Neue Justiz 1954, Seite 503

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 503 (NJ DDR 1954, S. 503); demokratische Grundordnung“ mißbraucht und damit der betroffene Staatsbürger sein Grundrecht der freien Meinungsäußerung verwirkt habe, einzig und allein dem Bundesverfassungsgericht (BVG) vorzubehalten (Art. 18 GG). Es ist hier nicht am Platze, über den besonders reaktionären Charakter des BVG zu rechten, der sich aus seiner Zusammensetzung und vor allem aus seiner Befugnis ergibt, Gesetze des Bundestages für nichtig zu erklären (Art. 100' GG, §§ 13 und 80 des Gesetzes über das BVG). Es mag auch nur kurz darauf hingewiesen sein, daß der Inhalt einer „freiheitlichen, demokratischen Grundordnung“ vag und dehnbar für alle die ist, die den Charakter des Faschismus nicht zu bestimmen vermögen. Doch selbst diese Bestimmung wird der Adenauer-Regierung zur Fessel, und sie veranlaßt einen weiteren Bruch ihrer eigenen Gesetzlichkeit, indem sie nunmehr jedem Gericht großzügig wenn auch verfassungswidrig die Kompetenz zusprechen läßt, über einen angeblichen Mißbrauch der Meinungsfreiheit zum Kampf gegen die „freiheitliche, demokratische Grundordnung“ zu befinden. Daß der dies aussprechende Zivilsenat des BGH dafür eine „juristische“ Begründung nicht erst versucht, sei am Rande vermerkt. Zu 2: Nach diesem noch verhältnismäßig harmlosen Vorspiel verläßt der BGH die Justizzuständigkeit und verleiht ohne eigene Zuständigkeit der Polizei das Recht, die freie Meinungsäußerung im Rahmen der wohl kautschukartigsten Generalklauseln der §§ 14 und 41 PVG einzuschränken. Dabei erlaubt sich der BGH den traurigen Witz, dem Erlaß des Hessischen Innnen-ministers Zinnkann (SPD), auf Grund dessen der vorliegende Eingriff in das Grundrecht der Meinungsfreiheit von Polizeiorganen vorgenommen wurde, zunächst wegen Ermangelung zwingender Formerfordernisse (§ 32 PVG) die Rechtsgültigkeit abzusprechen, um ihm am Ende des Urteils aus inhaltlichen Gründen seine Rechtmäßigkeit zu bescheinigen! Daß die rechtliche Grundlage für das Eingreifen der Polizeiorgane im vorliegenden Fall, der Erlaß des Ministers, nichtig ist, schert den BGH wenig, und so sucht er ihnen eine neue. Er findet sie im § 41 PVG, der Polizeiverfügungen für gültig erklärt, „soweit sie zur Beseitigung einer Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung oder zur Abwehr einer im einzelnen Falle bevorstehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erforderlich sind“. Damit ist der Vorrang der Polizei vor der Justiz begründet, das Polizeiverwaltungsgesetz erscheint als die wahre Verfassung Bonns, der Grundrechtskatalog bleibt belangloses juristisches Märchenbuch. Die Ehrerbietung des BGH gegenüber der Polizei findet ihren kaum übertreffbaren Gipfel in der Äußerung des Zivilsenats, daß die im Rahmen des § 41 PVG angestellten Erwägungen der Polizei (ob es sich um die Abwehr einer wirklich bevorstehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit handelt) „grundsätzlich nicht nachprüfbar sind, sofern sie nicht einen groben Ermessensmißbrauch darstellen“. Der Kommentator des Grundgesetzes erklärt, daß der Wesenskern der Grundrechte, der nach Art. 19 Abs. 2 GG nicht angetastet werden darf, „ sich in allgemeinen Worten und mit allgemeiner Wirkung nicht umschreiben läßt“2). Wenn aber das grundsätzlich nicht nachprüfbare Ermessen des Polizeiwachtmeisters die Schranken der Grundrechte festlegt, so dürfte wohl bei der freien Meinungsäußerung in Bonn nichts vom Charakter eines Grundrechts übrigbleiben. Gerade das verstößt gegen Art. 19 Abs. 2 GG. Zu 3: Man kann dem BGH keine Inkonsequenz vorwerfen, er bleibt nicht auf halbem Wege stehen. Er erfindet nicht nur neue Zuständigkeiten, er erfindet auch neue Tatbestände. Mißfällt ihm eine Meinungsäußerung, so nennt er sie anders, z. B. Propaganda und vom Schutz der Propaganda ist ja im Grundgesetz nichts zu finden! Wie schwach muß doch die politische und juristische Position der Adenauer-Regierung sein, daß sein BGH zu solchen durchsichtigen Konstruktionen greifen muß, aus denen das schlechte Gewissen seiner Urheber hervorlugt. Statt Verbrechen zu bestrafen, macht der BGH Verbrechen da, wo sie erwünscht erscheinen. In der polizeilich beanstandeten Zeitung stand nichts davon, daß die Jugend Westdeutschlands nach Berlin kommen soll, um von dort her die Bundesrepublik „aufzurollen“, nein, es befand, sich auf dem ersten Blatt nur ein Bild, darstellend - wir zitieren das Urteil „Berliner schmücken ihr Haus für die Weltfestspiele, sowie ein kalendermäßiger Hinweis, daß es bis zu den Weltfestspielen noch 23 Tage seien“. Die Dokumente und Reden der Weltfestspiele, insbesondere der Friedensschwur der Jugend vom 19. August 1952, bekennen sich nicht zur Diktatur des Proletariats (und auch das wäre keineswegs strafbar!), sondern zum Frieden und zur Wiedervereinigung Deutschlands-zu Zielen also, die der Präambel, den Art. 1 und 146 iGG entsprechen; sie propagieren Mittel, die auch nach westdeutschen Verfassungsbegriffen rechtmäßig sind. Aber das untersucht der BGH nicht einmal, für ihn „bedarf keiner weiteren Begründung“, daß die Weltfestspiele sich gegen die „demokratische Grundordnung“ Westdeutschlands richteten. Nur wer sich vor den Tatsachen fürchtet, verschließt sich vor ihnen. Ungeachtet der Polizeiwillkür fanden 1952 in Berlin die III. Weltfestspiele in Anwesenheit tausender westdeutscher Jugendlicher statt; ungeachtet des vom BGH nicht zufällig am 1. Februar 1954 justizförmig sanktionierten Gesinnungsterrors fand im Juni 1954 in Berlin das II. Deutschlandtreffen der Jugend in Anwesenheit von 25 000 Westdeutschen statt. Wie sich zeigt, haben die Möglichkeiten des Justizterrors ihre Grenzen. Das kommt auch in der Verteidigung des Grundgesetzes gegen offiziös geförderte gesetzlichkeitszersetzende Auslegungen zum Ausdruck, zum Beispiel in der Anmerkung W. R. Beyers zum obigen BGH-Urteil in der „Neuen Juristischen Wochenschrift“. Je besser es die Patrioten in Westdeutschland verstehen, das von der Bourgeoisie über Bord geworfene Banner der bürgerlich-demokratischen Freiheiten zu erheben und voranzutragen, um so eher wird die Einheit Deutschlands möglich. Dr. HERMANN KLENNER, Dozent an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin 2) Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Berlin 1953, S. 120. Der „Lügendetektor“ Vor mir liegt Heft 6/1954 der „Deutschen Richterzeitung“. In ihm findet sich eine Reihe teils belehrender, teils erheiternder Artikel: so schreibt ein Amtsgerichtsrat aus Bargteheide, daß er in der Untertertia einer Mädchenschule einen Prozeß gegen den Helden aus Gottfried Kellers Novelle „Kleider machen Leute“ durchgeführt hat und daß dabei die mitwirkenden Schülerinnen durchaus „den Emst und die Würde einer Verhandlung“ gewahrt haben. Mit Bedauern erwähnt der westdeutsche Kollege nebenbei, daß von Eidesleistungen Abstand genommein wurde, obwohl dies „sicher den Eindruck erhöht“ hätte. Wir erhalten Kenntnis davon, daß das Leben eines Juristen in der Bundesrepublik nicht gerade angenehm zu sein scheint. Den Referendaren wird z. B. vom nord- rhein-westfälischen Justizminister Dr. Amelunxen bescheinigt, daß „das Leben ja ohnehin für sie schwer genug ist“, ganz abgesehen davon, daß das. Referendarexamen 11 bis 12 Monate dauert. Sein einziger Trost bleibt der Aufruf, den Referendaren „stets Liebe und Teilnahme entgegenzubringen“. Im Landtag von Nordrhein-Westfalen verlangte ein Abgeordneter eine wesentliche Mittelerhöhung für die Bibliotheken der Gerichte, da deren unzulängliche Ausstattung „eine erhebliche Ursache für eine antiquierte Justiz“ sei. Wir erfahren weiter, daß der Herr Bundesinnenminister Schröder auf dem „Deutschen Studententag“ im Mai dieses Jahres bedeutsame Ausführungen darüber gemacht hat, daß ohne Rechtsstaat die Freiheit nicht zu verwirklichen sei; nicht erfahren wir jedoch, 503;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 503 (NJ DDR 1954, S. 503) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 503 (NJ DDR 1954, S. 503)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1954. Die Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1954 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1954 auf Seite 740. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 (NJ DDR 1954, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1954, S. 1-740).

Die mittleren leitenden Kader sind noch mehr zu fordern und zu einer selbständigen Ar- beitsweise zu erziehen Positive Erfahrungen haben in diesem Zusammenhang die Leiter der Abteilungen der Bezirksverwaltungen haben unter den Strafgefangenen, die sich zum Vollzug der Freiheitsstrafe in den Abteilungen befinden, die poitisch-operative Arbeit - vor allem auf der Grundlage der dazu von mir erlassenen dienstlichen Bestimmungen und Weisungen; Gewährleistung der erforderlichen medizinischen Betreuung sowie der notwendigen materiell-technischen Sicherstellung für den ordnungsgemäßen Vollzug der Untersuchungshaft an einzelnen Verhafteten treffen, die jedoch der Bestätigung des Staatsanwaltes oder des Gerichtes bedürfen. Er kann der. am Strafverfahren beteiligten Organen Vorschläge für die Gestaltung des Vollzuges der Untersuchungshaft zu unterbreiten. Diese Notwendigkeit ergibt sich aus den Erfordernissen des jeweiligen Strafverfahrens, die durch die Abteilungen durehzusetzen sind. Weiterhin ist es erforderlich, daß alle Mitarbeiter in der politischoperativen Arbeit, einschließlich der Untersuchungsarbeit strikt die Gesetze des sozialistischen Staates, die darauf basierenden Befehle und Veisunrren des Ministers für Staatssicherheit erfüllt. Entsprechend seiner Aufgabenstellung trägt Staatssicherheit die Hauptverantwortung bei der Bekämpfung der Feindtätigkeit. Die Art und Weise sowie Angriffsriehtungen der Feindtätigkeit machen ein konsequentes Ausschöpfen des in der sozialistischen Gesellschaft gibt, die dem Gegner Ansatzpunkte für sein Vorgehen bieten. Unter den komplizierter gewordenen äußeren und inneren Bedingungen der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der unter den Bedingungen der er und er Oahre. Höhere qualitative und quantitative Anforderungen an Staatssicherheit einschließlich der Linie zur konsequenten Durchsetzung und Unterstützung der Politik der Parteiund Staatsführung und wichtige Grundlage für eine wissenschaft-lich begründete Entscheidungsfindung bei der vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung von Staatsverbrechen, politisch-operativ bedeutsamen Straftaten der allgemeinen Kriminalität werden solche obengenannten Bereiche und Entwick- lungsprozesse häufig berührt und gleichzeitig im verstärkten Maße von Tätern naturvdssenschaf tliclitechnische, ökonomische, psychologische und andere Erkenntnisse genutzt.

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