Neue Justiz 1954, Seite 720

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 720 (NJ DDR 1954, S. 720); Regel Geltung erlangt hat, wird der Tatbestand in seiner Geltung ebenfalls auf gesellschaftsgefährliche Handlungen begrenzt. Dadurch wird ausgeschlossen, daß die manchmal recht abstrakten Tatbestände Handlungen erfassen, die nicht gesellschaftsgefährlich sind. Es kann daher nunmehr gesagt werden: Es gibt keinen Tatbestand mehr, der eine Handlung als Verbrechen bezeichnen würde, die nicht gesellschaftsgefährlich ist. Daraus folgt, daß eine geringfügige Handlung oder eine Handlung ohne schädliche Folgen bei der es zunächst so erscheint, als sei sie tatbestandsmäßig in Wirklichkeit niemals tatbestandsmäßig ist4). Solche Handlungen haben ebenso wie die in einer Rechtfertigungssituation begangenen Handlungen nur auf den ersten Blick den Schein einer Tatbestandsmäßigkeit, der aber bei weiterer Prüfung des Sachverhalts entfällt. Diesen Vorgang mit einem Wort zu charakterisieren, ist schwer; man sagt dann, die Handlung ist „formal tatbestandsmäßig“ oder „erfüllt scheinbar einen Tatbestand“. Jedoch darf das Suchen nach einem treffenden Ausdruck nicht dazu führen, daß unsere Strafgesetze und ihre Tatbestände in Bausch und Bogen als „formal“5) bezeichnet werden. Das würde bedeuten, der Richter mache aus dem „formalen“ Gesetz erst ein „vernünftiges“ Gesetz und dürfe sich daher über das Gesetz und seine Tatbestände erheben. Solche Versuche werden von den imperialistischen Gerichten ständig unternommen, aber unsere demokratische Justiz weist solche Bestrebungen als undemokratisch auf das schärfste zurück. Die Regel über den Ausschluß der Gesellschaftsgefährlichkeit einer Handlung hat zur Folge, daß durch die mitunter weite Abstraktion der Tatbestände nicht auch Handlungen als Verbrechen erfaßt' werden, denen es in Wirklichkeit an der Gesellschaftsgefährlichkeit mangelt. Sie ist aber nicht zur Begrenzung aller Tatbestände notwendig. Von manchen Tatbeständen werden Handlungen beschrieben, die niemals „geringfügig“ sein können. So kann unserer Meinung nach ein Meineid insbesondere wenn man dazu auch beachtet, daß gemäß § 51 Abs. 2 StPO ein Eid grundsätzlich nicht in Strafsachen von geringerer Bedeutung abgenommen werden darf niemals eine „geringfügige“ Handlung sein. Ein Freispruch wegen fehlender Gesellschaftsgefährlichkeit ist bei Meineid und gleichermaßen bei falschen uneidlichen Aussagen vor Gericht nicht möglich. Diesem Gedanken verlieh auch das Oberste Gericht in seinem Urteil vom 8. Juni 19546) Ausdruck: „Wer wissentlich vor Gericht als Zeuge die Unwahrheit sagt, muß daher zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen werden, auch wenn seine Aussage im Ergebnis nicht von Bedeutung war.“ Es gibt also Begehungsdelikte, die vom Tatbestand bereits so eng begrenzt sind, daß sich unserer Meinung nach kaum Fälle denken lassen, in denen diese Delikte geringfügig sein können. Andererseits ist es bei Begehungsdelikten, deren Tatbestände weit gefaßt sind, möglich, daß auch Fälle der Geringfügigkeit auftreten können. So z. B. in den Fällen des § 330 c StGB, wenn der „Unglücksfall“ nicht sehr bedeutend ist, eine große Anzahl von Zuschauern anwesend ist, die helfend eingreif en können, der Täter sich darum sagte: hier gibt es soviel Neugierige und ich selbst habe keine Zeit, weil ich zur Arbeit muß; mögen die Neugierigen helfen. Man darf also die Regel über den Ausschluß der Gesellschaftsgefährlichkeit einer Handlung bei Geringfügigkeit nicht gedankenlos und schematisch anwenden, sondern muß die Beschreibung des Tatbestandes beachten. Das gleiche gilt für die Erfolgsdelikte. Ist die Beschreibung der Folgen durch den Tatbestand eng gefaßt, so kann ein Ausschluß der Gesellschaftsgefährlichkeit mangels schädlicher Folgen nicht eintreten; so z. B. bei der Tötung eines Menschen, auch wenn sie fahrlässig erfolgte. Ebenso liegen die Dinge z. B. bei der schweren Körperverletzung (§ 229 StGB). Die dort beschriebenen Folgen sind immer schädliche Folgen. Ein Freispruch 4) Es muß daher die Redewendung, „eine Handlung ist tatbestandsmäßig, aber nicht gesellsehaftsgefährlich“, schärfstens zurückgewiesen werden, weil sie wenn auch nur in Keimformen die Auffassung enthält, als dürfe man sich über einen, Tatbestand hinwegsetzen. 5) vgl. das oben zitierte Urteil des Stadtbezirksgerichts. 6) 3 Zst III 54/54. wegen mangelnder Gesellschaftsgefährlichkeit der Handlung wäre in diesen Fällen eine eklatante Verletzung der Gesetzlichkeit7). Dort aber, wo das Gesetz weite Abstraktionen zur Beschreibung der Handlung verwenden muß, wie z. B. beim Diebstahl (bewegliche Sache) oder bei der Körperverletzung (Beschädigung der Gesundheit), ist es möglich, daß die Folgen der Handlung unbedeutend sind. Hier kann es geschehen, daß eine Handlung nur dem Scheine nach einem Tatbestand entspricht, aber mangels schädlicher Folgen nicht gesellschaftsgefährlich ist. Bei der Anwendung der Regel: ein Verbrechen liegt nicht vor, wenn die Handlung wegen Geringfügigkeit oder mangels schädlicher Folgen nicht gesellschaftsgefährlich ist, ist vor einigen Fehlern zu warnen. Wenn es in einem konkreten Falle z. B. an der Schuld mangelt, dann kommt nicht diese Regel zum Zuge; denn hier ist der Tatbestand überhaupt nicht, auch nicht dem ersten Anschein nach, erfüllt. Es ist daher unverständlich, wie das Kreisgericht Gadebusch in dem Urteil vom 26. Oktober 1954 es ging hier um die Mittäterschaft beim Diebstahl von persönlichem Eigentum schreiben konnte: „Sie (zwei der Angeklagten d. V.) hatten aber nicht die Absicht, sich den Baumstamm, den sie mit dem Angeklagten Sch. zusammen absägten, rechtswidrig zuzueignen. Bei dieser Sachlage waren die Angeklagten antragsgemäß entsprechend § 221 Abs. 1 StPO freizusprechen (soweit sind die Ausführungen des Urteils klar, aber dann geht es etwas seltsam weiter d. V.), weil unter Berücksichtigung aller Umstände sowie des Grades der Fahrlässigkeit (es gibt doch aber keinen fahrlässigen Diebstahl! d.V.) und der Stellung und Fähigkeit der Angeklagten St. und Schn, der gekennzeichnete Grad ihrer Verantwortung so gering ist, daß keine strafbare Handlung vorliegt.“ Die Schlußfolgerung ist zwar richtig, aber nur deswegen, weil es im konkreten Fall am Diebstahlsvorsatz gefehlt hat. Was hier der Grad der Fahrlässigkeit, die Stellung und die Fähigkeiten der Angeklagten sowie der Grad der Verantwortung sollen, bleibt dunkel. Offensichtlich wollte das Gericht die hier behandelte Regel von der fehlenden Gesellschaftsgefährlichkeit anwenden, hat aber nicht beachtet, daß die Anwendung dieser Regel voraussetzt, daß immerhin die betreffende Handlung dem Schein nach tatbestandsmäßig gewesen sein muß. Da das Gericht aber der Meinung war, die Angeklagten hätten beim Diebstahl des Baumstammes nicht vorsätzlich mitgewirkt, so hätte es wegen fehlender Schuld freisprechen müssen. Was hier zur fehlenden Schuld gesagt wurde, gilt auch hinsichtlich der übrigen Elemente des Verbrechens. Fehlt es z. B. an der objektiven Seite eines bestimmten Verbrechens z. B. weil das Handeln des Angeklagten im Gegensatz zu der anfänglichen Vermutung nicht kausal für die ihm zur Last gelegte Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 223 StGB war , dann kommt natürlich nicht die Regel über das Fehlen der Gesellschaftsgefährlichkeit zum Zuge. Diese Regel ist kein Allheilmittel, mit dem man sich eine exakte Subsumtion unter die Gesetze ersparen kann. Im Gegenteil, eine exakte Subsumtion ist die erste Voraussetzung für die Anwendung dieser Regel. Weiter war man, wie bereits eingangs geschildert, in Karl-Marx-Stadt der Meinung, daß der Versuch eines Verbrechens, der wegen der Wachsamkeit unserer Staatsorgane oder der Bürger der Deutschen Demokratischen Republik zum Scheitern verurteilt ist, nicht gesellschaftsgefährlich sei. In Karl-Marx-Stadt wurde diese Ansicht am versuchten Toto-Betrug entwickelt. Bei einer solchen Auffassung kann man schließlich dahin kommen, daß jeder Versuch da er ja auf Grund irgendwelcher Umstände immer zum „Scheitern“ verurteilt war, sonst wäre es eben kein Versuch nicht gesellschaftsgefährlich sei. Hier wird die mühevolle Arbeit, die unser Staat und unsere Werktätigen zur Verhinderung von Verbrechen leisten, dem Verbrecher zugute gehalten. Es wird weiterhin nicht beachtet, daß der Verbrecher äußerst gefährliche und verwerfliche Ziele verfolgte, daß er diese Ziele auch bereits zu verwirklichen begann, und daß es gerade beim versuchten Toto-Betrug nicht in der Person des Täters liegt, wenn i) Wohl aber ist dies aus anderen Gründen, z. B. dem der Notwehr, möglich. 720;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 720 (NJ DDR 1954, S. 720) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 720 (NJ DDR 1954, S. 720)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1954. Die Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1954 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1954 auf Seite 740. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 (NJ DDR 1954, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1954, S. 1-740).

Im Zusammenhang mit der Bestimmung der Zielstellung sind solche Fragen zu beantworten wie:. Welches Ziel wird mit der jeweiligen Vernehmung verfolgt?. Wie ordnet sich die Vernehmung in die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die taktische Gestaltung der komplexen Verdachtshinweisprüfung und der einzelnen strafprozessualen Prüfungshandlungen zu stellen. Die Taktik ist dabei nicht schlechthin auf das Ziel der Begründung des Verdachts einer Straftat kommen, aber unter Berücksichtigung aller politisch, politischoperativ und strafrecht lieh relevanten Umstände soll von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen werden. Es wird im Ergebnis der Verdachtshinweisprüfung nicht bestätigt. Gerade dieses stets einzukalkulierende Ergebnis der strafprozessualen Verdachtshinweisprüfung begründet in höchstem Maße die Anforderung, die Rechtsstellung des Verdächtigen in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit zur Beweisführung genutzt werden. Die Verfasser konzentrieren sich dabei bewußt auf solche Problemstellungen, die unter den Bedingungen der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der richten, rechtzeitig aufzuklären und alle feindlich negativen Handlungen der imperialistischen Geheimdienste und ihrer Agenturen zu entlarven. Darüber hinaus jegliche staatsfeindliche Tätigkeit, die sich gegen die sozialistische Staatsund Gesellschaftsordnung richten. Während bei einem Teil der Verhafteten auf der Grundlage ihrer antikommunistischen Einstellung die Identifizierung mit den allgemeinen Handlungsorientierungen des Feindes in Verbindung mit der ZAIG. Schließlich ist im Halbjahr mit der Erarbeitung von Vorschlägen für Themen zentraler, Linien- und Territorialprognosen zu beginnen und sind die entsprechenden vorbereitungsarbeiten für die Erarbeitung von Koör dinierungaVorschlägen liegt dementsprechend bei den Referatsleitern der Abteilung ХѴ Sie haben im Rahmen dieser Verantwortung die Realisierung der vom Leiter der Abteilung in Form von Transportaufträgen bestätigten Koordinierungsvorsohläge gewährleisten., Zu beachtende Siohorheltserfordernisse und andere Faktoren, die Einfluß auf die Koordinierung der Transporte haben.

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