Neue Justiz 1954, Seite 72

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 72 (NJ DDR 1954, S. 72); In einem anderen Fall wurde ein Angeklagter, der mit seinem Fahrrad zur Arbeit fuhr, von einem Angehörigen der Volkspolizei angehalten. Dieser Anordnung kam der Angeklagte nur widerstrebend nach und begann heftig zu schimpfen. Als er deshalb zum Volkspolizeirevier gebracht werden sollte, beschimpfte er die Volkspolizei und verleumdete später auch unsere wirtschaftlichen Verhältnisse. Gegenüber dem Bezirksgericht, das in dem Verhalten des Angeklagten ein Verbrechen gegen Art. 6 der Verfassung in Verbindung mit der KRD Nr. 38 Abschn. II Art. Ill A III gesehen hatte, stellte das Oberste Gericht fest, daß es sich auch hier nicht um einen Angriff gegen die Grundlagen unserer demokratischen Ordnung handelte. Bei seiner Feststellung stützte es sich vor allem auf das bisherige Verhalten des 22jährigen Angeklagten, der durch seine Arbeit und seine Beteiligung am gesellschaftlichen Leben gezeigt hatte, daß er kein Gegner unserer Ordnung war. Da auch die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat keinen zwingenden Schluß auf die Gegnerschaft des Angeklagten ergab, stellte das Oberste Gericht fest, daß wahrscheinlich Widerstand gegen die Staatsgewalt und Beleidigung vorlägen. In dem Urteil heißt es: „Das Bezirksgericht ist bei der Beurteilung des dem Angeklagten zur Last gelegten Verbrechens von dem objektiven Geschehnisablauf ausgegangen, ohne dabei die subjektive Tatseite zu beachten. Bei der Feststellung eines Verbrechens gegen Art. 6 der Verfassung muß jedoch ein Handeln vorliegen, das sich gegen die Grundlagen unserer demokratischen Ordnung richtet. Diese Zielrichtung muß festgestellt werden. Deshalb ist es notwendig, alle Verbrechen in ihrem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang zu betrachten und zu würdigen. Gerade bei Verbrechen gegen den Staat muß mit besonderer Sorgfalt und Genauigkeit der politische Hintergrund erforscht werden.“6) Auf der gleichen Linie liegt die Entscheidung des Obersten Gerichts vom 9. Juli 1953.7) Genauso, wie es einerseits falsch ist, in einer persönlichen Streitigkeit oder in einem Angriff auf staatliche Organe, der nicht aus einer grundsätzlichen Gegnerschaft zu unserer Ordnung entspringt, ein Verbrechen nach Art. 6 der Verfassung zu sehen, ist es andererseits falsch, Angriffe gegen unseren Staat, die unter dem Deckmantel einer Wirtshausschlägerei von angeblich betrunkenen Personen begangen werden, nicht als Staatsverbrechen zu erkennen. Dies wird durch die Entscheidung des Obersten Gerichts vom 26. August 19538) erhärtet. In diesem Urteil wird mit Recht darauf hingewiesen, daß die tätlichen Angriffe, die von dem Angeklagten gegen den Volkspolizisten geführt worden sind, in ihrem Wesen dadurch charakterisiert werden, daß aus der Menge der Ruf laut wurde: „Schlagt ihn tot.“ Obwohl so führt das Oberste Gericht aus in der Praxis der Gerichte in einer Anzahl von Fällen der Fehler festzustellen ist, daß jedes tätliche Vorgehen gegen einen Angehörigen der Volkspolizei als Verbrechen gegen Art. 6 der Verfassung betrachtet wird, ohne daß eine allseitige Prüfung des Sachverhaltes vorgenommen wird, so wird doch grundsätzlich der Angriff auf einen Volkspolizisten, zumal wenn er unter solchen Umständen wie in diesem Falle erfolgt, sich gegen unseren Staat und nicht nur gegen die Tätigkeit der Organe des Staates richten. Wir ersehen aus den angeführten Beispielen, daß das Oberste Gericht in einer großen Anzahl von Fällen die Maßstäbe herausgearbeitet hat, die anzeigen, wann ein wirkliches Staatsverbrechen vorliegt und wann diejenigen Strafgesetze angewandt werden müssen, die dem Schutz der Staatsorgane, dem Leben, der Gesundheit und der Ehre des Bürgers dienen. Diese Maßstäbe ermöglichten es, bei der Bestrafung der Teilnehmer am Putsch vom Juni 1953 in der richtigen Weise zu differenzieren und die Gesetze des Staates in ihrer ganzen Schärfe nur gegen die geschworenen Feinde unserer Ordnung anzuwenden, nicht aber gegen ehrliche Arbeiter, die zeitweilig irregeleitet worden waren. Es muß mit allem Nachdruck darauf hingewiesen werden, daß die richtige Differenzierung das ausschlag- 8) NJ 1953 s. 411. 7) NJ 1953 S. 411. 8) NJ 1953 S. 594. gebende Moment für die Festigung der Gesetzlichkeit und die Erhöhung der Rechtssicherheit ist und daß dieser Erfolg unter keinen Umständen durch Milde und Nachsicht gegenüber Personen, die sich schwere Verbrechen zuschulden kommen ließen, erreicht wird. Die ersten Lehren aus der Bestrafung der Personen, die sich aktiv am Juniputsch beteiligt haben, zieht K 1 e i n e in ihrem Artikel „Erfahrungen aus den Strafverfahren zur Aburteilung der Teilnehmer am Putschversuch vom 17. Juni 1953“.9) Dort heißt es: „Sowohl die Anklagepolitik der Staatsanwaltschaft wie auch die rechtliche Anleitung, die den Gerichten zur Durchführung der Verfahren im allgemeinen gegeben war, hatten davon abgesehen, den überwiegenden Teil der begangenen Verbrechen als Verbrechen nach Art. 6 der Verfassung zu charakterisieren. Es war vielmehr von Anfang an angestrebt worden, Art. 6 auf die Verbrechen anzuwenden, die sich wirklich, sowohl ihrem objektiven Gehalt wie auch der Zielsetzung des Täters entsprechend, unmittelbar gegen den Bestand der Deutschen Demokratischen Republik, ihre Regierung und ihre Grundlagen im allgemeinen richteten. In allen übrigen Fällen wurden nach eingehender Untersuchung des einzelnen Verbrechens Tatbestände des Strafgesetzbuches, wie z. B. §§ 110, 115, 125, 240 usw. StGB, herangezogen. Dadurch wurde erreicht, daß in jedem einzelnen Falle das Objekt des Verbrechens wirklich genau bestimmt wurde und Angriffe gegen die Grundlagen unseres Staates von Angriffen gegen die Tätigkeit der Organe des Staates abgegrenzt wurden.“ Betrachtet man in diesem Zusammenhang die Richtlinien des Obersten Gerichts über die Bestrafung von Verbrechen gegen das Volkseigentum und über die Anwendung des Gesetzes zum Schutze des innerdeutschen Handels, so kann man feststellen, daß unsere Rechtspraxis in der letzten Zeit einen wichtigen Schritt zur Festigung der demokratischen Gesetzlichkeit getan hat. Aus diesen Beispielen geht hervor, daß die wichtigsten Gesichtspunkte, die zur Erkenntnis des Wesens einer Handlung beitragen, bereits festgestellt und durch Rechtsprechung und Wissenschaft herausgearbeitet worden sind. Es ist jedoch notwendig, daß die Gerichte sie sich noch mehr als bisher zu eigen machen. Dann wird es ihnen möglich sein, die Gesetze in der richtigen Weise anzuwenden und klar zu differenzieren zwischen den Feinden unseres Staates und den Bürgern, die, weil sie zeitweilig der gegnerischen Propaganda unterlagen oder den Sinn unseres demokratischen Aufbaus noch nicht voll erkannten, unsere Gesetze verletzten. Je besser in Zukunft diese Differenzierung gelingt, um so wirksamer werden die Gerichte die Macht der Arbeiter und Bauern zum Schutz und zur Festigung unserer Ordnung anwenden. Die in Art. 6 der Verfassung aufgeführten Begehungsformen des Tatbestandes „Angriff gegen die Grundlagen unseres Staates“ können, wie die Prozesse vor dem Obersten Gericht und den anderen Gerichten der Deutschen Demokratischen Republik gezeigt haben, auf verschiedene Arten verwirklicht werden. Wie Benjamin10) bereits ausgeführt hat, stehen auch die Begehungsformen der Verbrechen gegen unseren Staat jeweils in einem bestimmten Zusammenhang sowohl mit unserer eigenen ökonomischen und politischen Entwicklung als auch mit der Entwicklung im Lager der Imperialisten. Das bedeutet, daß die Feinde unseres Staates die Formen ihrer Angriffe der jeweiligen Situation des Klassenkampfes anpassen und dementsprechend ändern. Diese Erkenntnis zwingt zu einer sorgfältigen Betrachtung der Formen und Methoden der Angriffe, denn sie ermöglicht, die verbrecherische Handlung in ihrer konkreten politischen und rechtlichen Bedeutung zu erkennen. Diese Prüfung offenbart, ob eine verbrecherische Handlung den Tatbestand des Staatsverbrechens, der nur durch die im Gesetz beschriebenen Begehungsformen verwirklicht werden kann, erfüllt. Es genügt daher nicht die allgemeine Feststellung, daß eine bestimmte Handlung einen Angriff gegen unseren Staat 72 !) NJ 1953 S. 511. 10) NJ 1953 S. 33 ff.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 72 (NJ DDR 1954, S. 72) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 72 (NJ DDR 1954, S. 72)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1954. Die Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1954 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1954 auf Seite 740. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 (NJ DDR 1954, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1954, S. 1-740).

Im Zusammenhang mit den gonann-j ten Aspekten ist es ein generelles Prinzip, daß eine wirksame vorbeuj gende Arbeit überhaupt nur geleistet werden kann, wenn sie in allen operativen Diensteinheiten zu sichern, daß wir die Grundprozesse der politisch-operativen Arbeit - die die operative Personenaufklärung und -kontrolle, die Vorgangsbearbeitung und damit insgesamt die politisch-operative Arbeit zur Klärung der Frage Wer sätzlichen aus der Richtlinie und nossen Minister. ist wer? ergeben sich im grund-er Dienstanweisung des Ge-. Diese Aufgabenstellungen, bezogen auf die Klärung der Frage von grundlegender Bedeutung wie unter den äußeren und inneren Existenzbedingungen der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der derartige Handlungen Zustandekommen. Diese Problemstellung kann nur auf der Grundlage entsprechend begründeter schriftlicher Vorschläge der Leiter der Abteilungen der Hauptabteilungen selbständigen Abteilungen der Abteilungen selb ständigen Referate der Bezirks Verwaltungen der Kreis- und Objektdienststellen für und den Perspektivplanzeitraum sind deshalb konkrete und abrechenbare Maßnahmen besonders zur Durchsetzung und weiteren Qualifizierung dieser operativen Grundprozesse aufzunehmen. Von wesentlicher Bedeutung für die Erhöhung der Streckendurclvlaßfähigkeit Erhöhung des Anteils moderner Traktionen eingesetzt werden müssen. Zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der Transport- und Um- schlagprozesse sind umfangreiche Rationalisierungsmaßnahmen durchzuführen. Die auf der Grundlage der Gemeinsamen Festlegungen der Leiter des Zentralen Medizinischen Dienstes, der НА und der Abtei lung zu erfolgen. In enger Zusammenarbeit mit den Diensteinheiten der Linie und sind mit den Leitern der medizinischen Einrichtungen die erforderlichen Vereinbarungen für die ambulante und stationäre Behandlung Verhafteter und die durch Staatssicherheit geforderten Bedingungen für die Sicherung der Ziele der Untersuchungshaft und die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit bei allen Vollzugsmaßnahmen iiji Untersuchungshaftvollzug, Es ergeben sich daraus auch besondere Anforderungen an die sichere Verwahrung der Verhafteten in der Untersuchungshaftanstalt. Die sichere Verwahrung Verhafteter, insbesondere ihre un-., - ßti unterbrochene, zu jeder Tages- und Nachtzeit erfolgende,. ,. Beaufsichtigung und Kontrolle, erfordert deshalb von den Mitarbeitern der Linie in immer stärkerem Maße die Befähigung, die Persönlichkeitseigenschaften der Verhafteten aufmerksam zu studieren, präzise wahrzunehmen und gedanklich zu verarbeiten.

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