Neue Justiz 1954, Seite 619

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 619 (NJ DDR 1954, S. 619); die die Strafbarkeit nicht an eine bestimmte Tat, sondern an eine bestimmte Absicht iknüpft, als eine grundgesetzwidrige Norm, die das Gericht veranlassen muß, nach Art. 100 GG5) das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Der Einhaltung dieser materiell-rechtlichen Grundsätze im Verfahren dienen prozessuale Bestimmungen, die sich insbesondere auf die Beweisaufnahme, die Urteilsfindung und das Urteil selbst beziehen. So müssen die Urteilsgründe nach § 267 StPO die „als erwiesen erachteten Tatsachen“ angeben, „in welchen die gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung gefunden werden“. Der Indizienbeweis muß sich auf „Tatsachen“ stützen, die in den Urteilsgründen angegeben werden sollen. Die Motive zu dieser Norm weisen darauf hin, daß „die tatsächlichen (positiven oder negativen) Annahmen oder Feststellungen“ als „objektive Entscheidungsgründe“ in der Sachverhaltsschilderung zusammenzufassen sind8). Gegenstand der Urteilsfindung darf nicht die Gesinnung des Angeklagten, sondern muß die in der Anklage bezeiehnete „Tat“, der „geschichtliche Vorgang in seiner Gesamtheit“ sein7). Gegenstand der Beweisaufnahme müssen „tatsächliche Vorgänge und Zustände, also Tatsachen, die der Vergangenheit oder Gegenwart angehören“, sein8). Dabei hat das Gericht „zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind“ (§ 244 Abs. 2 StPO). Ein Gericht, das diese prozessualen Bestimmungen beachtet, muß also feststellen, welche Tatsachen gegeben sind, in denen die gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung gefunden werden, und muß die Sachverhaltsfeststellung auf alle rechtlich bedeutsamen, belastenden und entlastenden Umstände erstrecken. Hier darf kein Platz für „Deutungen“ irgendwelcher Art sein, weder für die Deutung hintergründiger, hinter den erkennbaren Vordergründen liegender unfaßbarer Ziele noch für die freie „Bewertung“ des sinnlich nicht wahrnehmbaren und daher dem Beweise nicht zugänglichen „Sinnes“ von historischen Vorkommnissen, der den objektiven Bestrebungen und den festgestellten Zielen des Angeklagten widerspricht. Die prozeßrechtlichen Normen fordern worauf S e e 1 i g treffend hinweist „jene Ehrfurcht vor den Tatsachen , die es verhindert, daß eine vorschnell gefaßte Meinung, eine scharfsinnig ausgedachte Konstruktion des ,Falles' oder Auffassungen, die von irgendeiner Seite suggeriert werden, die Sachverhaltsfeststellung beeinflussen“9). Beachten wir bei der Analyse der beiden Verfahren diese gesetzlichen Forderungen, so zwingt uns das Gesetz der Bundesrepublik, zwei Hauptfragen zu stellen und zu beantworten: Erstens: Wurden ausschließlich und allein die in der Hauptverhandlung festgestellten Tatsachen, und zwar in dem gesetzlich gebotenen Umfange, zur Grundlage der rechtlichen Würdigung gemacht? Können wir diese Frage bejahend beantworten, dann müßte zweitens gefragt werden: Wurde in der rechtlichen Würdigung festgestellt, daß diese Tatsachen die Merkmale der gesetzlich strafbaren Handlung aufweisen? II In der auf den Seiten 4 bis 25 des Urteils gegen Reichel und Beyer wiedergegebenen Sachverhaltsschilderung werden die folgenden wesentlichen Tatsachen angeführt: Horst Reichel und Herbert Beyer waren als erster und zweiter Sekretär der Kreisleitung Salzgitter der KPD tätig. Ihnen ging „in ihrer Eigenschaft als Kreissekretäre“ das Programm der nationalen Wiedervereinigung Deutschlands „in größerer Anzahl auf dem 5) „Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.“ 8) Entwürfe der Reichsjustizgesetze nebst Motiven und Anlagen, Berlin 1874, S. 193. 7) § 264 StPO; RGSt 9/420, 15/11 usw.; Löwe, Hellweg, Rosenberg, Die Strafprozeßordnung, Kommentar, 19. Aufl. (1934) S. 766. 8) Löwe, Hellweg, Rosenberg, a. a. O. S. 688. 9) E. Seelig, LehrbuSh der Kriminologie, Graz 1951, S. 282. Parteiwege zu. Sie machten sich eingehend mit seinem Inhalt vertraut und ergriffen verschiedene Maßnahmen, um in dem Bereich der Kreisleitung Salzgitter die Angehörigen der KPD und vor allem auch Nichtmitglieder dieser Partei mit dem Programm bekannt zu machen und die darin enthaltenen Ausführungen zu erläutern“ (S. 17)10 *). Weiter wird auszugsweise oder inhaltlich das als bekannt vorausgesetzte Programm wiedergegeben und dargestellt, worin die obengenannten Maßnahmen bestanden. Die Sachverhaltsfeststellung läßt keine Tatsachen erkennen, die ein gesetzliches Merkmal der geltenden Strafrechtsnormen enthalten. Trotzdem wurde das Eintreten für das legale Programm einer legalen Partei als Vorbereitung eines bestimmten hochverräterischen Unternehmens in Tateinheit mit Verunglimpfung von Staatsorganen und öffentlich begangener Beleidigung mit drei Jahren bzw. einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis bestraft. Bei seinem Bemühen, diese Verurteilung als gerechtfertigt erscheinen zu lassen, wendet der Senat als Hauptmethode die schon in früheren Arbeiten des Verfassers11) charakterisierte Methode der Umdeutung des Sachverhalts an. Um die Arbeit auf einige entscheidende Probleme konzentrieren zu können und zugleich dem Leser ein selbständiges Urteil über diese Methode zu ermöglichen, wollen wir den wesentlichen Abschnitt der Beweiswürdigung im Wortlaut wiedergeben und anschließend analysieren. Es handelt sich um den Abschnitt, der das Vorhandensein der Merkmale „Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gegen die verfassungsmäßige Ordnung“ (§ 81 StGB) nachzuweisen sucht. Dieser Abschnitt beginnt mit folgenden Worten: „Das Kernstück des gegen die Angeklagten erhobenen Schuldvorwurfs bildet das Programm, das dm Zusammenhang mit der damals bevorstehenden Abstimmung im Bundestag über die von der Bundesregierung mit den Westmächten abgeschlossenen Verträge, insbesondere über den Generalvertrag, aufgestellt und veröffentlicht worden ist. Die in dem Programm genannten Hauptziele, nämlich die Wiedervereinigung Deutschlands und der Abschluß eines Friedensvertrages, sollen über den Sturz der Adenauerregierung und deren Ersetzung durch eine ,verständigungsbereite' Regierung erreicht werden. Das nächste mit dem Programm verfolgte Ziel ist also der Sturz der Regierung Adenauer. Damit wird jedoch nicht nur die Abberufung dieser Regierung als solche erstrebt. Denn ,die reaktionären Kräfte können an die Stelle Adenauers eine andere Person setzen, die die gleiche Politik durchführen wird!' Mit der Regierung Adenauer ist vielmehr, wie es im Programm genannt wird, das , Adenauer-Regime' gemeint. Darunter werden bei richtiger Deutung des Programms außer der Regierung alle diejenigen Kräfte verstanden, die die Bundesrepublik in ihrer bestehenden verfassungsmäßigen Ordnung tragen und bejahen.“ (S. 28)12) Hier finden wir die charakteristischen Besonderheiten der „deutenden“ Methode des politischen Sondersenats. Die Sachverhaltsschilderung gibt die im Programm genannten, die gemeinten und die mit ihm verfolgten Ziele Nieder, die sich ersichtlich als nicht hochverräterisch erweisen. Unter dem Anschein der Beweiswürdi-gung wird zunächst von diesen als erwiesen erachteten Tatsachen ausgegangen und werden daran anknüpfend gerichtlich nicht festgestellte, mit dem Programm nicht verfolgte und in ihm nicht genannte, sondern gerichtlich „gedeutete“ Ziele eingeführt, die hochverräterisch sein sollen. Diese „Deutung“ sucht der Senat anschließend mit folgenden Worten zu rechtfertigen: „Für diese Auslegung des Begriffes .Adenauer-Regime' spricht zunächst die Tatsache, daß in dem Programm nicht nur die Regierung selbst und 10) Die eingeklammerten Seitenzahlen beziehen sich auf die . Seiten der schriftlichen Urteilsausfertigung. n) Geräts, „Methoden der Gesinnungsverfolgung durch die Gerichte des Adenauer-Staates", NJ 1954 S. 2 ff., und „Der Bundesgerichtshof im Dienste der aggressiven Politik der Vorbereitung des Krieges“, Staat und Recht 1954, Heft 4. S. 443 ff. 12) Sperrungen von mir H. G. 619;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 619 (NJ DDR 1954, S. 619) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 619 (NJ DDR 1954, S. 619)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1954. Die Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1954 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1954 auf Seite 740. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 (NJ DDR 1954, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1954, S. 1-740).

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