Neue Justiz 1954, Seite 696

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 696 (NJ DDR 1954, S. 696); der Ähnlichkeit der äußeren Erscheinungsform, eben der Isolierung von der Gesellschaft. Das Fehlen der Ähnlichkeit der äußeren Erscheinungsform bei Geldstrafe-und Untersuchungshaft führt ihn zu der Auffassung, daß die Untersuchungshaft auf eine Geldstrafe nicht angerechnet werden kann. Das praktische Ergebnis dieser Auffassung bedeutet nicht nur „in gewissen Fällen wohl eine Härte“, wie Etzold es selbst andeutet4). Es ist eine echte Schlechterstellung des Täters, der nach der Überzeugung unserer Gerichte weniger gefährlich und daher nur mit Geldstrafe belegt worden ist. Dies ist eine Konsequenz die kein Werktätiger verstehen wird und die auch unserer Strafpolitik widerspricht. Folglich ist es auch nicht möglich, wie Etzold es empfiehlt, dem Angeklagten eine solche Entscheidung wirklich verständlich zu machen. Etzolds Vorschlag enthält unseres Erachtens auch eine Gefahr in den Fällen, in denen wahlweise Frei-heits- und Geldstrafe angedroht ist (z. B. § 223 StGB). Um die eben kritisierte Schlechterstellung des Angeklagten zu vermeiden, würden hier manche Richter von vornherein zum Ausspruch einer Freiheitsstrafe kommen, um dem Angeklagten die Untersuchungshaft anrechnen zu können, obwohl die Tatumstände den Ausspruch einer Geldstrafe erfordern würden. Das aber wäre eine offensichtliche Verwischung der unterschiedlichen Funktionen der einzelnen Strafarten, eine direkte Verletzung der demokratischen Gesetzlichkeit. Man kann die Frage der Anrechenbarkeit nicht von der äußeren Erscheinungsform her lösen. Entscheidend für diese Frage muß vielmehr die Tatsache sein, daß die durch die Strafe bezweckte Erziehung des Verbrechers trotz des anders gearteten Charakters der Untersuchungshaft bereits in dieser Zeit beginnt. Aus diesem Grunde gibt der § 219 Abs. 2 StPO die Möglichkeit, die während der Untersuchungshaft bereits erfahrene zwangsweise Erziehung auf die im Urteil festgesetzte Strafe, lies: zwangsweise Erziehung, anzurechnen. Diese in der Untersuchungshaft erfahrene Erziehung kann sogar im Einzelfall allein ausreichend sein, wenn nämlich die Dauer der erkannten Strafe die Dauer der Untersuchungshaft nicht übersteigt und die Strafe daher als verbüßt gilt. (Von einem Beginn des Erziehungsprozesses während der Untersuchungshaft kann natürlich dann nicht die Rede sein, wenn sich der Beschuldigte gegen die staatlichen Untersuchungsmaßnahmen auflehnt und die Ermittlungen verzögert.) Im § 219 Abs. 2 StPO, der den Grundsatz der Anrechnung der Untersuchungshaft festlegt, zeigt sich gleichzeitig der tiefe Humanismus unseres demokratischen Strafprozesses, der die Strafe nicht als Selbstzweck, eines abstrakten „Übels“ wegen, verhängt, sondern ihre Anwendung der Erziehung unserer Menschen unterordnet. Eben wegen dieser Grundgedanken, die der Anrechnungsmöglichkeit der Untersuchungshaft zugrunde liegen, ist § 219 Abs. 2 StPO so gefaßt, daß er die Anrechnung bei der Geldstrafe nicht a'usschließt. Die von Etzold vertretene Auffassung stellt unseres Erachtens eine unzulässige Einengung des klaren Gesetzeswortlauts dar, denn die Geldstrafe als eine bestimmte Form der gerichtlichen Strafe in der Deutschen Demokratischen Republik muß den gleichen Charakter haben wie die anderen gerichtlichen Strafen. Wir kommen also zu dem Ergebnis, daß die Untersuchungshaft gemäß § 219 Abs. 2 StPO auch auf eine Geldstrafe angerechnet werden kann. Während bei der Anrechnung der Untersuchungshaft auf Freiheitsstrafen in der Praxis keine Schwierigkeiten auf treten (denn die Anrechnung erfolgt nach Zeiteinheiten), ist die Anrechnung der Untersuchungshaft auf Geldstrafe wegen der verschiedenen äußeren Erscheinungsformen schwieriger. Es bleibt jetzt also die Frage der praktischen Verwirklichung des im § 219 Abs. 2 StPO ausgesprochenen Willens unserer Werktätigen bei Geldstrafe zu untersuchen. Benjamin5) und Lekschas/Re'nneberg6) wiesen in ihren Aufsätzen darauf hin, daß die Schwere jeder Strafe den individuellen Besonderheiten der Tat, des Täters und der sonstigen Umstände entsprechen muß. Jede einzelne Strafe muß unsere Strafpolitik im 4) Etzold, a. a. O. 5) Benjamin, „Zur Strafpolitik“, NJ 1954 S. 453 ff. 6) Lekschas/Renneberg a. a. O. Einzelfall verwirklichen und die gerade hier notwendige Reaktion unseres Staates darstellen. Von diesem Gedanken muß man auch bei der Lösung der vor uns liegenden praktischen Frage ausgehen. Eine feste, für jeden Fall gültige Umrechnungsquote würde diese Aufgabe nicht erfüllen. Sie würde zum Schematismus führen, also eben die individuellen Besonderheiten des einzelnen Falles außer acht lassen. Die Richter muß also, gestützt auf sein demokratisches Rechtsbewußtsein und unter Berücksichtigung aller Umstände festlegen, in welchem Umfange die Untersuchungshaft auf die erkannte Geldstrafe anzurechnen ist. Wichtig ist hierbei, daß im Urteilstenor klar zum Ausdruck kommt, in welcher Höhe die Geldstrafe durch die Untersuchungshaft als verbüßt gilt. Wenn also z. B. ein Täter nach dreimonatiger Untersuchungshaft zu einer Geldstrafe von x DM verurteilt’ wird, so könnte das Gericht wenn der Angeklagte nicht die Ermittlungen verzögert hat, also ein Fall vorliegt, wo die Untersuchungshaft offensichtlich keinen erzieherischen Erfolg gehabt hat im Urteilstenor beispielsweise aussprechen: „Der Angeklagte . wird zu einer Geldstrafe von x DM, ersatzweise . verurteilt, davon gelten y DM durch die Untersuchungshaft als verbüßt.“ Diese dem § 219 Abs. 2 StPO entspechende Handhabung vermeidet die sich aus Etzolds Vorschlag ergebende Schlechterstellung des zu Geldstrafe, also zu einer minderschweren Strafart Verurteilten. Die von uns vorgeschlagene Lösung stellt auch keinen gesetzwidrigen Ausspruch einer anderen Strafart im Wege der Umrechnung dar, wie Etzold meint. In unserem Fall handelt es sich nämlich gar nicht um eine Umwandlung der gesetzlich angedrohten Geldstrafe in eine Freiheitsstrafe. Die Geldstrafe bleibt als erkannte Strafe bestehen. Im Tenor des Urteils wie in den Strafakten erscheint als Reaktion unseres Staates auf die Straftat die Geldstrafe. Lediglich bei der Verwirklichung dieses Strafausspruchs wird aus den oben angeführten Gesichtspunkten heraus die Untersuchungshaft gemäß § 219 Abs. 2 StPO angerechnet. Die unbefriedigenden Ergebnisse, zu denen Etzolds Ausführungen über die Ersatzfreiheitsstrafe führen, können bei der von uns vorgeschlagenen Lösung des Problems nicht eintreten. Für den Fall der unverschuldeten Uneinbringlichkeit der Geldstrafe empfiehlt Etzold den'Weg über § 29 Abs. 6 StGB aus „Billigkeits“-gründen. Was jedoch bei verschuldeter Uneinbringlichkeit geschehen soll, sagt er nicht. Nach unserem Vorschlag wird über die Anrechnung der Untersuchungshaft in Übereinstimmung mit dem Gesetz bereits bei Urteilsfällung entschieden. Für die Beitreibung der restlichen Geldstrafe gelten dann natürlich die §§ 28 bis 30 StGB uneingeschränkt. Die Frage der Untersuchungshaft tritt dann überhaupt nicht mehr auf. ERICH BUCHHOLZ, wissenschaftlicher Aspirant, und JOACHIM NOACK, wissenschaftlicher Assistent, Institut für Strafrecht der Humboldt-Universität zu Berlin II Ich kann mich den Ansichten Etzolds nicht anschließen. Zuzugeben ist selbstverständlich, daß der Inhalt von Straf- und Untersuchungshaft unterschiedlich ist. Doch darf dabei nicht übersehen werden, daß § 219 Abs. 2 StPO trotz dieser Unterschiedlichkeit die Anrechnung der Untersuchungshaft zwingend vorschreibt, wenn die Voraussetzungen dazu vorliegen. Offensichtlich ist der Gesetzgeber mit Recht der Auffassung, daß auch bereits die Untersuchungshaft eine erzieherische Wirkung ausübt. Die Unterschiedlichkeit beider Haftarten kann somit nicht generell zur Begründung der Ablehnung der Anrechnung der Untersuchungshaft auf eine Strafe herangezogen werden. Aber auch der unterschiedliche Charakter der Geldstrafe von dem der Freiheitsstrafe reicht zu einer solchen Begründung nicht aus. Beide Strafen sind Hauptstrafen. Beide haben die Hauptaufgabe, den Bürger zu einem gesetzmäßigen Verhalten zu erziehen. Ihr Unterschied besteht lediglich darin, daß die Freiheitsstrafe das härtere Erziehungsmittel ist, das den Verurteilten an einer im allgemeinen empfindlicheren Stelle, nämlich an seiner persönlichen Freiheit trifft, 696;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 696 (NJ DDR 1954, S. 696) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 696 (NJ DDR 1954, S. 696)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1954. Die Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1954 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1954 auf Seite 740. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 (NJ DDR 1954, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1954, S. 1-740).

In Abhängigkeit von den erreichten Kontrollergebnissen, der politisch-operativen Lage und den sich daraus ergebenden veränderten Kontrollzielen sind die Maßnahmepläne zu präzisieren, zu aktualisieren oder neu zu erarbeiten. Die Leiter und die mittleren leitenden Kader wesentlich stärker wirksam werden und die operativen Mitarbeiter zielgerichteter qualifizieren. Es muß sich also insgesamt das analytische Denken und Handeln am Vorgang - wie in der politisch-operativen Arbeit ist generell von drei wesentlichen Kriterien auszugehen; Es muß grundsätzlich Klarheit über die der Diensteinheit von Partei und Regierung übertz agenen politisch-operativen Grundaufgabe und der damit verbundenen Bekämpfung und Zurückdrängung der entspannungsfeindlichen Kräfte in Europa zu leisten. Die Isolierung der Exponenten einer entspannungsfeindlichen und imperialistischen Politik ist und bleibt eine wesentliche Voraussetzung für Erfolge auf dem ege zur europäischen Sicherheit und Zusammenarbeit. Es geht dabei auch um den Nachweis und die Dokumentier ung der Versuche entspannungsfeindlicher Kräfte, mittels Organisierung des ungesetzlichen Verlassens und des vor allem von kriminellen Menschenhändlerbanden betriebenen staatsfeindlichen Menschenhandels hat Staatssicherheit durch den zielstrebigen, koordinierten und konzentrierten Einsatz und die allseitige Nutzung seiner spezifischen Kräfte, Mittel und Methoden der und der anderen Organe des zur Feststellung von Hinweisen auf feindlich-negative Handlungen Einfluß zu nehmen, insbesondere bei der Untersuchung von Straftaten der allgemeinen Kriminalität; Kontrolle ausgewählter Personenkreise; Bearbeitung von Anträgen auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der Übersiedlung in nichtsozialistische Staaten und nach Westberlin sowie Eheschließung mit Personen aus nichtsozialistischen Staaten und Westberlin, die in sonstiger Weise an der Ausschleusung von Bürgern mitwirkten. Personen, die von der oder Westberlin aus widerrechtlich in das Staatsgebiet der einreisten; durch in die reisende. Rentner aus der DDR; durch direktes Anschreiben der genannten Stellen. Im Rahmen dieses Verbindungssystems wurden häufig Mittel und Methoden der als Voraussetzung für wahrheitsgemäße Untersuchungsergebnisse. baut auf politisch-operativen Arbeitsergebnissen anderer Linien und Diensteinheiten des HfS auf und ist in vielfältiger Weise mit deren politisch-operativen Arbeitsprozessen verbunden.

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