Neue Justiz 1954, Seite 455

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 455 (NJ DDR 1954, S. 455); Ist das Gesetz gemildert, dann bedeutet § 2 Abs. 2, daß die Tat nicht mehr als so gesellschaftsgefährlich angesehen wird, wie es das zur Zeit ihrer Begehung geltende Gesetz noch zum Ausdruck brachte.9) Der Art. 8 des Strafkodex der RSFSR bringt diesen Gedanken, daß die Einschätzung der Gesellschaftsgefährlichkeit aller Elemente einer Handlung zur Zeit der Aburteilung von Bedeutung für ihre Einschätzung als ein Verbrechen ist, bis zur letzten Konsequenz, d. h. der völligen Straffreiheit, zum Ausdruck: „Wenn eine konkrete Handlung, die im Augenblick ihrer Begehung nach Art. 6 dieses Kodex’ als Verbrechen erscheint, zur Zeit ihrer Untersuchung oder Verhandlung vor Gericht ihren gesellschaftsgefährlichen Charakter infolge Änderung des Strafgesetzes oder lediglich der gesellschaftlich-politischen Situation verloren hat, oder wenn diePerson, die diese Handlung begangen hat, nach der Meinung des Gerichts in diesem Zeitpunkt nicht mehr als gesellschaftsgefährlich angesehen werden kann, so zieht diese Handlung nicht die Anwendung von Maßnahmen des sozialen Schutzes gegenüber dem Täter nach sich.“ Art. 45 des Strafkodex der RSFSR gibt entsprechende Möglichkeiten zur Minderung einer Strafe. Alle diese Beispiele bestätigen, daß die Berücksichtigung aller Umstände des einzelnen Falles auch die Berücksichtigung aller der Umstände bedeutet, die zur Zeit der gerichtlichen Verhandlung der Sache dafür von Bedeutung sind, ob die zu beurteilende Handlung wirklich ein Verbrechen gegen unseren Arbeiter- und Bauernstaat darstellt und ob, falls ja, die dafür ausgesprochene Strafe im Einklang mit den Zielen unseres Staates steht. Wir haben in der letzten Zeit die Aufmerksamkeit schon auf den Täter und seine Persönlichkeit gerichtet; der eben gewonnenen Erkenntnis entsprechend müssen wir nun dazu übergehen, dem Verhalten des Täters auch nach der Tat unsere volle Aufmerksamkeit zu * widmen. Hier gilt das, was Lekschas und Renneberg bereits zu der Frage ausführten, inwieweit das Verhalten des Täters nach der Tat bei der Strafzumessung zu berücksichtigen ist10 *). „Bei der Beurteilung des Subjekts ist neben diesen, vor oder auch während der Verbrechensbegehung vorliegenden Umständen auch das Verhalten des Täters nach der Verbrechensbegehung zu beachten. So wird es z. B. auch bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sein, wenn der Verbrecher nach der Tat sein Unrecht eingesehen, die Schädlichkeit und Verwerflichkeit seines Verhaltens erkannt und aus dieser Erkenntnis sein Verbrechen selbst angezeigt, dieses vor unseren Straforganen rückhaltlos aufgedeckt und ihnen wesentliche Hilfe bei der Aufklärung des Falles geleistet hat.“ Die gleichen Erwägungen können aber auch dazu führen, jede Gesellschaftsgefährlichkeit des Täters zu verneinen und damit seiner Handlung den Charakter eines Verbrechens zu nehmen, d. h. seinen Freispruch zu begründen. Eng verbunden mit der Frage, welche Strafe unter Berücksichtigung aller Umstände die richtige 9) vgl. OGSt Bd. 1 S. 210. ) NJ 1953 S. 673. Strafe bedeutet, ist die. Frage, ob überhaupt Anklage erhoben werden soll. In den letzten Monaten ist der Öffentlichkeit mehrfach von Fällen Mitteilung gemacht worden, in denen gegenüber solchen Menschen, die durch offenes Geständnis und Aufdeckung verbrecherischer Pläne den Organen der Deutschen Demokratischen Republik aktiv Hilfe geleistet haben, von einer Strafverfolgung Abstand genommen worden ist. Es sei erinnert an den Fall des Halleschen Studenten Eckstein11), der noch einmal in dem Silgradt-Prozeß vor dem Obersten Gericht erwähnt wurde, den die Drahtzieher und Provokateure des 17. Juni 1953 für ihre verbrecherischen Ziele mißbrauchen wollten, sowie an das westberliner Geschwisterpaar Edelgard Schulze und Wolfgang Bardt12). Wir müssen erkennen, daß unsere Praxis hiermit einen grundlegenden Schritt in der Entwicklung unseres Strafrechts getan hat, nämlich den Schritt zur vollen konsequenten Anwendung des materiellen Verbrechensbegriffs. Danach liegt ein Verbrechen dann nicht vor, wenn eine Handlung zwar dem Wortlaut eines Verbrechenstatbestands entspricht, sie aber sei es wegen ihrer Geringfügigkeit, mangels schädlicher Folgen oder auf Grund der fortgefallenen Gesellschaftsgefährlichkeit des Täters keinen gesellschaftsgefährlichen Charakter mehr hat. Diese Anwendung des theoretisch auch bei uns bereits seit längerem erkannten materiellen Verbrechensbegriffs13) in unserer Strafpraxis steht mit dem noch geltenden Strafgesetzbuch nicht im Widerspruch. Es ist bekannt, daß das Strafgesetzbuch nur die formelle Verbrechensbestimmung des § 1 enthält. Schon vor einem Jahr hatten wir darauf hingewiesen14), daß § 153 der alten StPO immer mehr materiellen Inhalt gewonnen hat. Wir werden nunmehr in den entsprechenden Fällen nicht mehr die Brücke des § 153 der alten StPO benutzen, sondern, wenn wir zu der Überzeugung kommen, daß wegen restlos entfallender oder verschwindend geringer Gesellschaftsgefährlichkeit kein Verbrechen festzustellen ist, im Ermittlungsverfahren § 164 Abs. 1 Ziff. 1 StPO anwenden, im gerichtlichen Verfahren nicht einstellen, sondern freisprechen. Der Schritt zur allgemeinen Anerkennung des materiellen Verbrechensbegriffs in unserer Strafpraxis ist von sehr großer Bedeutung. Hierdurch wird die Verantwortung der Staatsanwälte und Richter, parteilich richtig zu entscheiden, noch viel größer. Hierdurch werden noch höhere Anforderungen an ihr sozialistisches Rechtsbewußtsein gestellt. Es verlangt von allen an der Verwirklichung der Strafpraxis unseres Staates Beteiligten eine besonders sorgfältige Aufklärung aller Umstände eines Verbrechens, um sie dann, wie Wyschinski sagt, „im Prisma der Weltanschauung des Richters zur richtigen Widerspiegelung zu bringen“. Die Haltung des Täters zur Zeit der Ermittlungen oder der gerichtlichen Verhandlung seiner Tat ist ein besonders wichtiger, bei der Entscheidung über eine Strafe zu berücksichtigender Umstand. Aber auch andere zur Zeit der Aburteilung vorliegende Momente können für die Strafe von Bedeutung sein. n) „Neues Deutschland“ vom 12. Juni 1954 (S. 3); vgl. auch „Verratene Verräter“, Berlin 1953, und S. 465 dieses Heftes. 12) „Neues Deutschland“ vom 27. März 1954 („Kinder als Spione mißbraucht“, S. 6). 13) vgl. z. B. Lekschas, „Zur Lehre vom Tatbestand einer Strafrechtsnorm“, „Staat und Recht“ 1953 Heft 3 S. 330 ff. *4) Benjamin, „Die Hauptaufgaben der Justiz bei der Durchführung des neuen Kurses“, Sonderbeilage zu NJ 1953 Heft 19 (S. 30). 455;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 455 (NJ DDR 1954, S. 455) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 455 (NJ DDR 1954, S. 455)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1954. Die Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1954 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1954 auf Seite 740. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 (NJ DDR 1954, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1954, S. 1-740).

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