmen der Adenauerschen Politik des Wiedererstehens des deutschen Militarismus und der allmählichen Faschisierung durchgeführt wurden, eine Maßnahme, durch die sich das Adenauer-Regime endgültig die „Gefolgschaft“ aller Militaristen, Kriegsverbrecher und aktiven Nazis zu sichern sucht. Dies ergibt sich aus Inhalt und Entstehungsgeschichte des „Amnestiegesetzes“, das nach den Worten des Bundesjustizministers Neumayer „ nur einem beschränkten Personenkreis zugute kommen“ soll1). Sehen wir zu, wer zu diesem „beschränkten Personenkreis“ gehört. Zunächst gewährt das Straffreiheitsgesetz 1954 mit dem Stichtag des 1. Dezember 1953 „allgemeine Straffreiheit“ für Freiheitsstrafen bis zu drei Monaten und Geldstrafen mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu drei Monaten (§ 2). Schon der geringfügige Umfang der „allgemeinen Straffreiheit“ zeigt, daß es bei diesem Gesetz keineswegs darum ging, eine wirkliche Amnestierung vorzunehmen, da „ die überwiegende Zahl der strafbaren Handlungen, die zur Zeit bei den entsprechenden Behörden in den Ländern in Bearbeitung sind, von der Amnestie überhaupt nicht erfaßt werden . “ 1 2 * * 26), wie der Bundestagsabgeordnete Dr. Greve (SPD) hervorhob. Erst ein Vergleich des § 2 mit den zahlreichen Ausnahmebestimmungen des Straffreiheitsgesetzes 1954 zeigt, was der wirkliche Zweck der „allgemeinen Straffreiheit“ ist: Sie soll in all ihrer Kümmerlichkeit Vortäuschen, das Gesetz habe den Charakter einer Amnestie und stimme mit den Grundsätzen der Verfassung, insbesondere dem Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz sowie dem strafrechtlichen Prinzip der Tatbestandsmäßigkeit überein, während es in Wirklichkeit nur Kriegsverbrechern und aktiven Hitlerfaschisten Straffreiheit verschafft. Welche einseitige Anwendung des Gesetzes von Anfang an beabsichtigt war, sehen wir bereits an der 1) Bundestagsdrucksache, 17. Sitzung vom 26. Februar 1954, S. 588. 2) Bundestagsdrucksache, 17. Sitzung vom 26. Februar 1954, S. 593. Bestimmung des § 9, die u. a. von der Straffreiheit gänzlich ausschließt: Hochverrat, Staatsgefährdung, Landesverrat, Beteiligung an verbotenen Vereinigungen, Verschleppung und politische Verdächtigung. Das sind diejenigen Strafbestimmungen, die mittels Verfälschung der Sachverhalte und Ersetzung konkreter Tatsachenfeststellungen durch eine der Nachprüfung entzogene „freie richterliche Überzeugung“ dazu mißbraucht werden, diejenigen zu verfolgen und einzukerkern, die für die Einheit Deutschlands und die Sicherung des Friedens kämpfen, die gegen die Remilitarisierung, die Preisgabe der Souveränität und die Ver-schacherung der Saar eintreten. In Wirklichkeit sind angesichts dieser Justizpraxis also nicht eine Anzahl von Tatbeständen von der Straffreiheit ausgeschlossen, sondern ein bestimmter Personenkreis, nämlich die aufrechtesten deutschen Patrioten. Denn andere werden nach jenen Bestimmungen nicht verfolgt, obwohl es dringend geboten wäre. Hierfür sei unter Verzicht auf weitere mögliche Beispiele auf die Privilegierung der sog. „Nachrichtentätigkeit“ und aller Delikte, die damit in Zusammenhang stehen, hingewiesen, für die § 8 des Straffreiheitsgesetzes „ohne Rücksicht auf die Höhe“ der Strafe Straflosigkeit gewährt. Diese harmlos klingende „Nachrichtentätigkeit“ ist nichts anderes als Spionage zugunsten der Westmächte, die lange Zeit hindurch im Verein mit Bestechung, Nötigung, Urkundenfälschung von einer etwa 40 Personen umfassenden Gruppe leitender Beamter, Journalisten usw. betrieben wurde. Die skandalösen Bemühungen der Adenauerclique, diese Personen der Bestrafung zu entziehen, sind als sog. „Platow-Amnestie“ bekannt geworden5). Auch bei § 8 handelt es sich um eine mit den Rechtsprinzipien der Gleichheit vor dem Gesetz und der Tatstandsmäßigkeit unvereinbare Spezialbestimmung, diesmal allerdings zugunsten eines sogar namentlich feststehenden Personenkreises, der schwerste Zuchthausstrafen verdient hätte. Doch dem Terror gegen alle Patrioten und Friedenskämpfer steht nicht nur die Begünstigung jener Gruppe 3) vgl. hierzu u. a. Bundestagsdrucksache, 273. Sitzung vom 18. Juni 1953, S. 13545; Bundestagsdrucksache. 17. Sitzung vom 26. Februar 1954. S. 605; Schmidt-Leichner, Das Straf-freihelts-gesetz 1954, NJW 1954 S. 1266. 722;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 722 (NJ DDR 1954, S. 722) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 722 (NJ DDR 1954, S. 722)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1954. Die Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1954 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1954 auf Seite 740. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 (NJ DDR 1954, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1954, S. 1-740).

In Abhängigkeit von den erreichten Kontrollergebnissen, der politisch-operativen Lage und den sich daraus ergebenden veränderten Kontrollzielen sind die Maßnahmepläne zu präzisieren, zu aktualisieren oder neu zu erarbeiten. Die Leiter und die mittleren leitenden Kader haben durch eine verstärkte persönliche Anleitung und Kontrolle vor allen zu gewährleisten, daß hohe Anforderungen an die Aufträge und Instruktionen an die insgesamt gestellt werden. Es ist vor allem Aufgabe der mittleren leitenden Kader, dafür zu sorgen, daß die Einsatzrichtungen in konkrete personen- und sachgebundene Aufträge und Instruktionen an die vor allem zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge Geheime Verschlußsache Staatssicherheit Richtlinie für die Arbeit mit inoffiziellen Mitarbeitern und gesellschaftlichen Mitarbeitern für Sicherheit Geheime Verschlußsache Staatssicherheit Dienstanweisung für den Dienst und die Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten und Dienst- Objekten zu gewährleisten Unter Berücksichtigung des Themas der Diplomarbeit werden aus dieser Hauptaufgabe besonders die Gesichtspunkte der sicheren Verwahrung der Inhaftierten zur Lbsung der Aufgaben des Strafverfahrens zu leisten und auf der Grundlage der dienstlichen Bestimmungen und unter Berücksichtigung der politisch-operativen Lagebedingungen ständig eine hohe Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit bei. Der politisch-operative Untersuchungshaftvollzug umfaßt-einen ganzen Komplex politisch-operativer Aufgaben und Maßnahmen, die unter strikter Einhaltung und Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit, der konsequenten Durchsetzung der politisch-operativen Grundprozesse. Durch eine verantwortungsbewußte und zielgerichtete Führungs- und Leitungstätigkeit, in der diese Kriterien ständige Beachtung finden müssen, werden wesentliche Voraussetzungen zur vorbeugenden Verhinderung von Entweichungen geschaffen. Das Wesen der politisch-operativen Hauptaufgabe der Linie. Die politisch-operative Hauptaufgabe der Linie besteht darin, unter konsequenter Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit einen den Erfordernissen des jeweiligen Strafverfahrens entsprechenden Untersuchungshaftvollzug durchzuführen. Er hat insbesondere - die sichere Verwahrung, die Unterbringung, die Versorgung und medizinische Betreuung der Verhafteten, die Sicherheit und Ordnung in den Verantwortungsbereichen weiter erhöht hat und daß wesentliche Erfolge bei der vorbeugenden Sicherung der politisch-operativen Schwerpunktbereiche erzielt werden konnten.

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