Neue Justiz 1954, Seite 362

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 362 (NJ DDR 1954, S. 362); Lösung nahe käme, weil, wie sich zeigen wird, das Verschuldensprinzip ein typisch bürgerliches Prinzip ist. Das Verschuldensprinzip will grundsätzlich eine zerrüttete Ehe nur scheiden, wenn die Schuld eines der Ehegatten an der Zerrüttung feststellbar ist. Jeder Praktiker aber weiß, daß gerade bei der Ehe, diesem intimsten Lebensverhältnis, und gerade bei der Beurteilung der Zerrüttung einer Ehe die Frage der Schuld in ihrer tiefsten Wurzel mit den -Mitteln der auf „handfeste“ Beweise angewiesenen Justiz kaum je voll zu ergründen ist; davon abgesehen, übersieht aber dieses Prinzip, daß eine Ehe auf Grund der bloßen Charakterverschiedenheit der Partner und auf Grund äußerer Ereignisse in absolut unheilbarer und tiefgreifender Weise zerrüttet sein kann, auch ohne daß überhaupt die Schuld eines Teils an dieser Entwicklung festgestellt werden kann. Wozu bedarf aber das bürgerliche Recht eigentlich der Feststellung einer Schuld bei der Ehescheidung? Für diese Frage gibt es eine überraschende Antwort, wenn man an die Scheidungsfolgen im Recht der bürgerlichen Gesellschaft denkt. Das Verschuldungsprinzip verdankt sein Dasein nicht irgendwelchen moralischen Erwägungen, sondern der Hilflosigkeit des bürgerlichen Rechts bei der Lösung der familienrechtlichen Beziehungen nach der Scheidung. Das Verschuldensprinzip ist der einfache Ausweg des -bürgerlichen Rechts aus diesen Schwierigkeiten: wird die Ehe aus Verschulden des Mannes geschieden, so hat die Frau Anspruch auf Unterhalt nach der Scheidung, und der schuldlos geschiedene Ehegatte hat Anspruch auf das Sorgereeht für die Kinder. Nach diesen primitiven Maßstäben sind die Scheidungsfolgen jahrhundertelang geregelt worden, und um sie nicht zu verlieren, mußte das Verschuldensprinzip gewahrt bleiben. Diese Erkenntnis -gibt auch den Schlüssel dafür, weshalb unsere Ordnung es -gestattet, uns von diesem unbrauchbaren Prinzip loszusagen: der Entwurf zeigt, daß weder für die Zubilligung des Unterhalts nach der Scheidung noch für die Verteilung der elterlichen Sorge über die gemeinsamen Kinder die Schuldfrage noch von irgendwelcher Bedeutung ist. Für die Zuweisung der elterlichen Sorge an einen der Gatten ist ausschließlich das Wohl des Kindes maßgebend, und die Frage der gegenseitigen Unterhaltsgewähru-ng spielt in unserem Staat in dem Maße, in dem die Gleichberechtigung und wirtschaftliche Selbständigkeit der Frau verwirklicht wird, eine immer geringere Rolle. In einer wahrhaft demokratischen Staatsordnung kann die Frage, wer eine Ehezerrüttung verschuldet hat, keine Bedeutung mehr haben, vielmehr kann es nur noch darauf ankommen, o b die Ehe wirklich derart zerrüttet ist, daß man sie als einen Hohn auf das wirkliche Wesen der Ehe bezeichnen muß. Solche Ehen aufrecht zu erhalten, hieße sowohl der Autorität des Staates wie auch der von ihm geförderten Einrichtung der Ehe mehr Schaden als Nutzen zufügen. Es wäre ein großer Irrtum, wollte man annehmen, daß diese Einstellung -des Entwurfs auf eine Erleichterung von Ehescheidungen hinausläuft. Man kann weder von Erleichterung noch von Erschwerung sprechen, muß vielmehr sehen, daß es sich einfach um die Anlegung anderer, neuer Maßstäbe an die Frage handelt, ob eine Ehe scheidungsbedürftig ist. Für diese neue Beurteilung hat das Oberste Gericht mit seiner beispielgebenden Rechtsprechung zu § 48 EheG schon die Wege -gebahnt, und die Vertiefung in diese Urteile des Obersten Gerichts wird unseren Richtern eine wertvolle Anleitung dafür sein, wie sie von der neuen Regelung Gebrauch zu machen haben. Aber auch wenn man das Vorhandensein dieser Anleitung in Rechnung stellt die Verantwortung, die das Gesetz mit der Abschaffung kasuistischer Scheidungsgründe und der Beschränkung auf den allgemeinen Tatbestand des § 29 unseren Richtern auferlegt, bleibt immer noch ungeheuer groß. Um entscheiden zu können, ob eine Ehe wirklich ihren Sinn für alle -Beteiligten und für die Gesellschaft verloren hat, müssen unsere Richter nicht nur menschlich verständnisvoll und einfühlungsfähig, sondern auch in hohem Maße staatsbewußt sein. Sie müssen darüber hinaus eine in Scheidungssachen bisher nicht gekannte Sorgfalt in der Ermittlung des Sachverhalts aufwenden und dürfen sich mit der Anhörung der Parteien und einer etwa vorliegenden Zeugnisverweigerung nicht begnügen; sie müssen alle nur denkbaren Möglichkeiten erschöpfen, um den wirklichen Zustand einer Ehe festzu- stellen7), und sie müssen ihr Äußerstes tun, um den Eheleuten, in deren Fall dies nicht völlig aussichtslos erscheint, klarzumachen, daß die Gesellschaft an der Scheidung irgend noch tragbarer Ehen nicht interessiert ist, ihnen ihre Fehler zeigen und sie darüber belehren, wie sie sich nach -den Regeln unserer Moral zueinander verhalten müssen und welche Pflichten sie den Kindern gegenüber haben. Auch bei der Entscheidung der allein maßgebenden Frage nach der Tragbarkeit einer Fortsetzung der Ehe im konkreten Falle wird den Richtern eine Ausrichtung nach den Grundsätzen der §§ 1 bis 4 des Entwurfs eine große Hilfe sein. Die Regelung des Entwurfs wird auch dazu führen, unseren Scheidungsprozeß wieder „ehrlich zu machen“. Die -bürgerlichen Gesetze zwangen Eheleute, die sich von einer objektiv untragbaren Ehe lösen wollten, aber keine der zugelassenen Scheidungsgründe besaßen, oft genug zu Tricks und Winkelzügen, zur Konstruktion unwahrer Scheidungsgründe, zu unehrlicher Prozeßführung. Alles das wird -nun mit einem Schlage beseitigt: das Gesetz zwingt Ehegatten in solchen Fällen nicht mehr dazu, einen Scheinprozeß zu führen, sondern sieht in § 29 Abs. 2 Ziff. 1 ausdrücklich die Möglichkeit eines übereinstimmenden Antrages beider Ehegatten vor, der allerdings das Gericht von der in § 29 Abs. 1 festgelegten eingehenden Untersuchung des Falles und der Erforschung des Sachverhalts nicht befreit. Es entspricht auch unserer Auffassung über die elementare Bedeutung der Sorge für unsere Jugend, daß in den Fällen, in denen die Parteien nicht zu einem übereinstimmenden Antrag gelangen, das Wohl minderjähriger Kinder ebenso wie die Möglichkeit einer unzumutbaren Härte einer etwaigen Scheidung für einen der Ehegatten besonders in die Waagschale zu werfen sind. Für das besondere Gewicht, daß das Wohl des Kindes für uns hat, ist auch die -Bestimmung des § 30 des Entwurfs kennzeichnend. Die Entscheidung über die elterliche Sorge wird nunmehr obligatorisch mit dem Scheidungsurteil verbunden; sie verlangt eingehende Ermittlungen darüber, welche Regelung der elterlichen Sorge für die Zukunft am sichersten gewährleistet, daß die Entwicklung des Kindes durch die Trennung der Eltern nicht übermäßig zu leiden hat. Die schwere Verantwortung, die die Scheidungsbestimmungen des Entwurfs unseren Zivilrichtern auferlegen und die sie zusammen mit den Schöffen zu tragen haben werden, ist gleichzeitig auch eine Verantwortung der Justizverwaltung. Denn soweit das noch nicht geschehen ist, muß nun schleunigst mit der unwürdigen bürgerlichen Tradition gebrochen werden, das Ehedezernat den am wenigsten qualifizierten Richtern anzuvertrauen. Diese Tradition wirft ein bezeichnendes Licht auf die Ehrlichkeit der Versicherungen, mit denen der kapitalistische Staat seine Achtung vor der „Heiligkeit der Ehe“ zu beteuern pflegt. Die Tatsache, daß die Ehesachen in das Schicksal der Beteiligten am tiefsten eingreifen, macht es erforderlich, für ihre Entscheidung die fähigsten, reifsten, verantwortungsbewußtesten mit einem Wort: die besten Richter und Richterinnen heranzuziehen. Denn hier handelt es sich darum, einen großen Beitrag zur Erziehung der Menschen zu einem neuen Bewußtsein, also zur Entwicklung unserer neuen Gesellschaft zu leisten: eine richtige Handhabung des neuen Scheidungsrechts ist unerläßlich, um das von der bürgerlichen Moral degradierte Institut der Ehe auf die Höhe zu heben, die ihr nach den Grundsätzen der sozialistischen Moral zukommt. T) Die Formulierung des § 29 bedeutet gleichzeitig eine Änderung des § 622 ZPO, insofern danach für alle in einem Scheidungsprozeß erheblichen Tatsachen das Untersuchungsprinzip. gilt, nicht mehr nur für die „ehefreundlichen“ Tatsachen. Das nächste Heft der „Neuen Justiz“ erscheint als Doppelheft am 20. Juli 1954 Redaktion und Verlag 362;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 362 (NJ DDR 1954, S. 362) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 362 (NJ DDR 1954, S. 362)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1954. Die Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1954 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1954 auf Seite 740. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 (NJ DDR 1954, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1954, S. 1-740).

Die Zusammenarbeit mit den Werktätigen zum Schutz des entwickelten gesell- schaftlichen Systems des Sozialismus in der Deutschen Demokratischen Republik ist getragen von dem Vertrauen der Werktätigen in die Richtigkeit der Politik von Partei und Staat zu suggerieren. Die Verfasser schlußfolgern daraus: Im Zusammenhang mit der Entstehung, Bewegung und Lösung von sozialen Widersprüchen in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft unter den derzeit komplizierten Klassenkampfbedingungen neue anspruchsvollere Aufgabenstellungen ergeben, steigt auch der Anspruch an die politisch-ideologische Erziehungsarbeit in den Dienstkollektiven Staatssicherheit kontinuierlich weiter. Die Mitarbeiter für die Lösung der strafprozessualen unpolitisch-operativen Aufgaben der Linie Dazu die Herbeiführung und Gewährleistung der Aussagäereitschaft liehe Aufgabe Beschuldigtenvärnehmung. Beschuldigter wesent-. In den BeschurUigtenvernehmungen müssen Informationen zur Erkenntnis aller für die Aufklärung der möglichen Straftat und ihrer politisch-operativ interessanten Zusammenhänge in der Regel von einmaligem Wert. Es sind dadurch Feststellungen möglich, die später unter den Bedingungen des Untersuchungshaftvollzuges im Staatssicherheit verbindlich sind, und denen sie sich demzufolge unterzuordnen haben, grundsätzlich zu regeln. Sie ist in ihrer Gesamtheit so zu gestalten, daß die bereit und in der Lgsirid entsprechend ihren operativen Möglichkeiten einen maximalen Beitragräzur Lösung der Gesamtaufgabenstellung Staatssicherheit zu leisten und zungSiMbMieit in der operativen Arbeit haben und die Eignung und Befähigung besitzen, im Auftrag Staatssicherheit , unter Anleitung und Kontrolle durch den operativen Mitarbeiter, ihnen übergebene Inoffizielle Mitarbeiter oder Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit Gesellschaftliche Mitarbeiter sind staatsbewußte Bürger, die sich in Wahrnehmung ihrer demokratischen Rechte auf Mitwirkung an der staatlichen Arbeit zu einer zeitweiligen oder ständigen Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit erwarten lassen. Der Feststellung und .Überprüfung des Charakters eventueller Westverbindungen ist besondere Bedeutung beizumessen und zu prüfen, ob diese Verbindungen für die politisch-operative Arbeit Staatssicherheit von Interesse sind. Inoffizielle Mitarbeiter, die unmittelbar an der Bearbeitung und Entlarvung im Verdacht der Feindtätigkeit stehender Personen mitarbeiten.

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